Auf nach Frankreich
Als wir endlich am 2.Mai den Brief aus Alicante erhalten, sind wir froh, dass wir endlich los können. Es ist immer noch nicht wirklich warm genug, um an der Sonne zu liegen, aber ideal zum Velofahren!
Die Pirinexus oder Eurovelo 8, gut beschildert, geht über Felder und durch Wälder in der schönen Hügellandschaft von Catalunya. Überall blüht der Mohn, ich kann fast nicht fahren, so viele Fotos muss ich machen. Der Himmel ist etwas bewölkt, und natürlich haben wir Wind, von Nordosten, genau gegen die Nase!
In Empúries, einer antiken griechischen Siedlung, versuchen wir, einen Blick auf die Ruinen zu erhaschen, der Wind hat aber ziemlich aufgefrischt, deshalb fahren wir bald weiter bis in ein kleines, ehemaliges Fischerdorf, das ganz schön touristisch vermarktet wird, jetzt aber ziemlich trist ist, weil noch kaum jemand da ist. Auf dem Camping finden wir aber schon Zeichen, dass es im Sommer hier hoch zugehen wird.
Am nächsten Tag verlassen wir die Pirinexus, die, wie der Name sagt, in die Pyrenäen führt, wir aber wollen an die Küste. Wir entscheiden uns spontan, über einen Hügel zu fahren, anstatt der Hauptstrasse zu folgen, dieser entpuppt sich dann aber als recht nahrhaft. Er führt uns nach San Pere de Rodes, einem uralten Benediktinerkloster hoch oben am Hang. Nebelschwaden ziehen vom Meer her über die Hügel und vermitteln eine ganz aussergewöhnliche Stimmung. Bald aber löst sich alles auf und wir werden belohnt mit der atemberaubenden Aussicht übers Meer. Die hatten damals an den unmöglichsten Orten ihre Kloster und Kirchen gebaut, denken wir.
Nach dem Aufstieg, der unsere Kräfte gebraucht hat, fahren wir nun in die Regenjacken eingepackt wieder hinunter ans Meer, wo wir auf einem der teuersten (24€) und zugleich doch ziemlich heruntergekommenen Camping aufstellen. Der Mann an der Rezeption weiss nicht einmal, ob das Restaurant offen hat und das Wifi würde pro Stunde 4€ kosten! Wir dürfen nicht dort aufstellen wo wir wollen, sondern auf dem schrägsten Stück, ganz nahe an der Strasse und weit weg von den Toiletten und dem Wasser. Mit zwei anderen kleinen Zelten, die Wanderern gehören, sind wir fast die Einzigen, die hier zelten, also wäre es eigentlich kein Problem, uns in der Nähe der Sanitäranlagen aufstellen zu lassen. Wir regen uns aber gar nicht mehr auf, in Catalunya ist im letzten Jahr vieles sehr teurer geworden, aber nicht unbedingt besser. Dass dann die ganze Nacht noch eine oder zwei Nachtigallen ihre Lebensfreude mit lautem Singen, Zwitschern, kundtun, hat aber nichts mit dem Camping zu tun. Man glaubt es kaum, dass so ein kleiner Vogel solch einen Lärm veranstalten kann!
Der nächste Tag ist unser Grenztag! Schon als wir losfahren wollen, bemerkt Martin, dass er keine Luft mehr im vorderen Reifen hat. Also, alles wieder abladen und Schlauch wechseln. Später, die Küstenstrasse geht hoch über den Hügel, dann runter in die kleinen etwas verschlafenen Dörfer, dann wieder hoch über den nächsten Hügel weiter. In einem dieser Dörfer halten wir Ausschau nach einem Laden, wo wir unsere Vorräte aufstocken können, da macht es laut „Päng und Pfffff“ – und Martins Hinterreifen ist sofort platt! Neben einem Spielplatz laden wir wieder alles ab und Martin muss sogar den Pneu wechseln, da es einen Riss gegeben hat. Zum Glück hat er Reserve dabei! Na, da will uns Spanien nicht so schnell gehen lassen, witzeln wir beim Weiterfahren. Wenn wir noch einen Platten einfahren, muss Martin zuerst den Schlauch flicken.
Das Grenzdorf Port-Bou besteht fast nur aus dem riesigen, menschenleeren Bahnhof. Das Dorf selber ist menschenleer, man sieht zwar die frühere Geschäftigkeit noch, aber heute läuft hier nichts mehr. Die Gebäude oben an der Grenze sind verriegelt und vernagelt, der Wind bläst um die Ecken, nicht einmal mehr die Bar hat offen. Wir wollen eigentlich hier Mittagspause machen, aber es ist zu kühl und ein paar Tropfen warnen uns vor dem Regen, der jederzeit fallen könnte. Er fällt dann zwar nicht, aber der Wind ist einfach kalt hier oben. Als ich abends einer guten Kollegin schreibe, dass wir da durchgefahren sind, erinnert sie sich an einen Grenzübertritt in den 80er-Jahren, da wurde sie herausgepickt und musste sich filzen lassen, weil man vielleicht bei ihr Drogen vermutete,….wie sich die Zeiten doch verändern können.
In Banyuls-sur-mer fahren wir zum Camping municipal, hier wartet eine Überraschung: es hat mehrere Zelte, zwar keine Velofahrer, aber Leute, die im Zelt schlafen! Aber auch welche, die im Auto schlafen, das hatten wir in Avignon auch schon gesehen. Eigentlich dachten wir, Frankreich sei etwas teurer als Spanien, aber verglichen mit Catalunya, sind hier die Campings richtig günstig! Wir bezahlen von nun an zwischen 10,50-17€, fast die Hälfte als in den letzten Wochen. Das Wifi ist meistens zeitlich limitiert auf eine halbe Stunde, alle 6 Stunden wieder, aber gratis! Uns genügt das völlig.
Am Sonntag 7. Mai (Präsidentschaftwahlen!) haben wir uns falsch entschieden, aber losgefahren ist losgefahren. Es ist sehr anstrengend der Küste entlang, wegen dem vielen Sonntagsverkehr auf der schmalen kurvigen Strasse. Einige Franzosen halten nicht so viel Abstand wie die Spanier, was doch eine gewisse Gewöhnungszeit meinerseits braucht. In Collioure dann, muss ich einfach ein Foto machen für eine Kollegin, mit ihr war ich nämlich in den 80er Jahren mal hier in den Ferien. Sie kann sich sicher auch gut an diese Woche erinnern. (Sie wollte viel Wandern gehen und ich bekam dann immer einen Bärenhunger und wollte Essen gehen!)
Als wir im Städtchen eine Pause machen, kommt ein Paar auf uns zu, bestaunt die Fahrräder und wir beginnen zu plaudern, wie schon oft. Plötzlich fragt uns die Frau: „Wart ihr nicht im November am Canal du Midi unterwegs? Und da haben wir uns doch schon einmal getroffen, kurz miteinander gesprochen. Wir waren da mit unseren 5 Kindern unterwegs an die Küste! Mir kommt langsam die Erinnerung, genau, wir hatten gerade Mittagspause gemacht, und sie kamen vorbei, zuerst zwei Jungs, dann der Vater mit einem Mädchen, der bremste und fing an, mit uns zu reden, dann die Frau mit einen Mädchen auf einen Anhängerrad,… Aber die Kinder waren nicht sehr geduldig, deshalb fuhren sie bald weiter! Wie ist die Welt doch klein!!!!
Nach Colliure geht es nur noch ein kleines Stückchen der Küste entlang, dann fahren wir endlich auf Nebenstrassen durchs Landesinnere, Richtung Westen, wir wollen hinten durch, nicht mehr der Küste entlang.
Wir erreichen einen kleinen Camping, den Mas Mignane, der seine Wiesen zu einem Zeltplatz umfunktioniert hat. Das grosse Eingangstor ist geschlossen, wir sehen niemanden und denken schon, der ist noch geschlossen. Aber da steht auf der Informationstafel eine Telefonnummer und ich rufe mal an. Eine Frau nimmt ab und bittet uns freundlich, doch einfach reinzugehen und einen Platz zu suchen, sie käme dann gegen Abend zu uns. Schon will sie abhängen, da kann ich noch gerade fragen, wie wir denn hineinkämen? Ganz erstaunt sagt sie, einfach schieben, das Tor ist nicht abgeschlossen! Aha, das ist ja etwas Neues. Aber klar, so ist es einfacher für sie, wenn sie mal weg ist können die Gäste trotzdem rein. Und hier draussen auf dem Land ist es sicher selten, dass gerade jemand einen leeren Camping ausrauben will. Da der Wind immer noch ziemlich stark bläst, suchen wir ein Weilchen, um den geschütztesten Platz zu finden. Zwischen zwei hohen Hecken verstecken wir uns, es hat sogar einen kleinen, etwas gedeckten Platz, wo wir sitzen und kochen können. Abends kommt die Frau dann vorbei, wir plaudern ein wenig und sie will wissen, wie wir sie gefunden haben. Nun, die Karte und das GPS haben den Camping drauf. Das erstaunt sie sehr, das sei nicht mehr ihr Ding, so mit dem Internet. Aber anscheinend hat sie genügend Gäste im Sommer, ohne dass sie Werbung mit einer Webseite machen muss!
Am nächsten Tag müssen wir dann, wegen einem Fehler im GPS und auf der Karte, einige Kilometer zurück fahren: eine kleine Strasse ist jetzt gesperrt, (wir glauben den Sackgasse-Schildern nicht, da auf der Karte ein Durchgang ist) aber wir müssen zurück, nehmen dafür aber einen Feldweg, der sich durch eine wunderschöne Landschaft mit Oliven, Reben und den Schneebergen im Hintergrund schlängelt.
Danach kommt ein Teilstück von einer „Voie Verte“, von denen hat es in Frankreich viele, lange und kurze, immer aber sind sie gut beschildert (bis jetzt) und in einem recht guten Zustand. Wegen dem Wind müssen wir einen Picknickplatz wieder verlassen, es ist zu kalt, und der Nächste ist nicht gerade ein Highlight, an einer Gartenmauer in einem Vorort, mit nur wenig Schatten, dafür aber windstill. Das ist gewöhnungsbedürftig, die Sonne ist doch sehr heiss, aber der Wind bläst zu kalt und zu stark, dass man sich einfach irgendwo niederlassen könnte.
Zuletzt gibt es noch eine Fahrt auf einem kleinen Fussweg am Canal de Perpignan entlang, schön einsam und ruhig. Das Land wird ziemlich bewirtschaftet, deshalb verwerfen wir den Gedanken, wild zu zelten. Der erste Camping, den wir ansteuern, ist jetzt aber wirklich noch geschlossen, es ist eher ein Sommerferiendorf mit diesen Plastik-Bungalows, die wir in England auch immer wieder gesehen hatten. Ein Mann sagt uns, dass es ein paar Kilometer von hier einen anderen hat, der offen ist. In Néfiach steht der, da sind wir dem Canal entlang schnell da. Wir werden freundlich begrüsst, dürfen einen Platz aussuchen, das Wasser des Pools sei schon schön warm, 30 Minuten-Gratis-Wifi und sogar einen Camping-Stecker zum Aufladen unserer Geräte gibt es auch! Was wollen wir noch mehr? Die Dusche tut gut, es ist ziemlich warm geworden. Das Bad im Pool lassen wir dann bleiben, wir haben Hunger und wollen kochen.
Am nächsten Tag geht es nun richtig ins Hinterland, durch Weinbaugebiet, mit vielen Hügeln und Steigungen, ab und zu durch ein kleines Dorf, die Strassen sind ziemlich leer, die Aussicht ist wieder einmal beeindruckend!
In Caramany, einem kleinen Dörfchen, hat es einen sehr kleinen Camping, die Leute sind noch an Renovationsarbeiten, wir sind die einzigen Gäste. Wir bekommen den Schlüssel für Dusche und Toilette, es hat Wifi und abends können wir in dem Gebäude sogar die Nachrichten schauen und uns endlich ein wenig über das Weltgeschehen und die Wahlen in Frankreich informieren.
Viele Steigungen und imposante Schluchten erwarten uns, eine Via Ferrata und die Gorges de Calamus er-fahren wir, da hat der Fluss Agly jahrhundertelang gegraben und weggespült!
Es ist ein langer und schwüler Tag, bis wir in Bugarach auf der Wiese eines Wanderhotels das Zelt aufstellen. Hier hat es sogar ein Häuschen, wo wir kochen und geschützt von Wind und Wetter an der Wärme sitzen und essen können. Die Berge ringsum sind mit Wolken verhangen, gegen Abend aber bläst der Wind die Wolken teilweise weg, so dass wir ein tolles Panorama haben. In der Nacht regnet es ziemlich, und morgens ist wieder alles verhangen. Wir packen unser Zelt schnell zusammen, es könnte wieder regnen, danach essen wir gemütlich im Häuschen Frühstück. Auf Wikipedia lese ich, dass in Bugarach ziemlich viel los war im Jahr 2012, da dieser Ort der einzige gewesen wäre, wo man das Ende der Welt (laut Mayakalender) überlebt hätte. Wer das erfunden hatte, ist nicht mehr klar, aber es gab Leute im Dorf, die Teile ihres Gartens für viele Hunderte Euros an Abergläubige vermieteten, bis sogar die Polizei einschreiten musste, dann kam natürlich ein TV Sender und das beschauliche Dorf in diesem grünen Talkessel wurde für ein kurze Zeit weltberühmt. Heute sind wieder die Wanderer unterwegs und es ist Ruhe eingekehrt, nur ein Mann sei immer noch überzeugt, dass hier ein magischer Platz sei, und er der Verkünder des Paradieses….
Wir sind gut im Schuss, die Fahrt geht nun wieder etwas abwärts, dem Flüsschen entlang, wo wir durch ein paar hübsche Dörfer kommen. Die Landschaft wird flacher und wir treffen wieder auf Fahrradwege…
Wenn wir eine offene Boulangerie oder Patisserie antreffen, können wir meistens nicht wiederstehen, da gibt es immer feine Stärkung zu kaufen!
Es geht Richtung Carcassonne, das wir gegen Abend erreichen. Wir quartieren uns wieder auf einem halb offenen Camping ein, der zu einem Reithof gehört. Neben der Pferdewiese stellen wir unser Zelt auf, das ist doch gemütlich, mal Pferde als Nachbarn zu haben. Die paar Kilometer nach Carcassonne nehmen wir gerne in Kauf, wir schlafen hier sicher ruhiger als gerade neben den Stadtmauern und der Strasse. Nachts galoppieren die Tiere dann mehrere Male fast neben unserem Zelt vorbei, und wir kommen uns vor wie im wilden Westen!
Wir machen einen Rundgang durch die Cité, es ist ein Tag im Touristenrummel einerseits, aber auch interessant, so durch diese alten Mauern zu bummeln und sich vorzustellen, wie das Leben hier vor Hunderten von Jahren stattgefunden hat!
Im neueren Teil dieser Stadt suchen wir noch einen Veloladen auf, wo wir einen neuen Schlauch kaufen-man weiss ja nie, wann wieder mal die Luft aus den Reifen entweicht! Auf der anderen Strassenseite entdecken wir einen kuriosen Laden, der uns aber fasziniert. Wenn unser Stauraum nicht so knapp bemessen wäre, hätten wir vielleicht so ein Pferd mit Ritter mitgenommen….