Die letzten “warmen” Tage

Unsere Reise durchs Hinterland beginnt an einem Sonntag, gegen Mittag fahren wir los, Richtung Villalonga, hier wollten wir einkaufen, aber es ist ja Sonntag und in den Dörfern haben die Supermercados geschlossen, so schnell vergisst man das, wenn man ein paar Tage in der Nähe von einer grossen Stadt ist. Mitten im Zentrum ist die Bar, es ist 13 Uhr, viele Leute sitzen da und trinken ein Bier, hier fragen wir, ob man etwas zu essen kaufen könnte? Sofort erhalten wir ein einen Tipp: der Shop der Chinesen wäre immer offen, aber hier in der Bar könnten wir auch etwas bestellen. Der Besitzer wird hergerufen und wir bekommen zwei supermega-grosse, frisch gemachte Jamon- und Käse-Sandwiches, dazu noch zwei Handvoll Erdnüsse (gut beim Velofahren), die Flaschen aufgefüllt mit kaltem Wasser, das ist einfach super, wie für uns gesorgt wird!
Die Fahrt geht weiter, und bald ist fertig lustig: Wir sind zum Glück frisch und können die Räder gerade noch eigenhändig diesen steilen Part hinaufschieben. Etwa 2Kilometer hoch, dann wieder runter, jetzt nicht mehr geteert, durch Pinienwald, immer etwas in der Höhe dem Flüsschen entlang in einer Schlucht. Leider merkt man nicht so viel von dem präparierten Eisenbahn-Trassee, es ist eher ein ausgebauter Bergwanderweg, mit viel groben Kies und immer gröberen Steinen.
DSC_1073 IVDa es Sonntag ist, hat es für diese Gegend ziemlich viele Leute, Wanderer, die von einem Dorf zum nächsten auf diesem Weg wandern, und dabei fast schneller vorankommen als wir.
DSC_1070 IVDie Aussicht ist prächtig, leider nur in den Trink- und Fotopausen geniessbar, da wir konstant auf den Boden schauen müssen wegen den vielen Steinen. Unser Tagesziel wäre etwa 58 Kilometer zu fahren, aber in diesem Tempo wird das zu einer ziemlichen Übung.
DSC_1074 IVNoch 1 Stunde bleibt‘s hell, noch immer fast 20 Kilometer vor uns, was tun wir? Mit einem etwas mulmigem Gefühl im Bauch wenden wir, um in einem kleinen Weg ein Plätzchen unter den Olivenbäumen zu suchen, da kommt uns ein Mountainbiker entgegen, und ganz spontan fragt ihn Martin, ob es im nächsten Dorf eine Übernachtungsmöglichkeit gäbe? Der Mann ist etwas überrumpelt, aber voll hilfsbereit und fährt mit uns ins nächste Dorf, aber wir haben kein Glück, da ist niemand da.Der Mann überzeugt uns, dass es bis Muro d Alcoy (unser Tagesziel) nur noch 12 Kilometer sind, das wir über die Strasse locker erreichen, bevor es dunkel wird. Und dort hat es ein Hotel und ein paar Hostales, das weiss er, er wohnt dort. Na also, dann mal los! Und wirklich, wir erreichen beim Eindunkeln die Stadt, es wird schon ganz schön kühl hier oben, wir sind jetzt 600Meter höher als noch am Morgen.
2-mal stehen wir vor geschlossenen Türen, einmal ruft uns eine Frau von ganz oben herab, dass sie erst morgen wieder aufmacht und ich denke schon, das wird eine teure Nacht im Hotel! Aber da stehen 2 ältere Frauen auf der Strasse, die kennen die Besitzerin, rufen sie an und da geht das Türchen auf und wir dürfen unsere Velos in die Garage stellen. Der Mann hat sich dann von uns verabschiedet, vielen Dank Ximo für deine Hilfe!
Das Restaurant ist geschlossen, macht nichts, wir finden dann schon etwas zu futtern! Eine warme Dusche und ein Zimmer, da ist schon viel besser als eine kalte Nacht unter den Olivenbäumen!
Nach der Dusche schauen wir, wo wir essen gehen könnten, das Städtchen war schon ziemlich ausgestorben, vorhin bei der Durchfahrt. Da klopft es an der Türe, die Frau steht da und fragt uns:“ Soll ich euch etwas zum Essen machen, ganz einfach, eine Tortilla mit Jamon? Ich bin sowieso in der Küche und mache etwas für meine Schwester und mich. Wir hatten eben ein Fest am Samstag und nun sind alle Restaurants geschlossen und die Leute müssen sich ausruhen!“
Das tönt super gut und wir bekommen ein feines Znacht an der Bar im Halbdunkel des Restaurants!

Der nächste Tag ist einer von denen, die man nicht so gern hat: Bereit zur Abfahrt holen wir die Velos aus der Garage, da hat Martins Hinterreifen null Gramm Luft!!! Also mal Handpumpe ausgepackt, etwas pumpen und zu Fuss zum nächsten Fahrradshop. Wenn man in einer Stadt ist, könnte man das ja flicken lassen. Nun, falsch gedacht, der Shop hat zwar Licht aber die Türe ist geschlossen, nach 10 Minuten kommt eine Frau und teilt uns mit, dass der Mechaniker erst am Nachmittag da ist.
Also, dann muss Martin es selber machen, im Park in der Nähe nimmt er das Rad auseinander, währenddessen kaufe ich noch einen Ersatz.
DSC_1077 IVDie Strecke, die wir fahren, könnte nämlich genau gleich sein wie gestern, da wollen wir doch vorbereitet sein. Zuletzt landen wir noch in einer Autogarage, wo Martin sein Rad pumpen kann. Ach ja und nun fehlt noch Wasser, das wir dann in einer Bar kaufen zum dreifachen Preis als im Supermarkt, wir sollten endlich los!
Vor dem Frühstück habe ich in unserem nächsten Etappenziel Villena ein Zimmer gebucht, damit wir keinen Stress haben werden, wenn‘s etwas spät werden würde. Aber mit einem Platten und den ganzen Umständen könnte es schon wieder stressig werden.
Nur etwa 4Kilometern auf absolut schlechtester Piste mit Tempo 3 oder so, entscheiden wir uns, auf der Strasse weiterzufahren, auf dieser kommen wir trotz Steigungen schneller voran. Es wird dann sogar zum Genuss, fast verkehrsfrei schlängeln wir uns durch die Hügel und geniessen die Aussicht! Die letzten 18 Kilometer sind dann wieder auf einer befahrenen, schnurgeraden Strasse, die mit Rückenwind locker vom Hocker geht.
DSC_1076 IVVillena
DSC_1079 IVVerkehrsknotenpunkt der Eisenbahnen, einzige von einer grünen Partei regierte Stadt in Spanien, im Winter das „la Brévine“ von Valencia (la Brévine ist der kälteste Ort in der Schweiz, gerade vor kurzem hatte es dort -24,5°Grad!), mit etwa 30‘000 Einwohnern und nur 2 Übernachtungsmöglichkeiten! Wir haben in der „Casa de los Aromas“ gebucht, ein wunderhübsches Haus mitten im historischen Zentrum, die Fahrräder müssen wir ein paar Treppenstufen hochtragen und sie dürfen im Eingang, zwar etwas im Weg, stehenbleiben. Wir haben ein Zimmer im 2. Stock, mir viel Charme und Geschmack eingerichtet, bis jetzt das schönste Hotelzimmer, in dem wir je waren! Die Besitzerin hat früher Stadtführungen gemacht und kann uns viel über die Stadt und ihre wichtigsten Sehenswürdigkeiten berichten. Besonders imponiert hat uns das Museum mit dem Goldschatz, der 1963 zufällig beim Strassenbau gefunden wurde:
3000 Jahre alte, schön verzierte Schalen und Armschmuck, alles versteckt in einem Gefäss aus Ton, über 9 Kilo pures Gold! Das Filmchen aus 1963 zeigt, wie ein Strassebauer einen Armreif findet, ihn dann dem Polier gibt, der ihn mit einer Schnur an der Baracke aufhängt mit dem Aufruf, der Besitzer solle sich melden, ein anderer Arbeiter bringt den Reif (über ein halbes Kilo schwer) zu einem Juwelier, der endlich den Wert erkennt und einen Archäologen anfragt. Der geht dann zur Baustelle, befragt da die Arbeiter, und die zeigen ihm die Stelle, wo sie das Kies aus einem Bachbett geholt haben und hier finden sie dann das grosse Gefäss aus Ton, in dem die Schalen und Reife fein ineinander gestapelt versorgt waren…
Tesoro Villena
Da haben wir etwas gesehen, was ziemlich einmalig ist, so ein alter und grosser Fund ist einer der grössten in Europa.
Unser nächstes Ziel ist Almansa, auch wieder etwa 50 Kilometer weiter, wieder wissen wir nicht so genau, was für Strassenverhälnisse wir antreffen werden. Wir werden dort bei einem Mitglied von warmshower.org übernachten dürfen, das beruhigt ungemein und lässt uns gemütlich losfahren, zuerst mal wieder auf einer schnurgeraden Strasse, beim nächsten grösseren Ort dann ab auf eine Piste, die halt wieder ein sehr gemässigtes Tempo fordert. Es geht an einer grossen Solaranlage vorbei, ein grosser Steinbruch etwas weiter weg, dann Olivenplantagen soweit das Auge reicht, ab und zu unterbrochen von einem Feld voller Weinstöcke, die da auf diesem steinigen Boden kauern, nur etwa 30cm hoch. Wir kommen an zwei grösseren Bauernhäusern vorbei, ein kleiner Traktor überholt uns, und lässt uns in einer Staubfahne zurück.
DSC_1085 IVDie Piste wird zum schmalen und steinigen Feldweg, zu Fuss wären wir wahrscheinlcih schneller. Wir schauen mal auf der Karte, ob es vielleicht in der Nähe eine bessere Strasse hat, aber durch dieses Hochtal hats 3 Eisenbahnlinien, eine Autobahn, und den Feldweg! Aber der führt uns nach einigen Kilometern auch zur Autobahn und an dieser entlang zur Eisenbahn, und an dieser entlang bis…es nicht mehr weitergeht! Der Weg wurde unterdessen ja wieder zur Strasse, die mal geteert war, und wir merken, das war die alte Strasse, als es noch keine Autobahn gab, danach wurde diese einfach aufgegeben. Später wurde die Eisenbahn gebaut und da war die Strasse dann im Weg und fertig. – Auf meiner Karte und dem GPS geht sie noch weiter! – Zum Glück führt ein kleiner mit Gras überwachsener Weg den Schienen entlang weiter bis zu einer Brücke über die Bahn, da war auch mal eine geteerte Strasse, jetzt sind es mehr tiefe Löcher als Teer, die wir umfahren, so gut es geht.
So kommen wir voran, immer in der Hoffnung, dass es doch bald wieder besser werden könnte, schliesslich hat es auch wieder mehr Häuser, aber bis 4 Kilometer vor Almansa gibt’s keine schöne Strasse.
IMG_0416 IVGerade rechtzeitig treffen wir um 17 Uhr am Stadtrand ein, die Sonne steht wieder tief, wir ziehen die Jacke an und Sonnenbrille aus, schnell wird’s kühl. Bei Pablo können wir duschen (so langsam schätze ich die warme Dusche sehr), und verbringen einen interessanten Abend mit ihm und seinem Sohn. Die Themen Reisen und Fahrrad sind wie immer mit Leuten von Warmshower ganz wichtig und jedesmal lernen wir wieder Neues dazu. Pablo hilft uns sehr bei der Planung unserer Weiterreise, er zeigt uns einen Weg, wie wir nach Albacete kommen und sucht für uns auch noch eine Übernachtungsmöglichkeit unterwegs, da wir nur durch ganz kleine Dörfer fahren werden. In Petrolá finden wir eine „Albergue de Peregrinos“ (Herberge für Pilger). Er ruft am Morgen extra in der Gemeinde an, um nachzufragen, ob diese Albergue offen ist. Ja immer! Es hat keine Dusche, nur eine Toilette, und kaltesWasser und einen grossen Raum, wo wir schlafen können. Gut, das reicht ja, oder? Guten Mutes verabschieden wir uns von Pablo, er macht noch ein Foto von uns und weg sind wir!Facebook-20151126-062647 bei Pablo IV