Das grüne Band
Bei Cuxhaven passieren wir ein riesiges Gelände, wo die allgegenwärtigen Windräder gelagert und montiert werden. Da sieht man ganz eindrücklich wie riesengross die Flügel sind! An der Elbe (schon Meer oder noch Fluss?) fahren wir lange durch Weideland mit Schafherden, sie sind scheinbar das Beste, um den Deich zu pflegen. Gefühlt hat es etwa 100 Gatter, mit Toren, die wir öffnen und wieder schliessen müssen. Das heisst: Absteigen, Tor auf, Durchfahren, Tor zu, Aufsteigen, ein paar hundert Meter fahren, dann das Ganze von vorne… bis wir wieder auf eine richtige Strasse kommen. Es hat hier ziemlich viele Radfahrer und alle müssen da durch!
In Glückstadt kaufen wir ein, im Frauen-Edeka, Männer dürfen hier aber auch einkaufen:-) Als wir schon fast nicht mehr dran glauben, einen Platz zum Zelten zu finden, hats da am Feldweg ein frisch gemähtes Plätzchen, mit Tisch und Bank, perfekt. Wir kochen unser Abendessen, ein paar Radler und Hunde- Spaziergänger kommen vorbei und wünschen uns einen schönen Abend. Den haben wir! Und auch die Nacht wird wunderbar ruhig! Das schätzen wir sehr, die letzte Nacht war ja sehr laut…
Getrennt fahren wir Richtung Nord–Ostkanal, dem wollen wir am nächsten Tag bis nach Kiel folgen. Wir versuchen dem Ochsenpfad zu folgen, was aber gar nicht so einfach ist, da er auf meiner Karte nur teilweise drauf ist. Und die Wegweiser führen uns so richtig kreuz und quer, auch mal über holprige Feldwege, bis wir uns auf einer Landstrasse entscheiden, da mal ein Stück den Radweg zu nehmen, damit wir auch vorwärtskommen. Es ist schön, durch die Landschaft zu gondeln, aber schliesslich haben wir ja in einer Ortschaft abgemacht, wo wir uns wieder treffen wollen. Hier essen wir ein Eis und wollen Wasser füllen, heute bei einer Tankstelle. Graue Wolken am Himmel kündigen ein Gewitter an, wir fahren noch ein paar Kilometer an einen Waldrand, wo es einen Grillplatz mit Picknickhütte hat. Hier richten wir uns ein, schon donnert es und die ersten Regentropfen fallen, aber wir sind im Trockenen! Ein paar Radfahrer sausen noch im Regen vorbei, aber die sind wahrscheinlich nahe von ihrem Zuhause.
Der Nord-Ostsee-Kanal ist so ein Mega-Projekt aus dem 19. Jahrhundert, und wurde 1895 eröffnet. Da fahren pro Jahr um die 30‘000 Schiffe durch, vom kleinen Segelschiff bis zum riesigen Containerschiff. Eindrücklich! Und erst die Brücken! Die trumpfen mit Höhen und Kilometern auf, und das seit anfangs 1900. Wegen Ausbau und Umbauarbeiten müssen wir einen Umweg von mehreren Kilometern fahren, es müssen Kurven begradigt und Dämme verstärkt werden, da die Schiffe immer grösser werden.
Und dann die Ostsee! Das ist ein richtiges schönes blaues Meer!
Nördlich von Kiel richten wir uns auf einem Camping ein. Wir haben nämlich abgemacht, mit Heidi und Manhard, wir hatten sie auf dem Camping in Noto, in Sizilien, kennengelernt. An der Schiffsanlegestelle am Bahnhof begrüssen wir uns, und dann gibt es eine super Insider- Stadtführung. Marie ist auch dabei, sie war damals noch eine junge ungestüme Hündin, jetzt schon richtig stadtgewandt. Wir bekommen am Hafen unser erstes Fischbrötchen und holen dann Heidi ab. Zusammen fahren wir zu Ihnen nach Hause und bekommen ein leckeres Abendbrot, das sich richtig in die Länge zieht, wir haben uns soviel zu erzählen! Um Mitternacht fährt uns Manhard zum Camping, den er gar nicht gekannt hat.
Wir werden morgen mit den Fahrrädern zu Ihnen fahren nachdem wir Antonia und Ernst verabschiedet haben, sie werden sich Richtung Süden wenden, nach Hause.
Es war eine tolle Zeit, wir haben so Vieles zusammen erlebt das wir nie vergessen werden!
Eine kurze, aber windige Fahrt durch die Badeorte nördlich von Kiel führt uns in das kleine Dorf, wo unsere Gastgeber wohnen. Wir freuen uns auf das Zusammensein mit Ihnen. Noch sind wir nicht sicher, in welche Richtung es für uns weitergehen soll, da ist eine kleine Pause gerade richtig.
Nach kurzweiligen Tagen, mit Konzertbesuch und Ausflug nach Eckenförde wissen wir es. Das Wetter beeinflusst unsere Entscheidung massgeblich, Wind aus dem Nordwesten, unbeständiges Regenwetter, das müssen wir nicht haben.
So wenden wir uns Richtung Lübeck, Travemünde, da haben wir Rückenwind! Wir radeln durch die sanften Hügel der Region holsteinische Schweiz, und vielleicht können wir in einem der vielen Seen auch mal baden gehen. Zweimal zelten wir hier, die Campingplätze sind jetzt gut besetzt, aber für uns hat es immer einen Platz, einmal wieder richtig privilegiert, direkt am Plönsee. Durch Wälder geht es nun ans Meer.
In Scharbeutz treffen wir dann auf die Ferienmasse, Campingplatz überfüllt, Zelt an Zelt auf einer baumlosen Wiese, jeder sieht dem anderen ins Glas, so nahe aufeinander sind wir eingepfercht. Die Nacht wird unvergesslich, weil kein Auge zugetan. Alle Schnarcher habe ich gehört, es hatte mindestens zehn ringsum! Und das sind Ferien?!
Wir flüchten am nächsten Morgen, ohne Yoga gemacht zu haben, es hat einfach zu viele Leute! Auf dem Weg beschliessen wir schon, dass wir Lübeck nicht besuchen, keine Lust auf Stadt, jetzt wollen wir Natur. Wenn wir der Ostsee entlang fahren, werden wir dieses Ziel nicht erreichen. Aber vielleicht ist das grüne Band (auch der Iron Curtain genannt), die bessere Variante? Gadacht getan! In Travemünde verabschieden wir uns vom Meer und biegen ab, wieder durch Wald und Feld, durch kleine Dörfer, heute Abend wollen wir auf einem Kanuplatz übernachten! Aber Achtung, jetzt sind die Waldwege schon sehr sandig, und einmal drehen wir schon nach ein paar Metern wieder um. Wir fahren lieber auf einer wenig befahrenen Landstrasse, als im Wald stecken zu bleiben und vielleicht noch einige Kilometer zu schieben. Die Wackenitz ist ein kleiner Fluss, eingebettet in einem Naturschutzgebiet. Fast das ganze grüne Band ist eine Naturschutzzone. Die ehemalige Grenze war lange kaum bewohnt und die Natur konnte sich ungestört entfalten. Vögel, Fische Frösche, Amphibien und Insekten haben hier einen Platz zum Leben. Und hier gibt es diesen Kanuwanderer-Zeltplatz. Da steht kein einziges Zelt als wir ankommen, später kommt ein Vater mit zwei Kindern im Kanu mit allem Gepäck an. Sie sind auf einer mehrtägigen Kanutour. Sicher unvergesslich für die Kinder!
Wir entscheiden uns spontan, am nächsten Tag ein Kanu zu mieten und auch durch diese grüne Welt zu paddeln. Wunderbar beruhigend und entspannend.
Wir bleiben nun auf dem grünen Band, fahren durch Wälder, Felder und passieren Dörfer und Gedenkstätten, die zeigen, wie während der Zeiten der DDR das Leben so nahe an der Grenze war. Und auch all die Schikanen, die an der Grenze aufgebaut wurden. Ich bekomme jetzt beim Schreiben noch eine Hühnerhaut, wenn ich daran denke, was da für Gemeinheiten passiert sind. Mit ganz anders offenen Augen fährt man da durch die Gegend und dauernd begleiten uns diese Gedanken an die Menschen, die in dieser Situation leben mussten. Da stellen sich Fragen über Fragen, wir versuchen, in vielen Gesprächen einige Antworten zu finden.
Wieder an einem ruhigen See campen wir auf einem Camping, der neben den Dauercampern nur eine Handvoll andere Feriengäste hat.
Warum nur fahren die Menschen alle an den gleichen Ort? Wo es doch so viele wunderschöne andere Plätzchen hätte? Der Mensch, das Rudeltier? Für uns unverständlich.
Wir geniessen die Ruhe, die Gespräche mit den Menschen die hier sind und uns oft mit grosser Bewunderung überhäufen. Uns aber auch tiefe Einblicke geben in ihr jetziges Leben. Und das von früher, als alles noch anders (besser?) war. Das hilft uns, einige der oben gestellten Fragen teilweise zu beantworten.
Bald erreichen wir die Elbe, dem Fluss wollen wir nun länger Gesellschaft leisten, wir fahren nach Dresden!