Vía Verde del Noroeste = Vía “Viento” del Noroeste!

Der Wecker klingelt um 6.30 Uhr! Nicht wahr? Doch, doch! Nach dem Frühstück die
Velos den Lift runter und los, Richtung Bahnhof, der Zug fährt um 8.55 Uhr.
Im Bahnhof anstehen, um Gepäck und die Jacken durch das Röntgengerät laufen zu lassen, hier werden alle Passagiere von allen Zügen kontrolliert!!!!!
Und sie nehmen es genau: in meiner Velotasche liegt das Stativ, zum Glück neben der Kamera (wird erkannt) in Martins Tasche ist das Flick- und Werkzeug, (wird nicht erkannt und führt zu Fragen, ich bin hilfsbereit und erkläre, was in der Tasche ist, wir müssen nicht auspacken) Jorge, unser Begleiter, muss seine Velo-Taschen leeren, weil diese etwas komplizierter zum Abhängen sind als unsere, und muss sie danach wieder einräumen! So geht wertvolle Zeit verloren, und wir sprinten los, es blinkt schon rot, zum Abfahren…Wir steigen einfach irgendwo ein, da wir am Zug keine Zeichen für Fahrräder finden, und stehen dann ausser Atem eingepfercht in einem Eingang, wo kaum 2 Personen kreuzen können, aber wir sind drin! Der Zug ist ein „Bummler“ hier heisst er Cercanías. In diesen Zügen hat es Plätze für Velos, aber die sind so kurz, dass nur mein Fahrrad grad knapp schräg reinpasst. Und dieser Platz ist am Ende des Zuges. Also „fahre“ ich mein Fahrrad durch die Gänge bis zum Abstellplatz, damit Martin und Jorge sich im engen Zug-Eingang besser organisieren können. Der Kontrolleur ist mit dem Arrangement einverstanden, zum Glück! Und wenn Leute auf dieser Seite einsteigen wollen, müssen sie die Velos zur anderen Türseite stellen. Etwas kompliziert zum Schreiben aber für alle, die schon mal mit Fahrrädern in alten Zügen mit Einstieg und drei Stufen hoch, gefahren sind, wissen, wovon ich hier erzähle.
In Murcia müssen wir noch den „Einstieg“ in die Via-Verde finden, ca. 6km durch die Stadt und ihre Vororte, mit Google Maps Track (vorsorglicherweise von Jorge aufs Handy geladen) und meinem Bauch-Gps geht das eigentlich recht locker. Aber da gibt der Bauch von Jorge ein grollendes Knurren von sich, (wir hören immer auf den Bauch!) und er gibt zu, dass er noch nichts! gegessen hat! In einem Lokal bestellt er sich ein Riesen-Sandwich, und wir trinken etwas.
IMG_0668 IVEs ist schon nach zwölf Uhr, als wir endlich richtig losfahren können, recht spät, wenn man bedenkt, dass wir noch etwa 75 km vor uns haben. Nun, die Via Verdes sind ja eigentlich gut, da gibt es keine steilen Steigungen, da es ja alte Zug-Trassés sind. Und diese hier, so wird auf der Website erwähnt, ist gut instand.
Wir wissen noch nicht, was uns erwartet, aber die ersten Kilometer fährt es sich locker, asphaltiert und sogar etwas abwärts, der Wind ist nur ein laues Lüftchen.
Bald einmal aber wird der Weg zu einem Schotterweg, gerade noch mit 10Km/Std zu befahren, und macht noch eine riesige „Umweg“-Kurve. Auf der wenig befahrenen Strasse wären wir viel schneller gewesen. Das ist sonst nicht unser oberstes Ziel, aber wir können rechnen und sehen uns schon mitten in der Nacht fahren…
Nun es kann ja wieder besser werden, es ist ja vielleicht nur dieser Abschnitt, alles so Ideen, die mir durch den Kopf gehen. Aber langsam kriege ich Hunger, und es kommt so langsam meine Grummel – Grummel-Laune hervor: doofe, holprige Strasse, Sch…Wind, Ich muss, ich will jetzt etwas essen! Zum Glück kommen wir gerade richtig an einem kleinen Rastplatz mit Tisch vorbei und ich befehle einen Halt! Der Wind pustet uns ziemlich die Haare aus dem Gesicht, er kommt genau aus Noroeste, da wo wir hinwollen! Aber da es ziemlich warm ist, ist er immer noch willkommen. Ich fahre in kurzen Hosen und T-Shirt.
IVDSC_1595 IVDie eindrucksvolle Landschaft können wir nur knapp besichtigen, müssen dafür umso mehr die Bodenbeschaffenheit studieren.
Nach etwa 20km, mit einigen kurzen Stopps, kommen wir zum Schluss, vielleicht doch die Strasse zu nehmen, um vielleicht etwas schneller vorwärts zu kommen… Aber da endlich kommt ein Abschnitt mit Asphalt, zwar schon etwas in die Jahre gekommen, mit einigen Löchern, also Boden weiterhin gut im Auge behalten, aber wir können doch die Geschwindigkeit etwas erhöhen, und ab und zu einen Blick schweifen lassen, es kommt mir fast wie eine Mondlandschaft vor, ausgewaschen, trocken und staubig.
DSC_1591 IVUm etwa halb sechs (wir haben gerade beschlossen, nun wirklich die Strasse zu nehmen, da die Vía Verde wieder kilometerlange Zusatzkurven macht) haben wir noch immer 30Km vor uns!
Jorge meldet dem den Vermieter der Albergue mal schon telefonisch unsere verspätete Ankunft, wir rechnen, dass wir etwa um 21 Uhr ankommen werden.
Er ist schon ziemlich müde, seine Velohosen dämpfen dieses Holpern sicher viel weniger als meine, und ich spüre die Knochen von meinem Allerwertesten doch auch schon empfindlich deutlich.
Wir arbeiten uns im Schneckentempo auf der Carretera in die Höhe, auf der Vía Verde wäre es schon etwas weniger steil…
Diese trifft nach den 2 grossen Kurven wieder auf die Strasse, und wir versuchen es hier wieder, zum Glück! Der Weg ist viel besser als alles vorher, jetzt können wir sogar etwas Gas geben.DSC_1605 IV - Kopie
DSC_1606 IV - KopieDie Sonne rückt dem Horizont entgegen, die Wärme nimmt ab und wir müssen Jacken und lange Hosen montieren. Gerade als wir eine kleine Imbiss-Rast machen, färbt sich der Himmel langsam rosa, die Gegend hat sich verändert, fast lieblich, mit vielen Oliven- und Mandelbaum Plantagen, ab und zu ein kleines Pinienwäldchen, das Ambiente ist einmalig ruhig, es duftet nach Abend und Pinien, Erde und Mandelblüten,… und da hören wir in diese Abendstille hinein ein Bellen, dann blöken und meckern, und um die Wegbiegung erscheint ein Mann mit seiner Schaf- und Ziegen-Herde, bewacht und getrieben von einigen Hunden. Es ist wie auf einer Weihnachtskarte.
DSC_1607 IV - KopieIch mache ein wunderschönes Foto, das mir diese Stimmung immer in Erinnerung erhalten wird.
Gestärkt von diesen Eindrücken (und dem Imbiss) radeln wir weiter, Die Lichter am Rad sind nun eingeschaltet und die Dunkelheit wird immer dichter, bis wir ausser dem Lichtkegel vor uns nichts mehr sehen. Die Strecke geht immer etwas aufwärts, mit Gegenwind, wir nehmen Jorge in unsere Mitte, Martin voraus in einem langsamen aber stetigen Tempo, der Rhythmus ist wichtig, und das Fahren ist jetzt Beinarbeit, der Kopf muss sich einfach ausschalten, sonst kommen so Gedanken wie: das schaffen wir nicht, ich bin müde, Das Füdli tut mir weh, ach, jetzt fängt mein Knie auch noch an zu stechen, und, und, und,,…..Jorge ist sehr müde, er ist sich solche Strecken nicht gewöhnt, er kämpft sich aber durch, gibt an wenn er eine Verschnaufpause braucht und so erreichen wir das vorletzte Städtchen. Auch hier nehmen wir die Abkürzung mitten durch das Zentrum, es liegt auf einen Hügel und ab hier geht es nur noch 12 Kilometer abwärts! Wir können es fahren lassen, nur der Wind hält etwas entgegen. Ich habe die Führung übernommen, unser Gps hat fast keinen Akku mehr, mit Dauerlicht fahren braucht das Gerät ganz schön, und als wir wieder in die Dunkelheit eintauchen, stelle ich es nur noch alle paar Minuten an, da kommt nämlich noch eine Abzweigung in die Via Verde, die wir nicht verpassen dürfen, und just in dem Moment, wo ich dran vorbeifahre, meldet sich mein Bauch GPS, ich sehe die VV-Tafeln kurz im Licht auftauchen und gerade wieder verschwinden-haaaalt, hier links abbiegen! Hah, das wäre der Gipfel gewesen, jetzt noch einen Umweg zu machen!!!
Ich freue mich auf das Absteigen vom Velo, auf das Essen und das Schlafen, und diese Freude beflügelt mich, und da, endlich, nach vielen Kurven sehen wir die Lichter in der Ferne von „unserem“ Dorf, da, wo die Albergue steht und auf uns wartet. Glücklich erreichen wir um 21.15 Uhr die umgebaute Bahnhofstation, die unten auch eine Bar hat, eher ein Cafe, oder doch ein Restaurant? Ja, wir können essen da, juhui, keinen Kilometer will ich mich jetzt noch auf den Sattel setzen! Es geht zum Glück allen so, Jorge ist sehr glücklich, dass wir endlich da sind. Schnell wechseln wir die Hosen, Duschen können wir später auch noch und als wir hinunterkommen, ist das Beizli schon fast voll, wir ergattern den letzten Tisch. Wir bestellen mit Bärenhunger und was da alles kommt, ist alles wunderbar lecker! Wir sind ja solche Glückspilze! Mit vollem Bauch schleppen wir uns in unsere Kajütenbetten, das Duschen verschieben wir auf morgen früh! Gute Nacht, Buenas Noches!DSC_1610 IV - Kopie

In der Nacht werde ich geweckt vom Heulen des Windes, der an den Fenstern rüttelt und durch die Pinien fährt und sie schüttelt dass es knirscht in den Ästen. Es sind ziemlich starke Böen und ich freue mich schon auf unsere Rückreise morgen.
Der Himmel ist klarblau, der Wind säuselt um 9 Uhr nur ein wenig und nach dem Frühstück laden wir unsere Velos und lassen uns vom Wind durch die Gegend treiben, durch die wir gestern Nacht hergekommen sind.
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IMG_0212 IV IMG_0214 IV IMG_0231 IV DSC_1622 IVEs ist eine schöne eindrückliche Landschaft, viel Pinienwald mit kleinen Gruppen von Mandel- und Olivenbäumen, die Mandelbäume zum Teil schon in voller Blüte, von hellrosa bis fast pink.
DSC_1611 IV - Kopie DSC_1615 IVDer Wind wird über die Stunden immer stärker und treibt einige dunkle Wolken vor sich her, die immer dichter werden, dabei sinkt spürbar und schnell die Temperatur. Eigentlich wollte Jorge noch einen Capellan- Salat machen, wie auch schon bei einem Picknick, aber wir finden kein windgeschütztes Plätzchen, wo wir gefahrenlos den Kocher anwerfen können. So fahren wir bis zu einem Dorf und suchen eine Bar um da etwas zu essen. Gerade als wir ins Dorf hineinfahren, knallt es in Jorges Rad und dann scheppert etwas auf die Strasse. Da wir abwärts fahren sind wir schnell weiter unten, bis er merkt, dass etwas nicht mehr gut ist. Martin und er untersuchen das Rad und finden schnell die Ursache: eine Speiche ist gebrochen, das macht das Rad unstabil und es eiert ein wenig. Martin meint aber, dass er schon bis Murcia fahren kann. Zuerst müssen wir aber den Bauch etwas beruhigen, die einzige offene Bar hier hat zwar kein Menu aber warme Suppe mit Pelota und Salat, das ist perfekt für uns. Ein junger Mann deutet uns, dass er auf die Velos draussen aufpassen würde, und er macht das mit viel Aufmerksamkeit. Als wir schon fast fertig sind, kommt der Barbesitzer und schlägt uns vor, dass die Köchin uns noch Schweinsohren bräteln könnte? Martin lehnt dankend ab und ich bin auch gar nicht mehr hungrig! Jorge lacht, wir nehmen lieber noch ein Dessert!
Als wir rauskommen, ist der junge Mann fast durchgefroren, weil er so lange aufpassen musste, aber er lacht nur und gestikuliert etwas- erst jetzt merke ich, dass er gar nicht sprechen kann!
Der Himmel ist dunkelgrau, es wird sicher regnen, also nichts wie los, der wieder sehr starke Wind treibt uns und den Regen in die gleiche Richtung, vielleicht können wir ihm ja davonfahren? Aber diese Hoffnung zerschlägt sich, die Böen erfassen uns mit voller Wucht, der Regen peitscht von hinten und der Seite, und einmal legt er sogar Martin an den Strassenrand, so stark ist die Böe! Wir kommen kaum voran, der Regen dafür umso mehr und schon bald tröpfelt es nur noch, nur der Wind macht sich nicht aus dem Staub, bläst weiter von hinten auf uns ein. So fahren wir, nehmen dann vor Murcia einen anderen Weg, nicht kürzer, aber schöner dem Fluss entlang der sich in grossen Kurven der Stadt zu schlängelt, mit einem schön geteerten Veloweg an seiner Seite. Hier erwischt uns der nächste Regenguss, aber schon sind wir unter einer Brücke und warten ein paar Minuten bis das Gröbste vorbei ist. Mit dem Zug fahren wir wieder zurück, der ist diesmal proppenvoll und der Kontrolleur will auch noch Zoff machen, weil im Zug nur 2 Fahrräder transportiert werden dürfen! Jorge erklärt ihm, dass seines ein Faltbares ist, er könne es aber schon falten,…
IMG_0678 IVRundum stehen Leute und wollen aussteigen, dann steigen wieder welche ein, sogar einer mit Fahrrad. Der Kontrolleur könnte jetzt den nicht reinlassen, aber der schaut einfach nicht mehr hin, da wo wir sind.
Müde, zufrieden und glücklich dass alles so gut gelaufen ist fahren wir durch die Stadt nach Hause.

Am nächsten Tag lesen wir in der Zeitung, dass eine Windböe einen Kite-Surfer in die Luft gehoben hat und auf dem Dach eines 5-stöckigen Gebäudes abgesetzt hat, dieser blieb zum Glück unverletzt!