Wild zelten
Oft ist es gar nicht so wild, sondern einfach etwas aufregend, wenn wir wieder einen Platz suchen zum Übernachten. Da war einmal dieser Picnic Platz, neben einem kanadischen Gedenkfriedhof, auf einem Hügel, einsam (denken wir), mit Aussicht auf das Meer. Da geht an einem gewöhnlichen Dienstag niemand hin. Wir tanken noch Wasser beim Friedhof und fahren hin. Von wegen niemand: da spazieren ein paar Leute mit ihren Hunden, es ist ein etwa 1 Kilometer langer Weg durch die Pinien, abgesperrt für Autos und wirklich sehr schön, ab und zu hat es einenTisch und Bänke, dann eine kleine Aussichtsplattform mit Spielgeräten aus Holz, recht neu, aber trotzdem schon ziemlich überwachsen mit Gras und Unkraut. Es ist erst kurz nach 16 Uhr, es fehlt noch eine knappeStunde bis es finster wird.
Wir setzen uns an einen der Tische, schauen, wie die Sonne sich dem Horizont zuneigt, da kommt eine Gruppe Frauen, alle im Fitness Dress, mit Walking Stöcken, es wird palavert und gewalkt, was das Zeug hält! Dreimal hin und her laufen die Frauen, mit der Instruktorin voraus, dann verschwinden sie wieder mit ihren Autos. Auch ein Mann läuft hin und her. Es sieht gemütlich aus, und wenn er vorbeikommt wechselt er jedes Mal ein paar Worte mit uns: er komme oft hierher zum Gehen, so drei bis vier Kilometer könne er noch machen, jetzt will er aber nach Hause, es wird ihm zu kühl. Zwei Frauen mit ihrem Hund plaudern auch noch mit uns, dann kommt ein Vater mit seiner kleinen Tochter zum Spielen… Wir überlegen jetzt schon mal, wo wir das Zelt hinstellen könnten, es hat ziemlich Wind und die Hunde, die wir bellen hören, sind nicht so weit weg.
Windgeschützt und unsichtbar sollte der Platz sein, flach und unter den Bäumen, damit das Zelt nicht zu nass wird, aber am liebsten mit Morgensonne…Endlich, es dämmert schon, begeben sich auch Vater und Tochter auf den Heimweg, und wir sind allein. Ganz hinten hat es einen Platz, der bis auf die Morgensonne alles erfüllt, naja, Wind haben wir auch, so dass wir dann im Zelt drinnen essen. Unser rotes Lämpli erhellt unser Schnipseln des Gemüses und das Kochen, die Hunde bellen sich in die Nacht, sicher nicht wegen uns! Aber es ist schon so, wir lauschen auf ungewöhnliche Geräusche, Autos oder Schritte, das Krächzen eines Nachtvogels lässt uns innehalten und horchen. Wenn wir uns Mühe geben und ganz langsam sind mit Kochen, Essen und Abwaschen, (Ja das machen wir immer!) dann ist es vielleicht halb acht Uhr bis wir fertig sind. Für uns schon ewig Nacht, finster und kühl, deswegen verkriechen wir uns in den Schlafsack, der ist schnell schön warm. Ich lese meistens noch ein wenig auf dem Handy und Martin schläft schon bald.
Ich habe einen leichten Schlaf, mehrmals wache ich auf, lausche den Hunden zu, die armen Kerle, die da Nacht für Nacht allein irgendwo am Bellen sind! Oder ich höre irgendwo eine Strasse oder das Brummen der Maschinen vom Hafen der nahen Stadt. Und manchmal denke ich, es wird nie mehr Tag, immer wieder, wenn ich die Augen öffne, ist es noch dunkel, aber endlich, ein Vogel zwitschert, das ist ein untrügliches Zeichen, dass der neue Tag erwacht!
So zwischen 6 und 7 Uhr wird es hell, wir stehen auf, packen zusammen, und machen Kaffee und Frühstück, oder wie diesmal, suchen uns zuerst einen Platz an der Sonne, es ist kalt, sehr kalt! Wir finden den Platz an der Sonne und wie wir so herumschauen, sehen wir die nahen Berge voll verschneit! Aha, deshalb ist es so kalt, eine klare Nacht so nahe am Schnee. Aber die Sonne und der Kaffee wärmen uns und das Zelt trocknet im Nu.
Oder in einer Pineta, wir sind schon etwas spät dran, der Weg dahin war ziemlich holprig, dafür fast verkehrsfrei, an Feldern und Bauernhöfen mit freilaufenden, bellenden und Velofahrer jagenden Hunden vorbei…Wir landen auf einem sandigen Weg, müssen die Velos stossen, da plötzlich hinter mir aus dem Nichts ein riesiger schwarzer Hund, dann noch ein zweiter, weisser, langhaariger. Sie bellen nicht, sie begleiten uns und schnüffeln herum, wie wenn sie zu uns gehören würden. Es dunkelt schon, da finden wir ein flaches Plätzchen unter einer Piniengruppe, stellen schnell das Zelt auf bevor wir nichts mehr sehen. Wo die nächsten Häuser sind? keine Ahnung! Wo die nächste Strasse, die für Autos zugänglich ist? keine Ahnung!
„Unsere“ Hunde sind immer noch da, sie spielen miteinander, wir hören, wie sie sich raufen. Etwas ausgepowert sitzen wir im Zelt, machen eine kleine Pause vor dem Kochen. Da fangen die Hunde an zu bellen, wütend, scheint mir, wir hören Schritte und lautes Schnaufen, auch wütend. Ich schaue mal vorsichtig hinaus und sehe in der letzten Abenddämmerung die Silhouette eines Stieres, knapp 15-20 Meter von unserem Zelt entfernt! Die beiden Hunde geben alles, wie verrückt bellen sie, und der Stier verzieht sich langsam auf die andere Seite, immer noch wütend schnaufend, und da plötzlich, schreit laut und durchdringend ein Esel! Das tönt ja auch sehr ungeheuerlich, so in der Nacht und unerwartet! Der Stier muht zurück, zum Glück sind wir nicht gerade dazwischen, sondern etwas abseits.
Was jetzt? Weggehen geht nicht, keine Ahnung wo wir einen besseren Platz finden könnten, und auf dem sandigen Weg, nachts? Nein,wir bleiben hier, die Hunde beschützen uns ja! Aber wir wollen jeden Lärm vermeiden, deshalb verzichten wir aufs Kochen, unser Benzinkocher ist einfach etwas zu laut. Wir haben wir noch Tee in der Thermoskanne, der wärmt uns. Und dazu gibt es alles, was wir dabei haben und kalt essen kann: Brot, Käse, Oliven, Mandeln und Rosinen, und zum Dessert haben wir sogar noch etwas Schokolade und Guetzli!
Klar, diese Nacht wache ich noch etwa 5x mehr auf, die Hunde sind da, einmal muss wieder ziemlich geknurrt und gebellt und dann weggerannt werden, aber etwas später sind sie wieder bei uns, immer in einer Entfernung von 10-.20 Metern. Erst als es hell wird und die Vögel zwitschern, höre ich, wie sich der eine schüttelt, (der hat ein Halsband!) und als ich zum Zelt rauskomme, ist keiner mehr da! Danke ihr Hunde, dass ihr uns beschützt habt!!!
Wir sind am zusammenpacken, es ist gerade 7Uhr, da höre und sehe ich weiter vorne den Kehrichtlastwagen, zwei orange gekleidete Männer, die dort einen Container leeren, ein wenig rundum etwas zusammenwischen und dann wieder wegfahren. Oh, da bei uns in der Nähe hat es auch einen Abfallkübel, den haben wir gestern im Halbdunkel gar nicht mehr gesehen,…zum Glück kamen die nicht noch hierher. Da hätten wir uns erklären müssen. So früh am Morgen hier draussen?!
Obschon, es ist paradox, wir müssen uns erklären, wir nehmen unseren Müll immer mit, von uns sieht man nichts mehr, wenn wir weg sind. Wir finden aber immer überall Abfall, und zwar Glas und Plasticflaschen, Papier und Karton… Hier hatten ein paar Leute ein Essen veranstaltet und Bierflaschen, Teller, Becher und Besteck, alles liegen gelassen…wir können gar nicht alles mitnehmen und müssen das Zeugs liegenlassen, obwohl es im Herz weh tut.
Nach ein paar verregneten und windigen Nächten, die wir in einer tollen Wohnung verbringen, geht’s weiter mit wilden Nächten. Der Gargano, der Sporen in der Mitte der Adriaküste lockt uns mit seinen Wäldern und der schönen Küstenstrasse, die zum Teil kaum mehr befahren wird, da eine bessere Strasse durchs Landesinnere führt. Das Wetter will schön und warm, super. Los geht’s. Es hat zwar Städtchen hier und da, aber die Preise für die B&B oder Hotels sind recht hoch, im Vergleich zu der letzten Wohnung. Mitten in der Woche und so in der Nebensaison könnte man meinen, aber wir merken schon, es ist sehr touristisch und im Sommer muss es hier extrem viele Leute haben, und die Menschen hier sind etwas Touristenmüde. Oder wollen halt einfach Geld verdienen.
Die Strecke ist sehr schön, wir geniessen die Herausforderung, jetzt geht es doch etwas auf und ab, mit toller Aussicht. Die Platzsuche wird etwas schwierig, die Buchten sind eingezäunt, Alles im Privatbesitz von Campingplätzen und Feriendörfern? Hügelwärts hören wir Glockengeläute, da sind Ziegen und Kühe unterwegs, die sehen wir dann auch ab und zu. Ein Stier pro Monat reicht mir!
Aber mal in der Nähe von einem Strand möchte ich schon zelten. Das Strässchen, wo wir es vesuchen wollen, ist aber wirklich eine riesige Pfütze, und es fährt gerade ein Auto runter, wir wollen aber nicht, dass uns jetzt jemand sieht, dass wir da hinunter fahren. Weiter also, und da in einer Kurve, der Zaun ist weg und wir können einen kleinen Pfad nehmen. Zuerst zu Fuss, ohne Velo, findet Martin einen schönen und geeigneten Platz, gut um mit den Velos hinzukommen und noch einigermassen rechtzeitig, kein Stress also. Wir inspizieren die Umgebung, eine Gebäuderuine steht da, völlig überwachsen mit Bäumen und Efeu, keine Autospuren, es hat zwar wieder Abfall rumliegen, Bauschutt vor allem. Wir bleiben da. Eine Ziegenherde zieht später am Hügel oben vorbei, bei dem Gebimmel kommt es uns vor wie mindestens 400 Ziegen, mit ihren Hütehunden, aber die können sich nicht um uns kümmern. Es wir ruhig, dunkel, wir beginnen mit Kochen, essen im roten Licht, (ist immer noch gewöhnungsbedürftig) sitzen da und hören das Meer, leider wieder etwas in der Ferne. Etwa um 19Uhr fährt plötzlich ein Auto ganz nahe unten über ein Kiessträsschen und stoppt vorne am Strand. Ein Fischer? Oder hat es ein Haus dort?
Ich schlafe wieder besser hier und als das Zwitschern der Vögel beginnt, war die Nacht nicht endlos lang gewesen.
Für die nächste Nacht haben wir dann den perfekten Platz gefunden. Eine Mauer verhindert den Zugang von Autos, ein Weg führt neben der Mauer in den Wald, er ist gerade breit genug für unsere Velos. An der Mauer steht zwar der Durchgang ist verboten, wegen Erdrutschen wenn es regnet, aber heute und morgen regnet es nicht. Dahinter führt der Weg zuerst noch ein wenig flach, (es ist die Toilette der Autofahrenden), aber nach 50 Metern zwischen den Bäumen hindurch auf ein schön flaches Plätzchen. Ideal, ausser dass es keine Sonne haben wird! Der Weg geht dann ziemlich steil hinunter zu einem Strand, das geht für uns gar nicht. Wir entscheiden uns für diesen Ort und richten uns gemütlich ein. Es ist aussergewöhnlich warm, die ganze Nacht, der Sternenhimmel leuchtet durch die Äste, wir können ganz lange draussen sitzen und den Abend geniessen, einfach wunderbar. Trotz Spuren von irgendeinem Tier, das in der Erde gewühlt hatte, bleibt es ruhig, wir hören gerade mal zwei Autos, die ganze Nacht lang. Dann am Morgen hat es ein paar mehr, die sehen uns aber nicht.
Am Strand können wir erst ein paar Tage später übernachten, aber dann sind wir wirklich nur eine kleine Sanddüne davon entfernt, auf einem Campingplatz, der das ganze Jahr geöffnet hat. Es hat ein paar Camper, sogar aus der Schweiz. Ein Paar wohnt seit der Pensionierung im Wohnwagen und ist schon längere Zeit hier, weil es Ihnen so gut gefällt! Das ist Freiheit, die wir auch geniessen! Wir bleiben auch ein paar Tage, machen Pause, Waschtag, Schreibtag, Sonnenaufgang geniessen vom Schlafsack aus, Strandspaziergang, Muscheln sammeln, Mittagsschläfchen machen, mit den Leuten plaudern,…