letzte Tage in England

dsc_4117-letzte-tage-englandEinen Tag lang fahren wir wirklich fast immer der Küste entlang, an Schloss Bamburgh vorbei, und an anderern kleinen Dörfern und Städtchen. Die Sonne scheint und ein recht starker Gegenwind hält uns fit, denn es hat wirklich kaum Steigungen. Dafür geht es durch richtige Feldwege, durch Dünen und Wiesen mit Kühen, aber da es die letzten Tage trocken war kein Problem, wegen Pfützen oder Matsch.
dsc_4204-letzte-tage-england dsc_4113-letzte-tage-englandNach circa 40 Km hat es ein paar Campingplätze, die verteilt sind in der Gegend, auf so einem versuchen wir unser Glück, obwohl er dem Caravan und Campingclub angehört. Die Frau findet uns sogar im Computer, da wir irgendwo auch schon auf einem Clubmitglied gezeltet hatten, und so unsere Daten jetzt bei Ihnen gespeichert sind. Wir bekommen ein hübsches Plätzchen und geniessen die Wärme der Sonne, die uns noch ein bisschen verwöhnt. Nachts ziehen Wolken auf und bei grauem Himmel ziehen wir am nächsten Tag weiter. Es hat abgekühlt, und wirklich nach etwa einer Stunde beginnt es zu regnen. Unter einem Baum schlüpfen wir in unsere Regenkleider. Nach 20 Minuten warten beschliessen wir weiterzufahren. Aber es wird nicht besser und noch einmal halten wir an, damit wir auch die Gamaschen über die Schuhe anziehen können, bevor die Socken und Füsse auch nass sind. Plötzlich taucht aus dem Nichts ein Wanderer auf, auch er ist tropfnass. Er stellt sich zu uns unter den Baum und wir beginnen ein Gespräch, über das Wetter und dann über unsere und seine Reise. Er hat einen Wohnwagen, von da aus läuft er Tagesetappen und fährt mit dem Bus zurück. Nach einigen Tagen fährt er mit dem Wohnwagen weiter und macht dann wieder ein paar Tagesetappen zu Fuss. So läuft er seit Jahren alle Küsten von England ab. Auch das ist eine interessante Art zu Reisen.
dsc_4197-letzte-tage-englandDen Kühen macht der Regen überhaupt nichts aus, sie kennen nichts anderes!
Wir erreichen dann Warkworth, ein hübsches Städtchen, gerade hört es auf zu regnen, und wir verspüren grosse Lust, uns ein wenig aufzuwärmen bei einem Tee.dsc_4203-letzte-tage-england
Da werden wir aufmerksam auf ein Plakat vor einer Türe und ich gehe mal hinein, um zu sehen, wie wir das mit den Fahrrädern machen können. Das Lokal ist voll! Es hat sogar Leute die da stehen und auf Sitzplätze warten. Aber die Dame kommt schnell heran und zeigt uns das Innenhöfli, wo wir die Fahrräder hinstellen dürfen. Um dies zu bewerkstelligen, müssen wir durch zwei Türen und das halbe Restaurant. Aber das ist kein Problem, die Frau hält uns die Türen auf und komplimentiert die Wartenden zur Seite, damit wir durchkommen. Der Innenhof, wunderschön dekoriert mit Blumen, ist auch die Terrasse, wenn die Sonne scheint, auf alle Seiten geschützt vor dem ewigen Wind. Wir ziehen hier unsere nassen Kleider aus und hängen sie an unseren Rädern auf. In der kurzen Zeit verschwinden die Wolken langsam und eine wunderbar warme Sonne strahlt vom blauen Himmel und erwärmt uns. Es riecht aussergewöhnlich gut im Lokal und unsere Bäuche beschliessen, sich hier etwas einzuverleiben. Eine sehr gute Entscheidung! Wir essen herrlich und gar nicht so teuer ein wunderbares Mittagessen. Manchmal muss man sich etwas gönnen, oder?!
dsc_4200-letzte-tage-england dsc_4201-letzte-tage-englandAls wir aus dem Café herauskommen, haben sich die Wolken vollends verzogen und wir packen unsere Regensachen trocken ein. Aber der Wind hat aufgedreht, er bläst uns seitlich ins Gesicht. Aber wir sind gestärkt und fahren frohen Mutes südwärts.
Die Strecke wird heute etwas länger, Alle Plätze die wir abklappern, sind keine Zeltplätze mehr, sondern haben nur noch diese Plastikhäuser, und nennen sich Holiday-Park.
In Newbiggin by the sea hat es gleich drei solche und keiner hat ein Plätzchen für uns, es ist schon halb sechs und wir sind langsam müde und etwas zermürbt. Eine junge Frau an einer Reception hilft uns noch und telefoniert in der Gegend herum, aber auch sie wird nicht fündig. Also, jetzt gönnen wir uns halt ein B&B, und sie sucht uns einige Telefonnummern heraus, wo wir versuchen können. Wir sind zuversichtlich, es ist Donnerstag, Nebensaison, da wird es doch in diesem kleinen Küstenstädtchen ein Zimmer haben für uns.
Im “Old Ship” wollen wir es versuchen. Ich gehe rein, es ist ein Pub und ein paar Leute sitzen da. Ich frage die Frau ob sie auch B&B habe, und sie sagt zögernd: “I’m full I‘m afraid.” “Oh, No!” Ich muss ganz enttäuscht ausgesehen haben, denn sie erklärt mir lang und breit, dass in der Nähe eine grosse Baustelle sei und viele der Arbeiter in den B&B in der Umgebung untergebracht seien. Etwas ratlos stehe ich nun da, aber die Frau und ihre Tochter beginnen schon, herumzutelefonieren, ob irgendwo ein Zimmer frei ist. Aber heute ist nicht mehr Glück angesagt, alle sind ausgebucht, oder gerade noch in den Ferien….
Sie setzt sich an den Computer und sucht nach einem Hotel in der Nähe, aber das würde 75Pfund kosten, und steht etwa 6 Meilen ausserhalb der Stadt an einer  A-Strasse, nicht wirklich ein Deal, findet sie! Alle im Pub verfolgen interessiert die Geschichte, jemand meint wir könnten ja wild zelten in der Nähe im Wald. Ja, daran haben wir auch schon gedacht, aber es hat hier viel Industrie und Strassen und der ruhige Wald ist nicht gerade in der Nähe, wir sind an der windigen Küste.
Plötzlich meint sie, wir hätten ja unsere Matratzen dabei und Schlafsäcke, wir könnten sonst da im Restaurant hinten schlafen am Boden? Is this an option for you? Da wird es ganz ruhig im Pub, alle sind gespannt, was ich jetzt darauf sage. Ich bin ganz glücklich: oh yes, this is an option!!!!
Es gibt zwar keine Dusche, aber eine Toilette, und vor allem vier Wände und keinen Wind! Schnell informiere ich Martin über die glückliche Wendung in unserer misslichen Lage, er ist auch einverstanden mit dieser Lösung. Die Fahrräder kommen in das ehemalige Restaurant, das als Lagerraum genutzt wird für allerlei Möbel, und wir ziehen uns da um. Jetzt trinken wir mal einen Cider, dann gehen wir ins Städtchen und kaufen 2 Riesenportionen fish and chips, die wir auf einer Bank auf der Promenade verdrücken.
Nach einem langen Verdauungsspaziergang gehen wir zurück in den Pub, wo wir warten, dass die letzten Gäste das Lokal verlassen. Aber gerade heute sind ein paar Frauen da, die fast nicht aufhören können, einander alle ihre Geschichte zu erzählen. Um 23.20 endlich sind alle gegangen und wir können unser Nachtlager aufstellen, auf dem Boden in einer Ecke des Restaurants.
dsc_4207-letzte-tage-englandWir können recht gut schlafen trotz der Notbeleuchtung, die da immer brennt und der ungewohnten Situation.
Am nächsten Morgen erhalten wir noch ein Frühstück, wie wenn wir in einem der Zimmer übernachtet hätten und dafür will die Frau auch kein Geld! Wir könnten sogar duschen in einem der Zimmer, da die Arbeiter schon weg seien. Aber wir werden jetzt dann sowieso wieder schwitzen, wir duschen dann heute Abend. Irgendwo.
Schon seit Tagen sind wir nämlich dran, einen Host von Warmshower in Newcastle zu suchen, aber hier haben wir auch kein Glück, der erste antwortet nicht, der zweite kann leider nicht an diesem Wochenende und der dritte antwortet auch nicht, naja vielleicht heute Mittag? Wir werden dann noch einmal die Mails checken, ob er sich gemeldet hat. Denn, es gibt 40km rund um Newcastle keinen Zeltplatz mehr, der Zelte nimmt. Und wo sollen wir dann übernachten? Das Ticket für die Fähre wollen wir auf dem Weg in die Stadt am Hafen kaufen, der ist nämlich etwa 15 km vor der Stadt, und direkt an der Fahrradroute.
Die Karten von Christopher aus Bristol wollen wir noch zurückschicken, aber die Post von Newbiggin by the sea gibt es seit zwei Jahren nicht mehr! Es sieht aber aus als sei sie noch offen, nur ein kleiner Zettel an der Türe, den man kaum lesen kann, gibt Auskunft darüber, dass das Office geschlossen sei. Und im Dorf gibt es keinen Laden, der das Office integriert hat. Dann werden wir die Karten halt später schicken.
img_1170-letzte-tage-englandWir haben etwa 50 km Fahrt vor uns, die Küste ist jetzt dicht besiedelt, es hat Dörfer und kleine Städte, mal ist es felsig, mal hat es schöne sandige Buchten, mal Dünen, die mit Gras bewachsen sind, an denen wir vorbeiradeln. Der Fahrradweg ist hier mit den Fussgänger zusammen, wir sind froh, dass es so viel Wind hat, kaum jemand ist unterwegs, nur ein paar Hundefreunde sind draussen, die anderen haben sich verkrochen und warten auf windstillere Zeiten! Ob es die hier gibt?
dsc_4214-letzte-tage-england dsc_4213-letzte-tage-england dsc_4215-letzte-tage-englandDann erreichen wir die Flussmündung des Tweed, wo wir demnächst mit dem Schiff rausfahren werden. Als wir den Hafen erreichen, sehen wir, dass die Autos in die Fähre hineinfahren und mein Wunsch grad jetzt auch auf die Fähre zu fahren, wird riesig. Martin möchte lieber noch ein paar Tage hier bleiben, die Stadt anschauen, es etwas ruhig nehmen. Deshalb unsere Abmachung: wenn wir keine Antwort von dem Warmshower erhalten, ruft er bei einem Camping an, der etwa 15km südlich des Tweed liegt, der ev. Zelte nimmt. Dieser Moment ist jetzt gekommen. Er ruft vor dem Ticketoffice der Fähre an: Die wollen zuerst 27.50Pfund pro Nacht und eine Vorauszahlung mit Kreditkarte! Nachdem Martin etwas mit ihr argumentiert hat, ist der Preis auf 21Pfund gefallen und die Vorauszahlung erübrigt sich auch, wenn wir heute kommen.
Aber ich habe keine Lust mehr, ein so teurer Camping, der überhaupt nicht in der Stadt liegt, und hier die Fähre vor der Nase, in knapp 2 Stunden legt sie ab- ich möchte mit diesem Schiff wegfahren, das spüre ich ganz genau.
Martin kennt mich sehr gut und nach kurzem Zögern willigt er ein, jetzt ein Ticket für heute zu kaufen, wenn es noch welche hat! Wir wissen etwa, wieviel die Überfahrt kostet, wir haben im Internet geschaut. Der Preis liegt jetzt bei 205 Pfund, für uns beide und die Fahrräder, am Montag wäre es etwas günstiger, 175. Aber was soll‘s?
Schon nach kurzer Zeit stehen wir bei der Ticketkontrolle an und rollen dann Richtung Schiff, dessen offener Bauch uns einlädt, mitzufahren.
img_1171-letzte-tage-englandNach der heissen Dusche machen wir es uns in unserer Kabine gemütlich.
img_1173-letzte-tage-england Nach einem Spaziergang durch das Schiff wissen wir, dass hier alles viel teurer ist, als auf der anderen Fähre von Spanien nach England, und wir durchforsten unsere Taschen nach allem was zu essen ist, und bringen ein feines Abendessen zustande, auch ohne zu kochen.
img_0468-letzte-tage-englandWir haben auch noch ein Joghurt für das Müesli am Morgen, nur den Kaffee kaufen wir uns an der Bar und trinken in draussen, bei der Einfahrt in den Hafen von Ijmuiden.img_0471-letzte-tage-england

Das ist ein etwas abruptes Ende unserer England-Tour. Wir haben Schottland nicht wirklich erreicht. Wir haben gemerkt, dass wir, oder jedenfalls ich, nicht so Regen- und Windfest sind, um monatelang so herumzufahren und zu zelten.
Die Zeltplatzsuche wurde am Schluss fast zum Albtraum. Der Wind ging uns auf die Nerven! Die Manschen aber waren durchgehend nett und wir haben viele interessante Leute kennengelernt. Es ist eine Erfahrung, die wir nicht missen möchten. Und: Schottland bleibt auf unserer Wunsch- Liste. Irgendwann einmal werden wir diesen Teil der Insel auch noch besuchen.

 

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