Apulien

Mit  über zwei Stunden Verspätung kommen wir in Bari an. Genau um die Mittagszeit fahren wir aus dem Hafen, wir haben uns entschieden, Richtung Süden zu fahren, und uns auf einem Zeltplatz anzuklimatisieren. Lange fahren wir durch die Vororte von Bari, mal sind sie luxuriös, mal ganz heruntergekommen, sogar eine Zeltsiedlung sehen wir am Strassenrand. Das Meer hat schon viel zerstört, wir sehen kaputte Häuser und verwilderte Gärten. Auch die Strasse zeigt viele Schäden, die sicher von den letzten Unwettern mit hohem Wellengang im Winter stammen.


Eigentlich suchen wir ein Schattenplätzchen, um eine Pause zu machen. Endlich finden wir ein paar Pinienbäume, mitten in einem Wohngebiet, in einem Kreisel, der zwar asphaltiert, aber dafür mit Bank im Schatten ausgestattet ist. Hier picknicken wir, beobachten den Verkehr und werden begutachtet von den Autofahrern.
Ein älterer Mopedfahrer fährt vorbei, wir winken ihm zu, sein Moped ist mindestens so alt wie er. Etwa eine halbe Stunde später tuckert er wieder heran, hält an, fragt in Englisch nach dem Woher und wohin, erzählt, dass er früher auch gereist sei, mit dem Caravan. Jetzt, mit 74 sei er zu alt…
Auch die Motorradfahrer grüssen uns, mit dem Daumen hoch.
Und, es hat wieder Velofahrer unterwegs, die normalen, die zum Einkaufen oder zur Arbeit unterwegs sind, oder die Rennradfahrer: fast alle grüssen und freuen sich, uns zu sehen.
Ein Rennvelofahrer überholt uns, drosselt das Tempo, und beginnt während der Fahrt mit uns zu plaudern, sagt, das sei sein Traum, einmal so wie wir unterwegs zu sein, aber eben, die Familie und die kleinen Kinder,… ja auch wir hätten Kinder und die sind dann auch mal gross geworden und nun sind wir am Reisen…
In einer Stadt, an einem Rotlicht, öffnet sich neben mir ein Autofenster, drinnen eine ganze Familie, der Fahrer fragt mich aus Spass nach der Uhrzeit, auch er will mit uns plaudern! Ich überlege, wie man viertel vor Fünf auf Italienisch sagt, da lacht er, will wissen, woher wir kommen. Della Svizzera, und da staunen sie. Während dem Gespräch hat die Ampel auf Grün geschaltet, die Autofahrer hinten dran warten geduldig, bis wir uns verabschiedet haben! Solche Begegnungen hatten wir schon lange nicht mehr.
Meine Karte zeigt viele Campingplätze auf der Strecke an, aber bis Monópoli finden wir keinen, sie wurden umgewandelt in Bagni und Lidos, das ist wahrscheinlich lukrativer als Zeltplätze. Die Strände sind klein, es ist sehr felsig, es riecht nach Fisch und Algen. Wo immer möglich ist der Strand bewirtschaftet, eingezäunt und es muss bezahlt werden, für den beschatteten Parking, den Aufenthalt unter den Bäumen, den Liegestuhl im Sand, die Getränke an der Bar und das Essen im Restaurant. Das ist eine kostspielige Angelegenheit, deshalb sehen wir diese Parkplätze leer, diese Strände und Bars sind fast nur vom Personal bevölkert. Die meisten Menschen ziehen es vor, irgendwo an einem freien Strand, oft dichtgedrängt, auf den Felsen zu sitzen. Liegestühle, Tische und Sonnenschirme und die Kühlbox sind auch mit dabei. Und das Auto steht am Strassenrand in der Gluthitze, dafür gratis.
In Monópoli holen wir auf dem Radweg eine Gruppe von jungen Männern ein, ihre Fahrräder vollgepackt mit Taschen, Zelt und die Liegematten gerollt obendrauf. Aha, das sind auch Reisende! Sie sind seit 5 Tagen unterwegs, in Ravenna sind sie gestartet, fahren bis Gallipolli und von dort mit dem Zug wieder nach Hause. Die 4 Kilometer bis zum Camping vergehen im Flug, wir sind zu sechst ein grobes Verkehrshindernis auf der kleinen Küstenstrasse, aber die Autofahrer nehmen es gelassen, fahren langsam und überholen sehr rücksichtsvoll. Wir wünschen den Jungs eine gute Fahrt und noch viele solche Reisen!

Am zweiten Tag auf dem Platz fahren plötzlich um die Mittagszeit zwei kleine Lieferwagen herum, einer mit Lautsprecher, der Fahrer preist seine Waren an. Unsere Zeltnachbarn halten ihn an, ich habe unterdessen auch verstanden, dass er Lebensmittel verkauft. Los, wir schauen mal, was er verkauft: schon stehen auch andere Nachbarn da und wir probieren Käse und Salami, werden über die lokalen Spezialitäten aufgeklärt und haben etwa eine Viertelstunde später eingekauft für ein bis zwei leckere Mittagessen: Burrata, einen Schafskäse und eine halbe Salami. Der andere Lieferwagen kommt mit Gemüse und Früchten, da kaufen wir auch ein, und werden überhäuft mit speziellen Sorten Gurken, eine ist rund wie eine Melone, die andere mit ganz haariger Haut und eine, die aussieht wie eine Nostrano. Dazu einen Beutel voll Rucolasalat, eine Melone, eine Aubergine und Zucchetti, kleine grüne Peperonis,…Essen in Hülle und Fülle! Den Primitivo Wein aus dem kleinen Minimarket haben wir auch schon probiert, wir essen und trinken wie die Fürsten!
Unsere Zeltnachbarn klären uns über die Sehenswürdigkeiten in der Nähe auf, einige besuchen wir mit dem Fahrrad, frühmorgens, dann ist das Fahren noch sehr angenehm. So besuchen wir einen freien und sicher über einen Kilometer langen Strand. Es ist ein Naturschutzgebiet, die Dünen und der Sumpf hinter dem Strand sind geschützt, aber vorne am Meer darf man sitzen und baden. Da hat es nicht so viele Leute, man muss ein paar hundert Meter zu Fuss zum Meer laufen, das ist halt für viele Menschen schon zuviel.
Mittags wird es nun immer über 30 Grad, und die Sonne brennt. Das kleine Strändli beim Zeltplatz ist zwar schön anzusehen, aber es hat uns einfach zu viele Leute da. Eine kalte Dusche geht auch.
Es sind immer noch Corona-Zeiten. Was nützt es denn, wenn wir zwar nach jedem Gang zu den Sanitäranlagen die Hände desinfizieren und in allen geschlossenen Räumen eine Maske tragen, wenn wir dann Schulter an Schulter im Meer stehen und baden? Wir wollen vorsichtig bleiben! Die Distanz zu wahren ist für alle Menschen wohl ein sehr schwieriges Unterfangen, wir sehen es jeden Tag, und wir können es auch immer wieder in den News lesen.

Wir haben Kontakt aufgenommen zu einem Paar, das seit 2016 zu Fuss unterwegs ist mit 2 Eseln und einem grossen Hund. Sie sind von Italien nach Schweden und wieder zurück gelaufen! Momentan leben sie auf einer Farm bei Castellano Grotte, einem Städtchen im Hinterland von Monópoli. Wir dürfen da auch unser Zelt aufstellen und verbringen zwei wundervolle Tage zusammen. Wir erfahren, wie sie unterwegs sind, für die Übernachtung fragen sie immer jemanden an der Haustüre, natürlich vor allem bei Bauern, sie brauchen ja auch Platz für die Esel! Da wird jede Begegnung zu einer  Geschichte. Sie könnten ein dickes Buch darüber schreiben!

Gemeinsames Frühstück…

Die Gegend gefällt uns, es ist hügelig, hat viele verschiedene Bäume, Oliven, Zitronen, Orangen, Kirschen und kleine Birnen, die Strässchen schlängeln sich zwischen den Steinmäuerchen durch. Hier und da steht ein Trulli, mal verfallen, mal zurechtgemacht als Ferienhäuschen. Diese Häuschen sind ursprünglich nur aus Feldsteinen aufgeschichtet, mit einem runden Dach, das wie ein Hütchen aussieht. Da war vor ein paar hundert Jahren ein Fürst, der wollte Steuern sparen. Wenn ein Dorf gebaut wurde, hätte er bezahlen müssen. Er liess seine Bauern nur solche Häuschen bauen, damit er sie sofort zerstören konnte, wenn seine Ländereien inspiziert wurden. Später wurde dann Alberobello zur eigenständigen Stadt und musste nicht mehr bezahlen. Aber da war die Bauweise schon so verinnerlicht, dass die Häuser weiter so gebaut wurden.

Wir nähern uns also dieser Hauptstadt,  Alberobello. Die Stadt sieht hübsch aus, aber der Touristen Rummel in den Trullistrassen wird uns schon fast zuviel. Wie war das wohl in den letzten Jahren? Italien hat Ferien, sie sind in Italien unterwegs, es hat auch welche mit dem Zelt. Die Auswahl der Unterkünfte aus Tuch ist aber sehr klein, Decathlon hat das Business ganz in seiner Hand: es gibt Quechua, in allen Grössen und Farben. Aber es hat natürlich auch Leute, die mit einem Camper vorfahren, und zwar mit ziemlich Neuen und Grossen. Wir geniessen es, auf dem Camping zu sein, wenn es auch andere Leute hat! Sonst sind wir ja oft die einzigen. Auch das Restaurant überrascht uns mit seinen Speisen. Wir schlemmern hier zweimal wunderbar! Die Köchin begrüsst uns das zweite Mal mit den Worten: heute gibt es nur Pasta! Aber dann kam eine unschlagbare Pasta!!!!

einfach nur Pasta!

Wir kontaktieren von hier aus zwei Workaway-Gastgeber, wir hoffen, irgendwo für ein bisschen Mithilfe wohnen zu dürfen, bis die grosse Hitze wieder vorbei ist und das Fahrradfahren wieder mehr Spass macht. Schon bald habe ich eine Antwort, Interesse ist da, wir können mal vorbeikommen. Um dort vorbeizukommen, brauchen wir etwa drei Tage. Wir packen also unsere Sachen und fahren frühmorgens los. Ich habe die Ciclovia del Aequaducto Pugliese entdeckt, da können wir ein Stück verkehrsfrei fahren. Cappuccino mit Cornetto gibt es unterwegs in einem der schönen kleinen Städtchen, die alle auf einem Hügel sitzen und hübsche alte historische Zentren mit kleinen Gässchen haben.
Die Ciclovia fährt sich gut, die vielen Aequaductos sehen wir kaum, da wir ja obendrauf fahren. Da wurden anfangs 20.Jahrhunderts kilometerweit grosse Röhren verlegt und Brücken gebaut, um das kostbare Wasser durch das Land zu transportieren. Nach etwa 30 Kilometern ist leider Schluss für uns, der Weg wird seit längerer Zeit nicht mehr unterhalten, die vielen Barrieren (so alle 20-50 Meter hat es zwei, wenn ein Feldweg oder ein Strässchen kreuzen) müssen wir mühsam umrunden. Grosse Büsche überwachsen den ganzen Weg, so dass wir kaum mehr vorwärts kommen. So suchen wir uns wieder einen anderen Weg durch die Dörfer und auf geteerten Strassen. Es geht Richtung Meer, auf die Innenseite des Absatzes hinunter. Hier kommen wir auf einen richtig italienischen Zeltplatz. Die Wohnwagen sind halbe Burgen, gedeckt und umwickelt mit dem dunkelgrünen Plastik. Es wimmelt von Kindern, die sanitären Anlagen sehen alt und billig aus, es fehlt an allem, sogar an genügend Platz auf dem WC und in der Dusche. Es ist jetzt Hochsaison, die Preise werden täglich höher, hier bezahlen wir 30€, beim nächsten dann schon 50€!!!!

Wir könnten doch wild zelten! Ja klar! Aber wir sind uns einig: eine kalte Dusche ist jetzt einfach ein Muss! Und für mich Kleider waschen auch, ich schwitze literweise alles nass, es ist ein Graus, am nächsten Tag wieder in dieselben Kleider zu steigen. Da reicht jetzt ein 5 Liter Wassersack einfach nicht mehr! Ein bisschen Luxus halt. Dazu kommt, dass die Plätzchen hier sehr dünn gesät sind, überall sind Privatgrundstücke und Zäune. Im Wald möchte ich bei der hohen Waldbrandgefahr auch nicht zelten, man weiss ja nicht, wann es wo brennen könnte.

Nun hoffen wir umso mehr, dass wir bald Workaway machen können!

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