Gewitter
Wir packen unser Zelt und Tarp nass zusammen, es weht ein kühler Wind und nieselt. Der Platz ist ganz trostlos und die Erde hat sich in einen dicken, klebrigen Lehm verwandelt. Wir sind froh, endlich wieder loszufahren. Mir ist zwar auch etwas mulmig, wenn ich an die nächsten Tage und die zu überwindenden Höhenkurven denke.
Der Mann vom Camping schlägt uns vor, noch bis um 14.00 Uhr zu warten, dann werde das Wetter besser. Ich erwidere, es könne ja nur noch besser werden, wir seien Optimisten. Ha wenn wir gewusst hätten,….
Gemütlich geht’s los, anfangs noch ein paar Kilometer auf erdiger Piste, (nur ein bisschen lehmig), wir versuchen, noch ein Foto mit tollem Hintergrund zu machen, es nieselt die ganze Zeit, aber so, dass es zum Aushalten ist. Der Wind weht von schräg hinten, nachdem wir auf die Carretera (breite Landstrasse mit einem schmalen Pannenstreifen, auf dem wir fahren) einbiegen, die grauen Wolken vorne wird er wohl wegblasen, es soll ja besser werden!
Aber es wird immer dunkler, die Wolken schwarz, fast Nacht, schon längst haben wir die Leuchtwesten angezogen, der Verkehr hat ziemlich abgenommen, Mittagessenszeit für die Lastwagenfahrer. Nur wir sind noch unterwegs, als der Wind plötzlich kehrt, von vorne bläst und gleichzeitig der Regen in Strömen zu fliessen beginnt. Es kühlt merklich ab und ich schaue mal hoch: weit und breit nur Strasse, Bäume, nasse, rote Erde, und REGEN! Wahnsinnig, was da runterkommt, es gibt für uns nur eines: Kopf runter und weiterfahren, bis das nächste Dorf kommt – zuerst kommt es aber noch schlimmer, der Regen wird beinahe zu Hagel, eiskalt und mit dem Wind zusammen wie Hiebe, von vorne rechts. Martin fährt voraus, sieht, wie das Wasser auf der Strasse immer mehr zu grossen Seen wird, die wir umfahren müssen. Ich begreife jetzt, warum die Stassengräben so überdimensioniert tief sind, jetzt sind sie voll Wasser, das sich reissend seinen Weg sucht. Irgendeinmal fahren wir an einer grossen Fabrik vorbei, es ist aber nicht ersichtlich, ob da überhaupt jemand arbeitet und uns Unterschlupf bieten könnte. Uns ist klar, dass wir weiterfahren müssen, bis wir irgendwo hinein können, so nass und kalt wie es ist, würden wir sofort anfangen zu frieren. Aber zuerst kommt es noch besser: plötzlich blitzt es gerade vor uns aus dem schwarzen Himmel, der Donner folgt gleich, jetzt packt mich die Angst. Wir zwei, ganz allein auf der Strasse, wir können nirgendwohin weg, einfach nur weiterfahren und hoffen! Noch ein zweites Mal blitzt und donnert es über uns, da endlich sehen wir die Häuser des nächsten Dorfes! Hoffentlich hat eine Bar oder ein Restaurant offen!!!!!
In den folgenden Minuten schwächt sich der Regen ab, wir halten bei „Tonys Bar y Restaurant“, ein Mann macht uns Platz für die Velos unter einem Vordach, und wir können an die Wärme. Wir waren über eine Stunde im Regen unterwegs, und was wir nun im Fernseher sehen, ist genau das, was wir erlebt haben. (in jeder Bar läuft mindestens eine Kiste, und immer sind es Noticias oder Annuncias, die gesendet werden.)
Ein warmer Kaffee und Tostadas helfen, uns wieder aufzuwärmen, trocken werden wir aber nicht. Bei so einem Gewitter nützen auch die besten GoreTex-Kleider nichts mehr.
Unterdessen hat der Himmel aufgehellt, der Regen aufgehört und die Sonne drückt schon durch. Wir fahren weiter, noch etwa 20 Kilometer bis zum nächsten grösseren Dorf, wo wir in einem Hostal ein Zimmer reserviert haben. Die Sonne scheint, es ist warm, unglaublich, alles an einem Tag! Die warme Dusche tut unendlich gut, das nasse Zelt können wir in der Garage ausbreiten, und der Luxus, in einem Zimmer, und nicht dem Wetter ausgesetzt zu sein, schätzen wir heute ausserordentlich!