Heimweg
Am 8. August laden wir unsere Fahrräder in den Zug und fahren mit der Bahn bis nach Nürnberg. Nochmals kommen wir in den „Genuss“ des Bahnfahrens während der Gültigkeitsdauer des 9€ Tickets. Sehr günstig, aber auch sehr nervig, viele Leute, noch drei andere Reisende mit vollbepackten Rädern, deshalb kaum Platz, Stress zum Ein- und Aussteigen, da die Züge Verspätung haben und immer alles schnell gehen muss. Aber alle helfen allen und so stehen wir um 17 Uhr wohlbehalten auf dem Bahnsteig in Nürnberg.
Nachdem wir die Stadt verlassen haben, mit einigen Umwegen wegen Baustellen, sind wir endlich raus und in der Natur, am alten Ludwig-Kanal, wo wir auf einem kaum mehr sichtbaren Waldweg unser Zelt aufstellen, nachdem wir am Picknicktisch in der Nähe noch unser Abendessen gekocht haben. Trotz Autobahn in der Nähe können wir gut schlafen und uns von den Strapazen des Zugfahrens erholen.
Im kühlen Morgengrauen des nächsten Tages fahren wir wieder los, wir wollen vor der Nachmittagshitze ein paar Kilometer hinter uns bringen. Es ist eine sehr schöne Fahrt, der Kanal erinnert uns sehr an die Kanäle in Frankreich. Die Dörfer sind hinter dem Wald versteckt, das Wasser spiegelt die Bäume und den Himmel. Irgendwo auf einem Spielplatz machen wir Yoga und essen unser Frühstück. Wir sind allein, das “normale“ Leben spielt sich anderswo ab. Mal läuft ein Jogger vorbei, später kreuzen wir eine Spaziergängerin mit Hund und ein Paar auf Rädern begegnet uns bei einer Brücke.
Der alte Ludwigkanal wird kaum mit Booten befahren, wir sehen auf jeden Fall keine. Am Nachmittag kommen wir an die Zusammenführung mit dem Main-Donaukanal, der breiter ist und mit Schiffen befahren wird. Wir biegen dann aber ins Altmühltal ab und fahren noch ein paar Kilometer durch das schöne Tal, bis wir an einer Kanu-Raststation unser Zelt aufschlagen. Mit einer Familie mit zwei kleinen Kindern, die auch mit den Rädern Urlaub machen, geniessen wir hier den lauen und ruhigen Abend, ein Bad im Bach inklusive. Nach einem schön gemütlichen Frühstück mit den anderen und einer tollen Yogasession „gondeln“ wir durch das Tal, das sich durch die Hügel schlängelt. Es hat recht viele Radler unterwegs, es ist bekannt für seine schönen Radlerstrecken und Kanutouren. Fast in jedem Dorf gibt es Bootsrastplätze oder Campingplätze und Bäckereien, wichtige Einrichtungen für uns;) In Dollnstein sind wir dann nicht ganz allein, der Zeltplatz ist für viele Kanuten Start- oder Endpunkt, auf jeden Fall sind hier die Böötler in der Überzahl.
Und dann sind wir endlich an der Donau! Etwa 20km vor Donauwörth gibt es einen hässlichen Anstieg, der Radweg führt der Hauptstrasse entlang, aber da gibt es auch eine Brücke, ein Stauwehr und viele Waldwege. Wir nehmen die zweite Variante und gratulieren uns für diese Entscheidung. Ein schöner Weg ohne Verkehr und viel Schatten! Genau was wir brauchen. Beim Kanuclub-Donauwörth gibt es wieder einen Platz zum Zelten und ganz in der Nähe einen Bio-Supermarkt, wo wir unsere Vorräte aufstocken. Als wir vom Einkauf zurückkommen, haben schon einige Radfahrer ihr Zelt aufgeschlagen. Also hier sind wir klar in der Überzahl. Ja, der Donauradweg ist in dieser Jahreszeit wirklich sehr bevölkert mit Radlern, die vollbepackt in die eine oder andere Richtung fahren.
Nun ja, auch wir wollen weiterkommen, Ulm ist schon nahe, aber trotzdem noch weit. Sicher werden wir irgendwo wild zelten, der Radweg geht fast ausschliesslich dem Fluss entlang. Am Mittag machen wir eine längere Pause an einem kleinen Bächlein hinter dem Damm, wunderbar um Füsse und Beine abzukühlen.
Die Strässchen auf dem Damm sind fast alle ungeteert, der feine Staub setzt sich überall fest, an uns und an den Fahrrädern, da ist ein Bad unterwegs sehr willkommen. Bei der „Radlertankstelle“ in Offingen füllen wir unseren Flüssigkeitsbedarf nach, es ist schon 18 Uhr und bald werden wir kochen und einen Schlafplatz suchen. Aber Plätzchen gefallen uns keine, gegen 19 Uhr entschliessen wir uns, zu kochen und zu essen, bevor wir nur noch schlechte Laune haben. Bei einem Picknicktisch packen wir unsere Sachen aus, schnipseln unser Gemüse und kochen uns ein Abendessen. Leider sind wir sehr nahe an einer Autobahn, der Lärm ist unausstehlich. Hier das Zelt aufstellen geht nicht. Da mache ich ja kein Auge zu. Deshalb packen wir mit vollem Bauch zufrieden unsere Räder und fahren los, es geht ja noch lange bis es dunkel wird. Oh ja, das ist ein grosser Vorteil, im Sommer unterwegs zu sein, da sind die Tage so lang! Wir fahren Richtung Westen, in den Sonnenuntergang, ein wunderschönes Gefühl breitet sich in mir aus, ich könnte ewig fahren. Und so kommt es, dass wir uns entscheiden, bis nach Ulm zu fahren, denn auch da hat es einen Kanuclub, wo wir unser Zelt aufstellen können. Um 22 Uhr kommen wir an, finden zuerst den Eingang nicht, Das Restaurant nebendran hat noch geöffnet und so kommen wir sogar um diese Zeit noch zu einem wohlverdienten Feierabendbier, nachdem wir schnell unser Zelt aufgestellt haben. Bezahlen werden wir morgen, wenn dann ein Mann vom Club herkommt, wir werden hier einen Pausentag einlegen. Fast 90 km sind wir gefahren, unser Rekord!
Ulm ist wirklich eine Besichtigung wert, wir spazieren der Donau entlang und durch die Altstadt. Nach dem langen Tag auf dem Sattel gestern gar keine schlechte Idee.
Dann aber zieht es uns doch weiter, die nächste Nacht verbringen wir auf der Wiese zwischen den Apfelbäumen eines Biobauernhofes, ganz allein sind wir da.
Dafür wieder Mal Überraschung, in Sigmaringen hat es keinen Platz mehr auf der Zeltwiese für uns! Was? Das ist schon komisch, einmal sind wir allein und dann wieder alles voll? Wir dürfen aber selber schauen gehen, und wirklich, ein Gedränge auf der klitzekleinen Zeltwiese! Aber unser Zelt ist ja klein, deshalb dürfen wir es auch noch aufbauen. Da fast alle mit dem Fahrrad unterwegs sind, gibt es kein Problem, die Gespräche ergeben sich ganz von selber. Morgens um Sieben Uhr beginnen die ersten, aufzubrechen und gegen neun Uhr steht nur noch ein Zelt! Die Wiese leer.
Die nächste Etappe wird mir gut in Erinnerung bleiben, aber weniger, weil sie so schön, sondern weil ich das grosse Hindernis auf dem Weg war. Wir sind langsam unterwegs, mit unserem Gepäck und ohne elektrische Unterstützung. Es hat sehr viele Radler, in beide Richtungen, der Weg ist manchmal eng, zu eng um zu kreuzen und gleichzeitig zu überholen. Und geht’s dann noch ein bisschen hinauf, bildet sich hinter mir ein Stau, was viele verärgert und ich das dann auch zu hören bekomme.
Einmal Donau, nie mehr Donau, sage ich mir hier. Oder wir müssen besser schauen, wo die „schönsten“ Strecken des Radweges sind, um diese dann gar nicht zu befahren. Oder noch besser: nicht im Sommer fahren, wenn alle anderen da unterwegs sind.
Die Donau schlängelt sich malerisch durch das enge, Tal, markante Felsen und bewaldete Hügel rahmen das malerische Tal. Und in Sigmaringen steht das grösste und wichtigste Schloss der Region oben auf einem Felsen. Eine touristische Attraktion. Aber das wussten wir noch nicht, als wir da vorbeikamen…
Nun, es wird der einzige Tag sein, wo es so viele Radler hat. Warum nur? Wochenende?
Schon am nächsten Tag sind wir wieder mehrheitlich allein auf der Strecke, in Tuttlingen gibt es eine Gratis-Zeltwiese für die Donauweg-Radfahrer, mitten in einem grossen Park am Stadtrand. Wunderbar! Hier hat es genug Platz für alle die kommen, und es hat sogar Duschen und eine Toilette. bis am Abend stehen dann auch so gegen zehn Zelte und es herrscht eine gemütliche Stimmung.
Ich versuche mich auf den nächsten Tag vorzubereiten und lese von der Donauversinkung. Was ist das? Da gibt es einige Stellen, wo das Wasser der Donau im Boden verschwindet und unterirdisch Richtung Aachtopf/ Bodensee fliesst. Und zwar je länger je mehr Tage pro Jahr! Rekordjahre waren 2011 mit 210 und 2020 mit 240 Tagen wo das Wasser vollständig verschwunden ist. Interessant das ganze! Die Donau wird demnach bald nur noch von Bächen und Flüsschen nach Immendingen gespeist. Ein Kraftwerk mit unterirdischem Stollen führt aber einen Teil des Donauwassers direkt an den Versinkungsstellen vorbei und kurz vor Tuttlingen wieder ins Donaubett hinein.
Eine Versinkungsstelle besuchen wir und sind beeindruckt. Da ist gar kein Wasser im Donaubett, wir spazieren auf die andere Seite und entdecken eine Stange, wo die letzten Hochwasser verzeichnet sind. Und das ist dann wirklich eindrücklich!
In Donaueschingen besuchen wir den Zusammenfluss der Brigach und Breg, den Ursprungsbächen der Donau, was aber eigentlich nicht der Rede wert ist, nachdem wir das alles gelesen haben über die Versinkung. Wegen einer Gewitterwarnung stellen wir unser Zelt auf einem Camping auf, die Dame mahnt uns, das Zelt aber gut zu sichern, da ziemliche Sturmböen angesagt seien. Oh ja, das machen wir, und als sich der Himmel immer mehr mit dicken grauen Wolken füllt, entschliessen wir uns, im Restaurant auf dem Camping zu Essen. Was für eine weise Entscheidung! Als wir ins Restaurant kommen, sitzen noch etliche Gäste auf der Terrasse, aber schon nach 10 Minuten fegt die erste Böe mit reichlich Regen daher und dann sind alle drinnen. Puh, da sind wir jetzt richtig froh, nicht im Zelt zu sitzen. Es stürmt und donnert fast eine halbe Stunde lang, bis sich das Unwetter verzieht. Unser Zeltnachbar aus dem Einmannzelt (wir sagen manchmal Sarg, weil diese Zelte so niedrig sind) erscheint pitschnass im Restaurant, er ist etwas nach uns angekommen. Und als wir dann zu unserem Zelt gehen, nachdem es aufgehört hat zu regnen, sehen wir noch ein zweites so kleines Zelt stehen, da ist wahrscheinlich nichts trocken geblieben. Unseres hat tiptop gehalten, wir können in unsere trockene Höhle schlüpfen und im Schlafsack einmummen. Wunderbar. Die Abkühlung hat gut getan und der Schlafsack macht endlich wieder einmal Sinn.
Von da ist die Heimreise nur noch ein Klacks, denken wir. Aber da hat es dann doch noch ein paar Hügel und Tälchen, die wir etwas unterschätzt haben. Auf dem Strässchen im Tal der Wutach sin wir mehrheitlich allein unterwegs, aber es ist so steil, so dass ich wieder mal schieben muss. Oben gibt es dafür einen Picknickplatz mit schönem Blick ins Tal und über die Wutachflühen.
In Waldshut stellen wir ein letztes Mal unser Zelt auf dem Camping auf, das Wetter wird unbeständig und regnerisch. Wir packen aber trotzdem nochmal alles aufs Rad und fahren in die Schweiz, Richtung Zuhause. Als wir aber ein paar Stunden später in Brugg ankommen sind wir so nass, dass wir uns entscheiden, sofort den Zug zu nehmen und direkt nach Hause zu fahren. Und so endet unsere vorerst letzte Reise mit unseren Rädern.
Hitze an der Elbe
Die Elbe ist eingefasst auf beiden Seiten mit einem oder sogar zwei Dämmen, manchmal sehr nahe am Flusslauf, manchmal auch recht weit entfernt. Normalerweise hat es hier viele Tümpel und kleine Seen, manchmal auch Baggerseen von der Kiesgewinnung aus früheren Jahren. Der Fluss schlängelt sich durch sein breites Bett, oft hat es viele Kilometer lang keine Brücke, dafür aber Fähren, die die Ortschaften miteinander verbinden. Wir fahren mal links und mal rechts auf den Radwegen, versuchen, die bessere Seite zu erwischen, was uns wahrscheinlich nicht immer gelingt. Auf den Dämmen wurde der Weg oft mit Verbundsteinen gemacht, eine ziemlich holprige Angelegenheit. Auch auf vielen Feldwegen finden wir diese Bauweise, und wenn der Weg etwas in die Jahre gekommen ist haben sich die Platten natürlich ein wenig verschoben. Das ist für einen Traktor vielleicht kein Problem, für uns aber mit der Zeit schon anstrengend. Und wenn wir mal Beeren oder Pfirsiche dabei haben, müssen diese sehr weich gelagert werden, damit wir nicht nur noch Brei in der Tasche haben.
In Schnackenburg besuchen wir das Grenzland-Museum, ein sehr spannendes, zusammengewürfeltes Durcheinander über das Leben damals an diesem Stück Grenze. Wir bekommen eine Gratis Einführung von dem Museumsbetreuer, der jahrelang hier gelebt und gearbeitet hat. Viele Details kann er uns erzählen, und viele Geschichten sind hier festgehalten. Halb erschlagen von all diesen Erinnerungen verlassen wir das Städtchen, fahren weiter, jetzt nicht mehr Grenzgebiet. Sachsen- Anhalt heisst das Bundesland hier. Wir sind auf der Suche nach einem Platz, wo wir ein paar Tage bleiben können, die Hitze soll bald unerträglich werden. Der Waldcamping am Wischer kann uns recht viel bieten, was wir brauchen bei einer Hitzewelle: Viel Schatten, ein See zum Baden, ein Kiosk am See hat kühles Bier, und Brötchen gibt es jeden Morgen. Da sitzen wir nun im Wald, ziehen von Schatten zu Schatten und müssen uns stillhalten, es ist einfach nur heiss! Frühmorgens und abends geht’s an den See zum Abkühlen, das tut sehr gut. Einmal stehen wir sogar um sechs Uhr auf, nehmen unsere Räder und leeren die Taschen und fahren 8km zum Einkaufen in die Stadt Stendal, wo der Supermarkt um 7 Uhr öffnet. Da kaufen wir ein, Wir machen eine richtige Menu-Planung, damit wir für drei Tage gute Esswaren haben, die ohne Kühlung haltbar sind.
Jemand erzählt von Waldbränden in der Nähe, die ausser Kontrolle geraten sind. Da machen wir einen Rundgang um den Camping, um abzuchecken, wo und wie wir uns in Sicherheit bringen könnten, falls es auch hier beginnt zu brennen. Im ganzen Wald liegen dick die Nadeln der früheren Jahre und alles ist extrem trocken. Da würde ein kleiner Funken genügen. Zum Glück ist Grillieren und Feuern auf dem ganzen Platz verboten. Und am letzten Tag erleben wir dann die erlösende Abkühlung durch einen Gewittertag. Immer wieder grollt es über unseren Köpfen und regnet dann wie aus Kübeln über unseren Wald. Riesige Pfützen bilden sich überall, der Boden kann diese Menge gar nicht so schnell aufnehmen. Wir sitzen mit unserem Zelt fast in einer Pfütze drin, mit der Schaufel versuche ich das Wasser an einen anderen Ort zu leiten. Am nächsten Morgen packen wir unser Zelt bei verhängtem Himmel ein, vielleicht gibt’s noch den einen oder andere Regenguss, aber das macht nichts, dafür sind die Temperaturen wieder einigermassen zum Aushalten, obwohl es sehr schwül ist.
Weite Strecken sind wir ganz allein in der Natur unterwegs, mal Wälder, mal Sumpfgebiete, mal einer Landstrasse entlang auf separatem Radweg, mal auf einem Damm. Ab und zu geht’s durch ein Dorf oder Städtchen, die einen belebt und hübsch restauriert, vielleicht sogar noch mit einem kleinen Laden oder Restaurant, so wie in Beuster, wo eine Schäferei ein kleines Kaffee mit Laden betreibt. Da gibt es hausgemachten Kuchen, kleine Salatgerichte und das ganze Angebot eines Bauernhofes mit Fleisch, Käse und anderen Naschereien. Da machen wir eine wohlverdiente Pause und schwatzen mit anderen Gästen über Deutschland und übers Reisen mit dem Fahrrad. Andere Dörfer sind menschenleer und sehr heruntergekommen mit vielen verfallenen Gebäuden.
Übernachtungsplätze gibt’s viele, wir finden einen eingezäunten Bootsclub, wo uns ein paar Bootsbesitzer hereinlassen, obwohl der Campingplatz gerade nebenan ist. Für ein paar Euro dürfen wir hier übernachten und Duschen und Toiletten benützen. Baden in der Elbe ist nämlich gar nicht so einfach, der Fluss ist oft in einiger Entfernung und nicht zugänglich mit den Fahrrädern. Die Sonne brennt ja recht heiss und ich schwitze sehr, deshalb freue ich mich auf die kühle Dusche am Abend! Einer ganz besonderen Brücke begegnen wir am nächsten Tag: Für den Mittellandkanal, der vom Westen her gebaut wurde, brauchte es eine Verbindung zum Elbe-Havel Kanal, und irgendwie brauchte es dann diese Kanalbrücke über die Elbe. Diese Kanäle wurden anfangs 1900 gebaut oder noch früher, als die Transporte auf dem Wasser noch viel wichtiger waren als heute. Auf jeden Fall ist dieses Bauwerk ziemlich imposant!
Durch Magdeburg fahren wir durch, halten nur an, um an der Promenade ein Eis zu essen und den flanierenden Menschen zuzusehen. Beim Wassersportverein Buckau-Fermersleben e.V. gibt es wieder eine Wiese mit Holzhäuschen, wo sogar ein Kühlschrank mit Getränken drin steht. Die Kasse, eine alte Holzschachtel, steht oben auf dem Kühlschrank: „Bitte legen sie das Geld für die konsumierten Getränke in die Kasse“. Das ist Vertrauen! Wir bekommen einen Schlüssel fürs Bootshaus, wo Duschen und Toiletten sind. Interessant ist hier, dass sich das Wasser im Hafen momentan sicher zwei Meter unterhalb der Wiese befindet, das Vereinshaus und das Restaurant aber auf mindestens drei Meter hohen Pfählen stehen, weil es immer wieder zu massiven Überschwemmungen kommen kann. Eigentlich wollten wir hier im Bootshaus essen, aber die sind voll im Stress und weil sie später noch neun Gäste erwarten, sind sie nicht bereit uns zu bedienen! Ja aber hallo? Da sitzen ja nur ein nur paar Leute! Na, dann fahren wir halt zu einem Biergarten etwas weiter oben am Fluss. Da bekommen wir eine warme Mahlzeit und ein kühles Bier dazu. Und in der Abendstimmung pedalen wir wieder zurück. Wir geniessen es immer wieder, dass die Tage so lang sind, es wird etwa erst gegen zehn Uhr langsam dunkel! Auf der Wiese hat es nun noch zwei Zelte mehr, ein junges Paar und eines etwa in unserem Alter, beide sind wie wir mit dem Fahrrad auf Reisen. Mit den älteren kommen wir schnell ins Gespräch, sie sind von Slowenien, und den Rest des Abends plaudern wir gemütlich mit den Beiden.
Da wir meistens dem Radweg folgen, sind die Einkaufsmöglichkeiten nicht gerade am Weg, und dazu kommt, dass wir manchmal ganz vergessen, was für ein Wochentag gerade ist. So kommt es, dass wir mal kaum mehr etwas Anständiges zum Essen dabei haben. Und klar, es ist Sonntag. Bäckerei? In den nächsten zwei Ortschaften machen wir extra einen Umweg durch das Zentrum. Aber, endlich sehen wir eine Bäckerei, sogar mit Kaffee, aber die Dame ist gerade dabei, die Tische abzuwischen und schnauzt uns nur an, es ist jetzt geschlossen! Hei, wir wollten doch nur ein Brötchen kaufen…Aber so müssen wir unverrichteter Dinge weiterfahren. Naja, kein Problem, irgendwo finden wir sicher noch irgendetwas zum Essen. Gegen Mittag queren wir wieder ein Städtchen, Barby heisst es, ziemlich ausgestorben, schon an zwei geschlossenen Restaurants sind wir vorbeigekommen, eines für immer, das andere wegen Ferien. Aber, da, ein asiatisches Restaurant, mit Gartenterasse im Hof, sogar mit einigen Leuten an den Tischen, genau das Richtige. Wir stellen unsere Räder ab, ziehen Helm, Sonnenbrille und Handschuhe aus, nehmen die Handys von der Halterung und die Fronttasche vom Lenker. Martin fragt die Bedienung an welchen der freien Tische wir uns hinsetzen können. Diese aber will nichts davon wissen, „alles besetzt“ sagt sie nur kurz angebunden und verschwindet in der Küche. Hä? Was ist denn nur los heute? Aber Martin mag nicht diskutieren und wir hängen also unsere Taschen wieder an den Lenker, ziehen unsere Helme, Sonnenbrillen und Handschuhe wieder an und verlassen den Hof. Draussen begegnen wir einer Frau, die das ganze beobachtet hat. Sie sagt, ja diese Leute (die Asiaten?) sind manchmal so, aber da vorne etwas weiter an der Hauptstrasse gibt’s noch eine Pizzeria, die ist auch offen. Wir bedanken uns bei ihr und fahren in die Richtung, die sie uns angezeigt hat, aber leider keine Pizzeria weit und breit. Aber da, in einer Ecke, ganz klein, der Pascha Döner, offen! Ha, dann gibt’s jetzt halt einen Döner! Und sogar vegetarisch, mit Falafel und viel Salat drin! Das war jetzt wieder mal so ein Augenblick, wo wir gedacht haben, was machen wir da eigentlich? Und dann gibt’s eine so glückliche Wende! Mit vollen Bäuchen und dementsprechend besänftigt können wir jetzt getrost weiterfahren, diese Mahlzeit wird uns lange viel Kraft geben. Und so gehts durch Wälder, mit der Fähre über die Elbe, dann noch mehr Wald, und plötzlich stehen da zwei riesige Säulen mitten im Wald, es scheint eine Toreinfahrt zu sein. Eine Gedenktafel erklärt kurz, was es auf sich hat damit. Eine Hochzeit, ein Geschenk an die Frau, ein Lustschloss mit grossem Garten, alles gepflegt und gehegt. Leider verstirbt die Frau früh, das Schloss wird nicht mehr bewohnt, der Garten von Angestellten, dann später von Pächtern gepflegt, als Gärtnerei mit Kaffee geführt und irgendwann dann sich selbst überlassen. Die Natur überwächst langsam die vergessenen Gemäuer und den Garten…und hunderte Jahre später steht nur noch die Toreinfahrt mitten im Wald. So ist das Menschenleben vergänglich. Geniessen wir das unsere!
Pausentag, von „schlechtem“ Wetter bestimmt, Gewitter, Windböen, viel Regen. Gut haben wir ein geschütztes Plätzchen und können dem wilden Treiben gelassen zuschauen.
Am nächsten Tag fahren wir an einem von der Unesco geschützten Welterbe vorbei, in Dessau, wo die Gebäude von Bauhaus stehen. Die Häuser und Museen schauen wir von Aussen an, im Internet finde ich viel Wissenswertes und Historisches über die Gebäude und die Menschen.
Kurz darauf machen wir Mittagspause bei den Parkanlagen von Wörlitz, es hat sogar Touristenbusse auf dem nahen Parkplatz. Auch hier, das Internet kann uns aufklären. Unesco-Weltkulturerbe Wörlitzer Gartenreich, das ein Fürst anlegen liess. Eine Besonderheit des riesigen Parks, er war immer für alle Menschen zu besichtigen, der Fürst verstand den Park als Bildungsauftrag und stellte den Menschen in den Mittelpunkt.
Wir fahren weiter durch die natürliche Natur, frei gewachsen, nicht von Menschenhand zusammengestellt. Wieder fahren wir durch eine Toreinfahrt mitten im Wald, diesmal ohne Tafel, aber ich kann mir eine neue Geschichte dazu ausdenken… Einige Kilometer vor Wittenberg, der Lutherstadt, müssen wir einem riesigen Industriegebiet entlang fahren, verfallene Bauten, meterhohe Abfallhalden, und dann ein paar grosse Steine und eine Gedenktafel. Hier stand das Strafgefangenenlager Elbregulierung. Wieviel Leid hier wohl erlebt wurde? Das Internet gibt uns die Fakten, es ist verrückt, immer wieder stossen wir auf die schlimmen Zeiten des zweiten Weltkrieges.
Die Lutherstadt hat eine sehr schöne Innenstadt, ist berühmt und entsprechend mit Touristen bevölkert. Wir sind schon etwas müde und suchen unseren Übernachtungsplatz beim Ruderclub Wittenberg. Das Haus bietet neben Toiletten und Duschen auch eine Küche zum Kochen an, und im oberen Stock einige Zimmer für Gäste. Wir sind aber zufrieden mit dem Rasenplatz, kochen draussen auf unserem Kocher und beobachten, wie immer mehr Leute ankommen. Das haben wir schon lange nicht mehr erlebt, so viele Rad-Reisende aufs Mal am selben Ort. Noch im Dunkeln kommen die Letzten an und stellen ihr Zelt zwischen die anderen, es wird langsam eng. Etwa zehn Zelte stehen da, und zwei oder drei Zimmer sind besetzt. Wow! Kommen wir jetzt wieder in eine touristische Region? Oder haben jetzt die Ferien in allen Bundesländern angefangen?
Übrigens, wir machen immer noch fast jeden Morgen Yoga, irgendwo beim Zelt oder später bei einer Rast. Wenn es aber so viele Menschen hat, die da herumwuseln, frühstücken, Zelt abbauen und packen, suchen wir uns jeweils ein etwas abgelegenes Plätzchen dafür, damit wir unsere Ruhe haben. Trotzdem werden wir dann oft darauf angesprochen und die meisten finden es ganz toll, dass wir das machen.
Schon beim nächsten Übernachtungsplatz wissen wir, dass es wahrscheinlich mit Wittenberg zusammenhängt, dass da so viele Menschen waren, hier in Prettin sind wir die einzigen Reisenden auf einem Camping an einem See, der vor allem von Dauercamper bevölkert wird und dementsprechend sehr ruhig ist über die Woche. Mitten in Prettin steht ein grosses, altes, zerfallendes, unbewohntes mehrstöckiges Gebäude, gerade neben dem Supermarkt. Ein Schloss? Ein Kloster? Ein Gefängnis? Die Neugier ist geweckt! Und Wikipedia gibt mir die nötigen Informationen. Ein Schloss aus dem 16. Jahrhundert, das seit 1812 als Gefängnis genutzt wurde, 1928 wegen baulicher und sanitärer Mängel geschlossen wurde. Aber dann kommt wieder eine grausame Zeit in diesem Gebäude, es wird als Konzentrationslager benutzt, war eines der ersten Lager des deutschen Reichs. Schon ab 1933 wurden hier zuerst politische Häftlinge eingewiesen, nach nur drei Monaten waren schon über 2000 Männer inhaftiert. Zunehmend wurden dann vermehrt Homosexuelle und Berufsverbrecher ohne Gerichtsverfahren eingewiesen. Ab 1935 fingen dann die Einweisungen von Juden an. Und so ging es weiter, 1937 wurden die Männer in andere Lager verlegt und dann wurde es ein Frauenkonzentrationslager bis 1939. Wer sich dafür interessiert, findet im Internet die ganze Dokumentation über das KZ Lichtenburg.
Heute ist es eine Gedenkstätte, ein Mahnmal, mitten in der Ortschaft.
Dass wir immer wieder solchen „Überraschungen“ begegnen, ist Teil unseres Reisestils, ist aber auch Teil von diesem Land. Ich hoffe so sehr, dass all die Mahnmale und Gedenktafeln auch ihre Wirkung haben auf die Menschen, damit wir nie vergessen, zu was die Menschen fähig ist!
Zurück ins Heute: in Torgau besuchen wir den Bärengraben, ja, das wusste ich bis gestern auch noch nicht, dass es hier sowas gibt. Auf der Brücke zum Schloss Torgau begegnen wir einem Paar, sie erzählen uns von einer Familie auf Fahrrädern, die sie auf ihrem Hof aufnahmen, weil die Fähre nicht mehr fuhr. Dann zeigt die Frau hinaus über die Elbe, da steht eine dicke braungraue Wolke. Ein Waldbrand, ausser Kontrolle, die Feuerwehr versucht seit Tagen, es mit Helikoptern und Löschfahrzeugen in den Griff zu bekommen. So nahe! Da müssen wir mal unsere Planung anschauen, wir bleiben wohl die nächsten Kilometer auf dieser Seite der Elbe, damit wir immer den Fluss zwischen uns und dem Feuer haben.
Erst kurz vor Mühlberg fahren wir über die Brücke zur Wasserraststation auf der anderen Seite. Da hat es ein paar Camper, wieder viele Radfahrer und ein Holzhaus, mit kleinem Imbiss, und einer Küche mit Kühlschrank zum Benutzen! Schön, da können wir uns wieder mal frische Milch und ein Joghurt kaufen! Ja die Hitze ist wieder da, 30 Grad und mehr, Butter zum Beispiel haben wir schon wochenlang nicht mehr gekauft. Wir machen einen Pausentag hier, Mühlberg ist ein hübsches Dorf, aber es ist gezeichnet von der Abwanderung der jungen Leute, die hier keine Arbeit finden. Und, obwohl hier der Elbradweg durchgeht, hat es im Dorf keine Infrastruktur für Fahrräder, alle Strassen sind noch gepflastert, was unheimlich mühsam ist für uns. Mitten in einem Dorf sehen wir plötzlich kleine Tiere auf der Strasse herumwuseln. Katzen? Als wir näherkommen, sehen wir, dass es Bisamratten sind, eine Art Biber? Die lassen sich gar nicht stören von uns, auch als wir absteigen und ihnen zusehen, rennen sie nicht davon. Erst als sich ein Auto nähert, verschwinden sie im Gras Richtung Fluss.
Weil es so heiss ist, lassen wir uns wieder einmal verwöhnen mit einem Spaghetti-Eis, wir müssen aber schnell essen, die Spaghettis werden rasch flüssig.
Nun nehmen wir die letzten zwei Tage unter die Räder, dann sind wir in Dresden. Habe ich schon mal geschrieben, dass wir den Radweg wirklich in der richtigen Richtung fahren? Meistens haben wir nämlich Rückenwind, aber auf jeden Fall keinen Gegenwind! Trotz der Hitze ist es bewölkt, feucht-heisses Klima. Bei der nächsten Fähre muss man mit der Glocke läuten, dann kommt der Fährmann mit dem Boot herüber! Und am Wegrand hat es Brombeeren, so viele, dass wir anhalten müssen und uns die Bäuche vollschlagen.
Und dann endlich, an einem Sonntag, erreichen wir Dresden! Die vielen Türme der Stadt begrüssen uns, der Radweg führt uns dem Fluss entlang bis zur anderen Seite der Stadt, wo wir uns auf dem Camping einrichten. Auch hier hat es einen Aufenthaltsraum mit Küche und Kühlschrank für alle, Super. Die Bushaltestelle vor dem Camping, ein Schwimmbad und ein Badesee für Naturisten nebendran! Da wollen wir die nächsten Tage bleiben, die nächste Hitzewelle überstehen, die Stadt besichtigen und etwas Kultur geniessen. Ein Abendkonzert auf dem Platz vor der Frauenkirche, eine Freiluft Kunstausstellung in der Altstadt, das Hygiene-Museum (Volksbildungsstätte für Gesundheitspflege),…und wir besuchen sogar die gläserne Manufaktur, wo VW Elektroautos herstellt, zwei Stunden Führung im gekühlten Gebäude…
Das grüne Band
Bei Cuxhaven passieren wir ein riesiges Gelände, wo die allgegenwärtigen Windräder gelagert und montiert werden. Da sieht man ganz eindrücklich wie riesengross die Flügel sind! An der Elbe (schon Meer oder noch Fluss?) fahren wir lange durch Weideland mit Schafherden, sie sind scheinbar das Beste, um den Deich zu pflegen. Gefühlt hat es etwa 100 Gatter, mit Toren, die wir öffnen und wieder schliessen müssen. Das heisst: Absteigen, Tor auf, Durchfahren, Tor zu, Aufsteigen, ein paar hundert Meter fahren, dann das Ganze von vorne… bis wir wieder auf eine richtige Strasse kommen. Es hat hier ziemlich viele Radfahrer und alle müssen da durch!
In Glückstadt kaufen wir ein, im Frauen-Edeka, Männer dürfen hier aber auch einkaufen:-) Als wir schon fast nicht mehr dran glauben, einen Platz zum Zelten zu finden, hats da am Feldweg ein frisch gemähtes Plätzchen, mit Tisch und Bank, perfekt. Wir kochen unser Abendessen, ein paar Radler und Hunde- Spaziergänger kommen vorbei und wünschen uns einen schönen Abend. Den haben wir! Und auch die Nacht wird wunderbar ruhig! Das schätzen wir sehr, die letzte Nacht war ja sehr laut…
Getrennt fahren wir Richtung Nord–Ostkanal, dem wollen wir am nächsten Tag bis nach Kiel folgen. Wir versuchen dem Ochsenpfad zu folgen, was aber gar nicht so einfach ist, da er auf meiner Karte nur teilweise drauf ist. Und die Wegweiser führen uns so richtig kreuz und quer, auch mal über holprige Feldwege, bis wir uns auf einer Landstrasse entscheiden, da mal ein Stück den Radweg zu nehmen, damit wir auch vorwärtskommen. Es ist schön, durch die Landschaft zu gondeln, aber schliesslich haben wir ja in einer Ortschaft abgemacht, wo wir uns wieder treffen wollen. Hier essen wir ein Eis und wollen Wasser füllen, heute bei einer Tankstelle. Graue Wolken am Himmel kündigen ein Gewitter an, wir fahren noch ein paar Kilometer an einen Waldrand, wo es einen Grillplatz mit Picknickhütte hat. Hier richten wir uns ein, schon donnert es und die ersten Regentropfen fallen, aber wir sind im Trockenen! Ein paar Radfahrer sausen noch im Regen vorbei, aber die sind wahrscheinlich nahe von ihrem Zuhause.
Der Nord-Ostsee-Kanal ist so ein Mega-Projekt aus dem 19. Jahrhundert, und wurde 1895 eröffnet. Da fahren pro Jahr um die 30‘000 Schiffe durch, vom kleinen Segelschiff bis zum riesigen Containerschiff. Eindrücklich! Und erst die Brücken! Die trumpfen mit Höhen und Kilometern auf, und das seit anfangs 1900. Wegen Ausbau und Umbauarbeiten müssen wir einen Umweg von mehreren Kilometern fahren, es müssen Kurven begradigt und Dämme verstärkt werden, da die Schiffe immer grösser werden.
Und dann die Ostsee! Das ist ein richtiges schönes blaues Meer!
Nördlich von Kiel richten wir uns auf einem Camping ein. Wir haben nämlich abgemacht, mit Heidi und Manhard, wir hatten sie auf dem Camping in Noto, in Sizilien, kennengelernt. An der Schiffsanlegestelle am Bahnhof begrüssen wir uns, und dann gibt es eine super Insider- Stadtführung. Marie ist auch dabei, sie war damals noch eine junge ungestüme Hündin, jetzt schon richtig stadtgewandt. Wir bekommen am Hafen unser erstes Fischbrötchen und holen dann Heidi ab. Zusammen fahren wir zu Ihnen nach Hause und bekommen ein leckeres Abendbrot, das sich richtig in die Länge zieht, wir haben uns soviel zu erzählen! Um Mitternacht fährt uns Manhard zum Camping, den er gar nicht gekannt hat.
Wir werden morgen mit den Fahrrädern zu Ihnen fahren nachdem wir Antonia und Ernst verabschiedet haben, sie werden sich Richtung Süden wenden, nach Hause.
Es war eine tolle Zeit, wir haben so Vieles zusammen erlebt das wir nie vergessen werden!
Eine kurze, aber windige Fahrt durch die Badeorte nördlich von Kiel führt uns in das kleine Dorf, wo unsere Gastgeber wohnen. Wir freuen uns auf das Zusammensein mit Ihnen. Noch sind wir nicht sicher, in welche Richtung es für uns weitergehen soll, da ist eine kleine Pause gerade richtig.
Nach kurzweiligen Tagen, mit Konzertbesuch und Ausflug nach Eckenförde wissen wir es. Das Wetter beeinflusst unsere Entscheidung massgeblich, Wind aus dem Nordwesten, unbeständiges Regenwetter, das müssen wir nicht haben.
So wenden wir uns Richtung Lübeck, Travemünde, da haben wir Rückenwind! Wir radeln durch die sanften Hügel der Region holsteinische Schweiz, und vielleicht können wir in einem der vielen Seen auch mal baden gehen. Zweimal zelten wir hier, die Campingplätze sind jetzt gut besetzt, aber für uns hat es immer einen Platz, einmal wieder richtig privilegiert, direkt am Plönsee. Durch Wälder geht es nun ans Meer.
In Scharbeutz treffen wir dann auf die Ferienmasse, Campingplatz überfüllt, Zelt an Zelt auf einer baumlosen Wiese, jeder sieht dem anderen ins Glas, so nahe aufeinander sind wir eingepfercht. Die Nacht wird unvergesslich, weil kein Auge zugetan. Alle Schnarcher habe ich gehört, es hatte mindestens zehn ringsum! Und das sind Ferien?!
Wir flüchten am nächsten Morgen, ohne Yoga gemacht zu haben, es hat einfach zu viele Leute! Auf dem Weg beschliessen wir schon, dass wir Lübeck nicht besuchen, keine Lust auf Stadt, jetzt wollen wir Natur. Wenn wir der Ostsee entlang fahren, werden wir dieses Ziel nicht erreichen. Aber vielleicht ist das grüne Band (auch der Iron Curtain genannt), die bessere Variante? Gadacht getan! In Travemünde verabschieden wir uns vom Meer und biegen ab, wieder durch Wald und Feld, durch kleine Dörfer, heute Abend wollen wir auf einem Kanuplatz übernachten! Aber Achtung, jetzt sind die Waldwege schon sehr sandig, und einmal drehen wir schon nach ein paar Metern wieder um. Wir fahren lieber auf einer wenig befahrenen Landstrasse, als im Wald stecken zu bleiben und vielleicht noch einige Kilometer zu schieben. Die Wackenitz ist ein kleiner Fluss, eingebettet in einem Naturschutzgebiet. Fast das ganze grüne Band ist eine Naturschutzzone. Die ehemalige Grenze war lange kaum bewohnt und die Natur konnte sich ungestört entfalten. Vögel, Fische Frösche, Amphibien und Insekten haben hier einen Platz zum Leben. Und hier gibt es diesen Kanuwanderer-Zeltplatz. Da steht kein einziges Zelt als wir ankommen, später kommt ein Vater mit zwei Kindern im Kanu mit allem Gepäck an. Sie sind auf einer mehrtägigen Kanutour. Sicher unvergesslich für die Kinder!
Wir entscheiden uns spontan, am nächsten Tag ein Kanu zu mieten und auch durch diese grüne Welt zu paddeln. Wunderbar beruhigend und entspannend.
Wir bleiben nun auf dem grünen Band, fahren durch Wälder, Felder und passieren Dörfer und Gedenkstätten, die zeigen, wie während der Zeiten der DDR das Leben so nahe an der Grenze war. Und auch all die Schikanen, die an der Grenze aufgebaut wurden. Ich bekomme jetzt beim Schreiben noch eine Hühnerhaut, wenn ich daran denke, was da für Gemeinheiten passiert sind. Mit ganz anders offenen Augen fährt man da durch die Gegend und dauernd begleiten uns diese Gedanken an die Menschen, die in dieser Situation leben mussten. Da stellen sich Fragen über Fragen, wir versuchen, in vielen Gesprächen einige Antworten zu finden.
Wieder an einem ruhigen See campen wir auf einem Camping, der neben den Dauercampern nur eine Handvoll andere Feriengäste hat.
Warum nur fahren die Menschen alle an den gleichen Ort? Wo es doch so viele wunderschöne andere Plätzchen hätte? Der Mensch, das Rudeltier? Für uns unverständlich.
Wir geniessen die Ruhe, die Gespräche mit den Menschen die hier sind und uns oft mit grosser Bewunderung überhäufen. Uns aber auch tiefe Einblicke geben in ihr jetziges Leben. Und das von früher, als alles noch anders (besser?) war. Das hilft uns, einige der oben gestellten Fragen teilweise zu beantworten.
Bald erreichen wir die Elbe, dem Fluss wollen wir nun länger Gesellschaft leisten, wir fahren nach Dresden!
An die Nordsee
Zum Voraus muss ich doch wieder einmal schreiben, dass ich mit etwa einem Monat Verspätung die Berichte veröffentliche. Ich brauche Zeit zum Schreiben, dann zum Fotos zusammenstellen und nicht zuletzt zum alles auf die Homepage hochzuladen und alles in die richtige Form zu bringen. Da wir für diese Reise den Laptop zuhause gelassen haben, mache ich alles auf dem Tablet. Vor allem die Webseite ist etwas schwierig zu bearbeiten. Deshalb gibt’s heute einfach zuerst Text und dann die Fotos. Ich hoffe es gefällt euch trotzdem!
Verschiedene Übernachtungsplätze und etwa zwei Wochen später erreichen wir Anfangs Juli die Nordsee! Wahnsinnig! Wir sind doch immer wieder erstaunt wie schnell man mit dem Fahrrad solche Strecken zurücklegen kann!
Klar, es hat wenig Steigungen den Flüssen entlang, wir bleiben unserem Motto treu. Die Fulda fliesst einige Kilometer nach Kassel mit der Werra zusammen, und von da an fahren wir an der Weser. Sie begleitet uns nun bis nach Bremen. Wir fahren durch malerische Städtchen, essen Eis oder andere Leckereien aus einer Bäckerei. Und manchmal müssen wir uns auch über die neuestens Modetrends informieren. Dann wieder wechseln wir mit einer Fähre auf die andere Seite des Flusses. Von denen hat es hier immer wieder welche, manchmal nur für Fussgänger und Radfahrer, manchmal auch solche, die ein paar Autos transportieren können.
In Rinteln (schon mal gehört?) einem sehr hübschen Städtchen, bleiben wir einen Tag auf einem Kanu-Campingplatz, wollen den Regen abwarten (der dann doch nicht so richtig kommt) und besuchen eine interessante Ausstellung über die Hexenverfolgung in der Region.
Wir beschliessen, dem Wetterbericht nicht mehr so viel Beachtung zu schenken, da es meistens nicht so ganz stimmt, was da gemeldet wird. Bei schönem, warmem Wetter pedalen wir, machen Pausen unter den Bäumen, gehen auch mal baden, und finden meistens schöne Plätze zum Übernachten.
Einmal überrascht uns dann doch ein Regenguss, der zwar angekündigt war, die Wolken sprachen auch eher dafür, aber wir wollten doch noch ein bisschen weiter…bei einer Schleuse finden wir eine Picknick–Hütte, wo wir uns häuslich einrichten, einen feinen Apèro von Antonia geniessen und dann kochen, es regnet ja immer wieder. Als es endlich aufhört, spazieren wir der Strasse entlang, auf der Suche nach einem Zeltplatz, aber da ist nichts Passendes zu finden. Nur neben dem Parkplatz hat es ein kleines Rasenstück, gross genug für ein kleines Zelt, und hinter einem Busch passt gerade knapp unser Zelt hin. So stellen wir in der Dämmerung unsere Zelte auf, es hatte ja kaum Verkehr hier. Es ist mir schon nicht so geheuer, hier zu schlafen, aber wir mochten auch nicht mehr wieder alles einpacken und weiterfahren. Ausser einem Auto, das irgendwann nachts auf den Parkplatz fährt, hier wendet und wieder wegfährt, passiert aber nichts. Trotzdem packen wir früh unsere Zelte zusammen, machen aber doch noch Yoga auf dem Platz. Ein Mitarbeiter der Schleuse geht vorbei und winkt nur ab, als wir erklären wollen warum wir hier übernachtet haben. Kein Problem!
Und nun erreichen wir Bremen, bald sind wir an der Nordsee! Schöne grosse Segelschiffe ankern da, Ebbe und Flut sind richtig bemerkbar! Wir erkunden ein bisschen die Innenstadt, finden die Bremer Stadtmusikanten und besuchen den Bremer Dom, der mich von innen an das Berner Münster erinnert.
Wir zelten bei einem Ruderverein, Antonia hat nach einigem Verhandeln einen Deal gemacht, wir dürfen eine Nacht hier stehen, (sonst dürfen das nur Ruderer), dafür gehen wir im Restaurant essen. Das passt, und das Essen ist sehr gut!
Nach dem Frühstück in einer Kaffeebar trennen wir uns für die Weiterfahrt, ich bin eine eher langsame Fahrerin, was manchmal etwas mühsam wird für alle. So machen wir einen Punkt ab wo wir uns wieder treffen, diesmal bei einem Einkaufszentrum, wo wir fürs Abendessen einkaufen. Und Martin kauft eine neue Pfanne, da sich wieder mal die innere Beschichtung löst, was ja nicht gerade gesundheitsfördernd ist.
Mit der Fähre noch über die Weser und auf einen Camping, der direkt an der Weser ist. Der Platz ist ziemlich leer, wir dürfen uns irgendwo niederlassen, ein grosser Baum in der Nähe garantiert für den Morgen Schatten, was jetzt wichtig wird, da eher warme Temperaturen angesagt sind.
Bis zum ersten Hafenviertel von Bremerhaven fahren wir zusammen, dann „muss“ Antonia Fisch essen, Uns vermag es nicht zu verlocken und wir fahren weiter bis mittendrin, wo wir uns einen Seemannsknoten (Brezel) genehmigen. Zum Glück, die Fahrt durch den, oder besser gesagt, die nächsten Hafenanlagen wird lang! Wir staunen, was da alles transportiert wird! Und wie Viel! Irgendwie schleudert sich uns da gerade eine andere Wirklichkeit entgegen! Was sind wir für Glückspilze, dass wir hier nur durchfahren können, und nicht tagtäglich hier arbeiten müssen.
Und dann plötzlich sind wir wieder auf dem Land, Kühe auf der Weide, ein verschlafenes Dorf, Heu auf dem Radweg. Jetzt sind wir am Deich, mal oben, mal unten, die Mittagshitze drückt. Wir haben abgemacht bei einem Camping, wo daneben auch ein Badestrand ist, aber als wir ankommen, sehen wir, dass da null Schatten ist! Den Badestrand muss man bezahlen, Sonnenschirme gibt’s aber keine. Wir fahren hinter den Deich, da ist noch ein Camping, mit ein paar Bäumen, aber Schattenplätze kann uns die Dame keine anbieten. In der Not basteln wir uns einen Unterstand mit unseren Schlaftüchern. Wir peilen hier Campinplätze an, weil fast das ganze Ufer, und auch hinter dem Deich alles Naturschutzgebiet ist. Hier beginnt das Meer, obschon, oft ist da gar kein Wasser, die Schiffe liegen schräg im Schlick und warten auf die Flut. Die aber manchmal auch ziemlich heftig kommen kann, was uns ein Mast zeigt, wann und wie hoch die schlimmsten Überschwemmungen waren. Wir geniessen hier am kleinen Hafen von Wremen ein Bier mit dem Sonnenuntergang!
Am nördlichen Zipfel, da wo die Elbe ins Meer fliesst, stossen wir so richtig auf den Sommertourismus! In Duhne gibt es mehrere Campingplätze und es tummeln sich viele Leute im kleinen Zentrum des Ortes. Wir checken bei einem Camping ein, zwei Plätze hat er noch für eine Nacht, vorne an der Strasse und hinten. Wir beachten nicht, dass da eine Gruppe junge Männer ihre Zelte aufgeschlagen haben, erst als wir sehen, dass sie einen Anhänger mit einer Bierzapfanlage dabeihaben, kommen etwas Bedenken auf, ob der Abend wohl ruhig wird. Aber die Zelte stehen schon und wir wollen auch bummeln gehen. Es ist wieder etwas kühl geworden, ein starker Wind pfeift um die Ecken. Martin und ich verziehen uns in eine Pizzeria, die beiden anderen wollen noch den Strand erkunden.
Ja und wie wir bei Dämmerung zurückkommen, ist die Stimmung bei den Nachbarn hörbar gestiegen, und damit auch der Lärmpegel. Neben der Bieranlage ist jetzt auch eine Musikanlage in Betrieb, die dröhnt und wummert mit einer Lautstärke wie an einem Festival. Und die „Herren“ singen schon laut mit, Erinnerungen an die Nacht da bei dem Dorffest werden wach.
Kurz gesagt die Nacht ist ein Desaster! Antonia geht etwa um 23. Uhr an die Rezeption des Hotels, wo der Camping dazugehört, aber ausser bedauernde Worte passiert nichts. Andere Nachbarn beschweren sich mit lautem Rufen, „hei Nachtruhe“, was bewirkt, dass noch lauter geschrien und gegen eine Wand gehauen wird. Gegen 2Uhr morgens endlich ziehen sie alle ab, mit Gegröle verlassen sie den Platz. Ist wohl das Bier alle?
Morgens sind wir alle etwas gerädert, wie geht’s wohl den Herren nach dem Suff? Als einer vorbeiläuft als wir packen, „bedanke“ ich mich für die nette Nachbarschaft…
Nun haben wir Verschiedenes entschieden: Hamburg lassen wir rechts liegen, ein andermal vielleicht besuchen wir die Grossstadt, und zusammen wollen wir noch bis nach Kiel, an die Ostsee fahren, danach werden die zwei sich Richtung München aufmachen, währenddessen wir vielleicht noch der Ostsee entlang fahren, oder Richtung Dänemark? Oder?
Wir folgen den Flüssen
Leider habe ich kaum Zeit zum Schreiben! Der Tag ist schon voll mit radeln, plaudern, Essen besorgen, zubereiten und geniessen, Weiterfahrt planen, Zelt aufbauen und morgens wieder abbauen,….da bleibt nur wenig Zeit! Deshalb heute nur ein paar Fotos, und eine Karte mit der Route, die wir schon gefahren sind.
In Bayreuth werden wir krank, eine Woche lang liegen wir flach! Wir dürfen bei unseren Gastgebern bleiben, Antonia und Ernst fahren schon mal ohne uns weiter. Als es mir endlich einigermassen besser geht, nehmen wir den Zug bis Bamberg. Es gibt jetzt das 9€ Ticket, das nützen wir auch. Der Zug ist leider eine mittlere Katastrophe, mit hohen Treppen und kaum Platz für Fahrräder, Ein- und Aussteigen werden zur grösseren Herausforderung.
Dafür ist das Wiedersehen mit Antonia + Ernst in Bamberg eine Freude. Wir haben uns entschieden, dem Main entlang zu fahren, das ist etwas weniger hügelig als direkt nordwärts, wo das Fichtelgebirge auf uns gewartet hätte!
Das Wetter ist kühl und windig, irgendwo beobachten wir eine Schleusendurchfahrt von einem Lastkahn und einem Hotelschiff. Was da an Wassermengen herumgeschoben werden, ist beeindruckend.
Die Übernachtungen sind immer wieder eine Überraschung, mal bei einem Naturfreundehaus direkt am Fluss, oder eine Kanuanlegestelle, tolle Plätze, meistens ohne Infrastruktur (heisst ohne Trinkwasser und ohne Toilette) wo das Zelten für eine Nacht toleriert wird. Trinkwasser organisieren wir meistens an einem Friedhof, oder ganz selten mal bei jemandem Privat. Ernst hat schnell mal jemanden angesprochen und bekommt Wasser.
Es wird wieder warm, an Wochenenden und Feiertagen ist es recht bevölkert auf den Radwegen. Unsere Tagesetappen werden länger, morgens stehen wir manchmal früher auf, damit wir in der kühleren Morgenluft fahren können. Bei Gemünden am Main biegen wir ab, radeln der Sinn entlang nordwärts. Hier hat es weniger Tourismus, es wird ein bisschen hügeliger, aber doch machbar mit unseren beladenen Rädern. Hier übernachten wir an einem Anglersee auf dem Picknickplatz, dann am Rand eines Fussballfeldes an einer Kanuanlegestelle, wo es sogar eine Toilette hat. Im Dorf findet gerade ein Fest statt, mit Bierzelt und lauter Musik bis nachts um 1 Uhr. Nicht wirklich ausgeschlafen, aber macht nichts, die nächste Nacht wird bestimmt ruhiger! Und immer haben die Menschen, die uns hier begegnen nichts dagegen, dass wir da übernachten. Ab und zu geniessen wir dann aber auch die Annehmlichkeiten auf einem Campingplatz, Haare waschen, mit warmem Wasser Geschirr abwaschen und eine Waschmaschine füllen, damit unsere Kleider wieder etwas besser duften.
Wir überqueren ein paar Hügel und folgen bald der Fulda, die, nachdem sie mit der Werra zusammenfliesst, Weser heisst! Schon ganz kräftig fliesst sie hier in vielen Windungen Richtung Bremen. Die Städte und Dörfer sind sehr schön, Fachwerkhäuser dominieren.
In Kassel bleiben wir einen Tag länger, Hitzetage und anschliessende Gewitter lassen uns einen Tag auf dem Camping bleiben. Die Wäsche trocknet innerhalb einer Stunde so heiss und windig ist es! Und wir geniessen das Privileg, direkt am Fluss unseren Platz zu haben.
Weiter nach Bayreuth
Den ganzen Morgen regnet es, wir warten bis mittags, und da hört der Regen auf und wir können doch noch der Donau entlang fahren. Nicht Richtung Wien, nein! Richtung Regensburg, aber wir werden vorher abbiegen, auf einen Radweg, der uns nach Cham bringen wird. Eine stillgelegte Eisenbahnstrecke, umgebaut zu einem Radweg, für uns bekannt als „Via Verde“. So macht es Spass, in den Bayrischen Wald und die Oberpfalz zu fahren. Ohne grosse Steigungen, da die Züge ja auch nicht so steil hochfahren konnten.
Bevor wir aber in Bogen abbiegen, finden wir einen Zeltplatz beim Motorbootclub Winzer (jaja, einen Ort namens Winzer gibt es da). Es ist Mittwoch vor Auffahrt und einige Clubmitglieder werden die Feiertage hier in ihren Wohnwagen oder Wohnmobilen verbringen. Ernst geht hin und fragt, ob wir auch unsere Zelte aufbauen dürfen und wirklich, wir dürfen. Freundlich werden wir aufgenommen, ausgefragt nach dem Woher und Wohin, und bekommen Geschichten erzählt.
Ernst kann sehr gut auf die Menschen zugehen, mit ihnen plaudern und nach einer Übernachtungsmöglichkeit fragen.
Schon am nächsten Abend, nach einer schönen Fahrt auf der Eisenbahnstrecke, gelingt es ihm wieder, einen tollen Platz zu finden. Während Maritn und ich noch im Wald herumstolpern und nach einem flachen Plätzchen für zwei Zelte suchen, ist er weitergefahren. Bei ein paar Häusern fragt er eine ältere Frau ob wir auf der frisch gemähten Wiese unten am Weg die Zelte aufschlagen dürfen, da lädt sie ihn ein. Hinter ihrer Scheune gibt’s ein flaches Plätzchen und die Haustüre lässt sie dann offen über Nacht, damit wir die Toilette benutzen können. Was für ein Vertrauen in wildfremde Menschen!
Immer wieder erleben wir das, auf dem Rad sind wir nahbar, ansprechbar und irgendwie vertrauenswürdig.
Die Strecke nach Cham ist abwechslungsreich. Wir müssen uns auf starken Gegenwind und ein paar kalte Nächte einstellen, es will nachts unter 5 Grad werden. Das heisst, dass am Morgen die Zelte immer tropfnass sind, und das Gras auch. Somit die Füsse auch. Aber beim Fahren wirds fast immer warm.
Aber zwei Tage später, nach einer sehr kalten Nacht bei Rötz, Zelt im nassen Gras zusammenpacken, radeln mit Gegenwind und einem Regenguss mit Hagel (dessen Ende wir bei einem Bauernhof unter dem Dach abwarten), suchen von einem Campingplatz, der dann nicht mehr in Betrieb ist und zuletzt ein Gasthof, der geschlossen ist, die Füsse seit Stunden eiskalt, da entscheiden wir uns, eine Ferienwohnung aufzusuchen, die Ernst in Nabburg gefunden hat. Endlich werden die Füsse wieder warm, die heisse Dusche tut so gut wie noch selten. Wir kochen uns ein feines Essen und bleiben dann schön kuschelig auf dem Sofa, während Antonia und Ernst noch einen Spaziergang durch die Stadt machen. Was für ein Luxus, in einer Wohnung zu sein wenn es draussen so kalt ist!
Dann wird es wieder schöner und wärmer, kein Regen, eine recht gemütliche Strecke erwartet uns. Wir fahren beschwingt durch die Gegend, immer wieder bezaubert von der Landschaft. Von weitem sehen wir schon die riesige Autobahnkreuzung, an der wir vorbei müssen. Auf der Karte finde ich beim Bahnübergang ein lustiges Zeichen und erzähle den anderen, dass es hier eine Telefonkabine hat! Wir lachen und wundern uns, aber als wir vor der geschlossenen Schranke stehen, ist da wirklich so eine Art Telefon!
Wir bedienen den Hebel nach Vorschrift und erhalten sofort die Auskunft, dass wir etwas warten müssen, „ein Zug ist gerade unterwegs“. Bald schon düst wirklich ein Zug vorbei. Dann warten wir wieder, und nach etwa 5 Minuten sagt uns der Mann, er öffne jetzt die Schranke und wenn wir drüben seien, sollen wir dort den Hebel drücken, damit er wieder schliessen kann. Genau so machen wirs und schon fällt die Schranke zu. Gute Erfindung, einen so wenig befahrenen Übergang zu sichern!
Beschwingt fahren wir weiter, bis nach Weiden, wo wir einen Sportladen aufsuchen. Antonias Matratze ist zu dünn und zu klein, sie schläft nicht gut drauf. Wir suchen eine bessere, bequemere, die aber auch ganz leicht sein sollte. Leider haben sie da nichts in dem Geschäft. Wir kurven durch das Zentrum, besichtigen die Innenstadt und fahren dann weiter. Wir werden erwartet von einer Cousine von Ernst, zum Abendessen und Schlafen im Haus! Der Abend wird sehr gesellig, obschon Martin und ich kaum Oberbayrisch verstehen!
Wir entscheiden, uns etwas westlich zu halten, da gibt es weniger steile Anstiege, als wenn wir direkt nordwärts durch das Fichtelgebirge fahren. Da bin ich doch beim Routen suchen sogar auf Skilifte gestossen! Puh, so hoch wollen wir gar nicht hinaus! So werden wir in zwei Tagen in Bayreuth eintreffen! Zuerst aber fahren wir noch an Grafenwöhr, einem grossen Truppenübungsplatz vorbei. Der amerikanische Einfluss ist deutlich bemerkbar, plötzlich sind Geschäfte englisch angeschrieben und auf den Parkplätzen stehen lauter amerikanische Autos. Bei Eschenbach in der Oberpfalz gibt es ein paar Weiher, die ein grosses Vogelschutzgebiet bilden. Über 100 verschiedene Vogelarten brüten hier. Wir machen Pause bei einem Weiher und hören hier wieder diesen Vogel so aufgeregt rumzwitschern, der uns schon am Baggersee am Inn so aufgefallen ist. Was das wohl für einer ist?
Der Himmel hat sich stark bewölkt und wir müssen wieder mit Regen rechnen. Wollen wir hier im grossen Wald einen Platz für die Zelte suchen? Aber es fehlt uns Trinkwasser. Deshalb warten wir im Schutz der Bäume auf das Ende des Regens und fahren noch ein Weilchen, besichtigen eine Art Waldhütte, die aber leider zu nahe an der Strasse steht. Im nächsten kleinen Dorf gibt es zwar einen Brunnen, kein Trinkwasser! Dafür regnet es wieder!
Nochmals eine kleine Pause unter dem Dach einer kleinen Kapelle bis wir zwei Dörfer weiter auf dem Friedhof unsere Wasservorräte füllen können. So jetzt aber noch den nächstbesten Platz finden! Keine 500 Meter vom Dorf entfernt steht eine Kapelle mit kleinem Parkplatz, frisch gemähtem Gras und ein paar Bäumen rundum. Perfekt für uns! Wir packen unsere Küche aus, jetzt haben wir uns ein gutes Abendessen verdient. Während wir genüsslich unser Abendessen vertilgen, ertönt plötzlich Traktorenlärm, der immer näher kommt. Durch die Wiese nähert sich ein Ungetüm so schnell, dass wir fast Angst bekommen, dass unsere Taschen unter den Mäher kommen. Martin steht auf und geht zum Bauern, um ihm zu dagen, dass wir auch noch da sind. „Passt schon“ ist dessen Antwort,er lässt etwas vom hohen Gras der Wiese stehen und fährt mit einem Lächeln an uns und der Kapelle vorbei! Der hat auf jeden Fall auch gecheckt, dass wir hier die Nacht verbringen wollen, obschon noch kein Zelt da stand.Wir stellen diese nun zwischen die Bäume, die restlichen Büschel der Wiese und der Kapelle, so dass man sie von der Strasse aus nicht sehen kann. Und verbringen eine ruhige Nacht die nur von einem Regenguss etwas gestört wird. Am Morgen scheint die Sonne vom blauen Himmel und wir machen wie fast jeden Morgen unser Yoga. Das tut so gut, ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie wir über so lange Jahre radeln konnten, ohne Yoga zum Ausgleich zu machen.
In Bayreuth habe ich einen Warmshower Gastgeber gefunden, bei dem wir zu viert übernachten dürfen, im Garten, oder auch in der Wohnung und in einem Zimmer unter dem Dach! Das freut uns sehr! Beschwingt fahren wir die Strecke bis in diese Stadt, obwohl doch noch ein paar nahrhafte Steigungen drin sind. Aber dafür auch ein paar schöne Abfahrten. Bayreuth ist eine touristische Stadt, das merkt man schnell, aber sie ist auch sehr geschichtsträchtig. Wir suchen einen Fahrradladen auf, die Federgabel von Ernst seinem Fahrrad verliert etwas Luft, und Martin braucht für seine Clickschuhe neue Clicks, die alten sind so abgewetzt, dass er sie nicht mehr benützen kann. Im Schlossgarten machen wir Pause und lesen uns gegenseitig über die verschiedenen Gebäude die historischen Gegebenheiten vor. Wir erfahren, dass Markgräfin Wilhelmine eine ganz wichtige Person für die musikalische Entwicklung in Bayreuth war, aber auch von Wagner und seinem Werk, das er hier zum Teil geschrieben und auch in seinem Festspielhaus aufgeführt hat.
Leider werden wir keines der Häuser von Innen besichtigen, das Opernhaus hätte mir sicher gefallen. Aber noch immer muss man in allen Museen und Häusern eine FFP2 Maske tragen. Ins Opernhaus ginge ich gern, wenn ich dann auch Musik hören könnte und die Ambiance spüren könnte. Die Preise für Konzertkarten sind horrend und es gibt jetzt noch keine Konzerte.
Von München bis Passau
Es ist ja wahnsinnig wie schnell die Zeit rast wenn man zu viert unterwegs ist! Kaum aufgebrochen sind wir schon in Passau angekommen. Die ersten Tage bis zum Chiemsee, warmes, ja, heisses Wetter begleitet uns. Schon die erste Nacht ein Highlight, wieder bei einer Gastgeberin von 1NiteTent, auf der Wiese vor dem Haus mit Sicht auf die Alpen, auch hier wieder mit gemeinsamem Abendessen auf der Terrasse!
Wir suchen unseren Weg gemeinsam, noch ist es Heimat von den Beiden, wo wir durchfahren, bald wird es aber auch für sie Neuland. Ein wunderschöner Abend am Chiemsee lässt in uns Feriengefühl aufkommen!
Der Alz entlang geht es weiter, mal direkt am Fluss, mal auch durch Dörfer und Hügel. Oft hat es Wegweiser und viele Radwege neben den grösseren Strassen. Also alles sehr entspannt. Nach etwa 40 Kilometern tanken wir Wasser bei einem Friedhof, dann geht es an den Fluss zu unserem ersten „wilden“ Camp, das wir nach einigem Suchen doch noch finden!
Wir kommen in Altötting vorbei, das Santiago de Compostela von Bayern! Wir haben noch nie davon gehört, besichtigen aber die berühmte schwarze Madonna und die grosse Kirche. Nach dem täglichen Einkauf gehts an den Inn, dem wir bis Passau folgen werden. In einem der vielen Seen nehmen wir unser nachmittägliches Bad, essen all die gekauften Esswaren und geniessen ein kühles Bier von dem kleinen Restaurant am Badesee. Dann packen wir unsere Sachen und verkrümeln uns auf eine kleine Halbinsel zwischen den Baggerseen, die wir zuvor ausgekundschaftet hatten. Hier stellen wir unsere Zelte in der Dämmerung auf und geniessen einen ausserordentlichen Sonnenuntergang.
Im Schilf zwitschert aufgeregt ein Vogel (oder sind es mehrere?) Eine Frau mit Hund spaziert vorbei und wünscht uns viel Spass. Ja es ist ganz locker, auch wenn wir gesehen werden. Die Menschen haben bis jetzt gar nicht negativ reagiert, auch wenn ganz klar war, dass wir wild zelten.
Wir sind so schnell unterwegs, dass wir schon bald Passau erreichen! 40 bis 55 Kilometer pro Tag! Am Inn entlang sind wir so schnell, noch eine Nacht und schon erreichen wir die Stadt. Auf dem Camping richten wir uns ein, da hat es einen Unterstand, wo wir auch trocken kochen und essen können. Und um die Stadt anzuschauen ist es auch einfacher, wenn wir unsere Sachen dalassen können und nicht immer auf die vollberladenen Räder aufpassen müssen.
Deutschland 2022
Start am 7. Mai bei angenehmem Wetter mit dem Zug nach Neuhausen am Rheinfall. Die Mieter der Wohnung sind eingewiesen und wir können beruhigt los.
Eine kurze beschauliche Fahrt führt uns dem Rhein entlang über grüne Wiesen nach Deutschland bis zu einem Bauernhof mit Hofcafé, Hofladen und wo man auch zelten darf. Freundlich werden wir begrüsst, wir dürfen im Laden noch einkaufen, obwohl eigentlich schon Samstagabend und geschlossen ist. Ach so ein idyllischer Zeltplatz! Und wir sind ganz allein. Zwar werden die Temperaturen abends noch etwas kühl, vor allem haben wir einen bissigen Nordwind. Aber wir geniessen es draussen zu kochen und den Sonnenuntergang und die aufkommende Dunkelheit zu begrüssen.
Vor ein paar Wochen habe ich angefangen, die Route zu planen, ungefähr die Streckenlänge einzuschätzen, habe Übernachtungsplätze herausgesucht, Warmshower Gastgeber, Campingplätze und neu gibt es 1NiteTent, bei jemandem im Garten das Zelt aufstellen, der das auf dieser Webseite anbietet. Alles gut, nun aber beginnt bei mir ein Kratzen im Hals, die Nase fliesst und ich möchte lieber niemanden anstecken. So fahren wir einen Camping an und stellen das Zelt zwischen ein paar Dauercamper im Wohnwagen. So sind die Kontakte draussen und mit Abstand, falls meine Erkältung etwa Corona wäre. Es geht mir aber gut, das Schwitzen hilft sicher, die Bakterien zu dezimieren.
Während einer Pause, gerade bevor es dann zünftig in die Höhe steigen wird, plaudern wir mit einem Mann, der uns den Tipp gibt, einen anderen Weg zu nehmen, zwar etwas mehr Kilometer, dafür weniger Höhenmeter und dann auch noch ein schöner Platz zum campieren in Salem. Es ist toll so gute Informationen zu erhalten. Ich achte ja sehr auf die Höhenmeter und dass die Strassen nicht zu steil hochgehen, aber manchmal wissen die Einheimischen den besten Weg.
Oder auch den besten Platz! Schon etwas müde kommen wir zu einem Dorf, Martin sieht ein Schild: Fahrrad- Werkstatt. Da müssen wir hin, er plaudert mit dem Inhaber übers Radlfahren und fragt beiläufig nach einem Platz zum Übernachten. Zuerst erklärt der Mann uns den Weg (natürlich bergauf) zum Vogelsee, wo ein Bauernhof im Sommer Camping anbietet, etwas später bietet er uns die Wiese hinter seinem Laden an, mitten in einem Wohnviertel. Dankbar nehmen wir an und 10 Minuten später kommt er mit einem Schlüssel für die Werkstatt, damit wir in der Nacht die Toilette benützen können. Eine Stunde später kommt ein Nachbar und erkundigt sich, ob wir etwas brauchen! So nett, dass sich die Leute so um uns kümmern.
Das Allgäu ist hügelig, dauernd fahren wir hinauf und dann wieder runter, und die noch kühleren Temperaturen der ersten Tage sind sommerlich warmen gewichen. Was sich auch in einem abendlichen Gewitter zeigt, das wir aber auf einem fast neuen Campingplatz in Ottenbeuren überstehen.
Schon ist die erste Woche vorbei! Sonntags fahren viele Menschen Rad, und an den kleinen Seen rund um München wimmelt es von Ausflüglern! Wir fliehen in den Wald, wo wir auf zwei ältere spazierende Frauen stossen, die ganz neugierig fragen, was wir vorhaben und sich freuen, dass wir „ihren“ Wald so viel schöner finden als den See.
Die nächste Nacht ist etwas Neues für uns: wir haben uns bei1NiteTent einen Gastgeber ausgesucht, der seinen Garten zum Übernachten anbietet. Seine freundliche Antwort mit Einladung zum Abendessen übertrifft unsere Erwartungen, und der freundliche Empfang, die Gespräche und das Abendessen freuen uns sehr.
Nach einer ruhigen Nacht und dem gemeinsamen Frühstück brechen wir auf, nach München, wo wir am Nachmittag unsere Freunde Antonia und Ernst treffen! Sie werden uns die nächsten 3 Monate begleiten auf dem Fahrrad, quer durch Deutschland! Der erste Tag zusammen beginnen wir mit einer Tour auf dem Rad durch München, wo sie uns alle ihren wichtigen Orte und Plätze zeigen.
Von Genua Richtung Heimat
Es ist trüb bei unserer Ankunft, die Wolken hängen dicht über den Hügeln hinter der Stadt. Schnell kommen wir aus dem Hafen und staunen über den breiten Fahrradstreifen, der das ganze Hafenbecken sicher befahrbar macht. Norditalien hat wirklich schon etwas Fortschritte punkto Fahrradwege gemacht. Wir werden ein paar Tage hierbleiben, die Stadt anschauen und einen vernünftigen (Fahrrad-)Weg hinaus suchen. Wir machen eine Führung in einer alten Villa und erfahren hier viel Spannendes über das Leben in der Stadt in früheren Zeiten. Bei einem Abendbummel am Hafen spüren wir die wieder aufkeimende Lebensfreude der Menschen. Vor ein paar Tagen wurde das Sitzen auf den Terrassen wieder erlaubt. Und viele sitzen auf den Terrassen! Die Stadt hat allen Bars und Restaurants erlaubt, ihre Stühle und Tische auf den Plätzen gratis hinzustellen, und das Angebot wird rege genutzt. Einen Regentag nutzen wir, unsere Route zu planen, den Pass zu finden, der am wenigsten steile Anstiege hat. Das Zimmer ist zwar nicht viel grösser als das Bett, aber wir schaffen es trotzdem, Yoga zu machen!
Und am nächsten Tag fahren wir los, das Val de Trebbia ist unser Wegziel. Da geht es zuerst lange an einem Kanal entlang, raus aus der Stadt, lange auf einem Fahrradstreifen, der uns die genügende Distanz zu den Autos und Lastwagen gewährt. Nach etwa 12 Kilometern beginnt die Steigung, langsam windet sich die Strasse dem Fluss entlang in die Höhe. Der Passo della Scoffera ist auf 677müM, die Wahl ist nicht schlecht, da die ausgebaute SS45 auf der Karte wie eine Autobahn aussieht, aber in Realität eine normale Strasse mit breitem Seitenstreifen ist, auf der wir auch fahren dürfen. Das heisst, dass wir etliche Höhenmeter nicht machen müssen, da es viele Tunnels hat! Das ist zwar auch etwas beängstigend, der Lärm von den Autos ist ohrenbetäubend, aber es hat zum Glück nur sehr wenig Verkehr! So gelangen wir ins Val de Trebbia. Ein bewaldetes Bergtal, das hier am Anfang kaum bewohnt ist. Bald beginnen wir ein Übernachtungs-Plätzchen zu suchen, es ist so schön. Da kommen schon etwas heimatliche Gefühle auf, der Bach ist hier fast wie die Emme zuhause. Und wir finden ein ruhiges Plätzchen im Wald, wo wir Abendessen kochen und in der Abenddämmerung unser Zelt aufstellen. Frühmorgens werden wir vom Gezwitscher der Vögel geweckt und nach dem Yoga in der Natur gibt es den wohlverdienten Morgenkaffee. Wir kommen fast nicht weg, es ist so schön.
Irgendwann fahren wir doch los, es gibt wieder einen wunderschönen Tag, wir sind fast allein auf der Talstrasse, meistens leicht bergab, was wollen wir noch mehr?! Aber dann, die nette Überraschung, etwa um 16 Uhr. Eine eingefallene Brücke, und zwar so kaputt, dass man gar nicht dran denken kann, irgendwie hinüberzukommen. Der kleine Bach heute Morgen hat sich hier schon zum ziemlich breiten Fluss mit rechter Strömung gemausert. Eher ungeeignet um mit den Fahrrädern durchzuwaten. Nachdem wir die ausweglose Situation von oben und unten genau analysiert haben, beschliessen wir, hier das Zelt aufzuschlagen, ein Pasta-Menu haben wir noch dabei. Umwege lieben wir nicht, vor allem, wenn sie fast 20km lang sind und 800Höhenmeter betragen, und das, wenn Feierabend sein sollte. Verschieben wir das Unterfangen auf Morgen!
Aber, manchmal kommt es anders! Ein Lieferwagen mit zwei Männern steht vor der Absperrung, als wir gerade wieder vom Fluss zu unseren abgestellten Fahrrädern hochkommen. Sie begutachten die neue, sich im Bau befindende Brücke. Martin spricht sie an, wir plaudern ein bisschen mit ihnen über den italienischen Staat und seine Arbeitsweise. Sie warten nämlich auch auf die Fertigstellung der Brücke, sie fahren den Umweg täglich. (Die Brücke ist vor zwei Jahren eingestürzt, dann wurde eine Notbrücke gebaut, bei einem Unwetter letzten Herbst wurde die Zufahrt zur Notbrücke durch einen Erdrutsch verschüttet und seitdem müssen alle den Umweg machen, auch Fussgänger und Fahrradfahrer. Die Baustelle darf nicht betreten werden! So krass!)
Die Beiden entpuppen sich als Sonntags-Rennradfahrer, und sie haben Mitleid mit uns. Sie finden auch, dass dieser Umweg eine Zumutung ist mit solchem Gepäck. Sie machen Platz im Lieferwagen, wir schmeissen alle Taschen und die Fahrräder hinten hinein. Dann macht Martin es sich bequem dazwischen, und wir dürfen bis zum höchsten Punkt vom Umweg mitfahren. Es ist ein Bergsträsschen, steil und kurvig und ich bin sehr froh, dass wir da nicht mit eigener Kraft hoch müssen. Ganz oben laden sie uns wieder aus, Martin hat das Schaukeln hinten drin überstanden, ohne seekrank zu werden. Nachdem wir uns ganz herzlich bedankt haben, fahren die Beiden weiter und wir beladen unsere Räder. Unterdessen ist 17 Uhr vorbei, aber es wird ja noch lange nicht dunkel, es ist Ende Mai! Das geniessen wir jetzt besonders! Ein Plätzchen finden zum Übernachten, oder zum Camping, ganz unten im Tal? Eine wunderschöne Abfahrt haben wir vor uns, es hat ein paar Häuser und einige Hänge werden bewirtschaftet. In kurzen steilen Serpentinen geht’s bergab, ein Genuss! So erreichen wir den Talboden und das nächste Dorf, kaufen Früchte, Gemüse und Joghurt ein. Unser Olivenöl ist auch fast alle, ich frage die Frau, ob sie Halbliterflaschen verkauft? Nein, leider nicht. Aber wenn ich eine leere Flasche habe, könnte sie mir die mit ihrem eigenen Öl abfüllen. Wow, Super, gern! Und so erhalte ich ein feines Öl von den Olivenbäumen aus dem Val de Trebbia. Es ist schon 19.30 Uhr als wir auf dem Camping Ponte Barbarino ankommen. Der Besitzer kommt aus seinem Haus und zeigt uns alles. Es hat sogar ein paar andere Leute mit Zelt, einen Radfahrer und zwei junge Frauen mit Auto und Zelt. Bis wir uns eingerichtet, geduscht und gekocht haben ist es dunkel geworden und die anderen sind in ihren Zelten verschwunden. Beim Licht der Laterne essen wir, rekapitulieren den Tag und wissen wieder einmal: Es gibt sooo viele freundliche und hilfsbereite Menschen auf dieser Erde! Vor lauter Glück bleiben wir den nächsten Tag auf dem Platz, waschen Kleider, geniessen den Blick über den Fluss, bei einem Gelato plaudern wir mit dem Besitzer und erfahren von dem Hochwasser vor ein paar Jahren, das den Ponte Barberino heruntergerissen, und den halben Camping überschwemmt hat. Er musste Dämme bauen, damit wenigstens ein Teil des Campings geschützt bleibt. Der Fluss sieht heute harmlos aus, man denkt kaum, dass der so hoch kommen könnte. Das ist die Kraft der Natur!
Die Weiterfahrt führt zurück in die “Zivilisation”, In Piacenza kaufen wir am Markt ein, dann geht’s weiter, in die Po-Ebene. Irgendwann mal erkennen wir eine Brücke, über die sind wir damals auch gekommen, 2019, als wir Richtung Griechenland fuhren! Ja, wir nähern uns langsam der Heimat. Aber nicht auf direktem Weg, wir wollen erst Ende Juni zuhause ankommen. Wir haben die „Via Claudia Augusta“ ausgewählt, dies sei eine der einfachsten Alpenüberquerungen für Fahrräder, haben wir gelesen. Vom Gardasee nach Trento, Bozen, Meran, dann durchs Vinschgau und über den Reschenpass. Da geht’s dann runter ins Engadin und schon sind wir in der Schweiz! Aber halt, wir sind erst in der Po-Ebene! Wie der Name sagt, es ist eben, nur wenn wir auf einen der vielen Dämme fahren, geht es ein paar Meter hinauf. Da fährt es sich schnell und locker. Wir passieren den geschichtsträchtigen Ort Solferino, ein etwas verschlafenes Dorf, wo nur ein riesiger Parkplatz, ein Denkmal und ein Museum auf Gästescharen in normalen Zeiten hinweist. Hier entstand die Idee des Roten Kreuzes, als Henry Dunant 1859 das Elend auf dem Schlachtfeld erlebte und spontan Hilfe für alle Verwundeten in den umliegenden Gemeinden organisierte.
Etwas ist anders als damals im Oktober 2019, als wir bei kühlem Wetter, manchmal sogar Nebel fuhren: Es hat jetzt viel mehr Menschen unterwegs auf den Wegen, vor allem an den Wochenenden wird es schon etwas schwierig, einsame Plätzchen zu finden zum Zelt aufstellen. Die Erfahrungen aus Sizilien helfen uns, und unser Zelt steht ab und zu an Orten, wo wir früher noch nicht gewagt hätten.
Mit etwas gemischten Gefühlen nähern wir uns dem Gardasee, es hat dort sehr viele Campingplätze, (= viele Touristen!) Die Preise werden entsprechend höher, eine Übernachtung kann schon mal mehr als 30 € für uns kosten. Dafür wird der Standard auch höher: Seife und Toilettenpapier sind selbstverständlich, in den Duschkabinen hat es Haken für die Kleider und sogar Ablageflächen, die nicht nass werden! Da erinnere ich mich gerade an einige Duschen in Süditalien….wo das Wasser manchmal auf alle Seiten spritzt, ausgenommen da, wo es hinsollte…
Eines Morgens treffen wir plötzlich auf Unmengen von Radfahrern, der Weg dem Fluss entlang ist bevölkert, so haben wir es noch nie erlebt. Aha, Giorno de la Republica! Die Italiener haben einen freien Tag, es ist schönes Wetter und Fahrradfahren darf man ohne Maske. Und so erleben wir eine richtige Völkerwanderung dem Fluss, durch Peschiera del Garda, und dem südlichen Seeufer entlang. Nicht nur Italiener sind hier vertreten, nein, wir bekommen das Gefühl, wir sind in Deutschland! Und es ist wirklich so, dass hier, wenn in Deutschland Ferien sind, der Gardeasee und seine Umgebung zu einem Stückchen Deutschland wird. Über den Brennerpass ist man mit dem Auto von München aus in 4 Stunden da! Und jetzt gerade sind in Bayern Pfingstferien.
Wir flüchten ins Hinterland, es geht über sanfte Hügel durch Villenquartiere und Weinberge. So gegen 14 Uhr müssen wir auf die Hauptstrasse dem See entlang, wo nun der Verkehr etwas abgenommen hat, weil auch die Autofahrer Mittagspause machen. Auf einem der vielen, recht gut gefüllten Campings am See übernachten wir. Der See präsentiert sich im Abendlicht wunderschön, aber der Strassenlärm ist allgegenwärtig. Hier würden wir nie im Leben Ferien machen wollen!
Die nächste Etappe geht gemütlich bis Arco, einem Städtchen, das sich ganz dem Kletter- und Bergsport verschrieben hat. Wir spüren den starken Wind, der die Windsurfer erfreut, zum Glück kommt er von hinten! Das muss doch erwähnt werden, meistens beklagen sich die Fahrradfahrer ja über den Gegenwind. Das wilde Zelten vergessen wir, hier ist alles überbaut, es hat kaum Rückzugsplätzchen. Dazu kommt, dass wir wirklich etwas achtgeben müssen auf die Gewitter, die angekündigt sind. Da ist uns die Erinnerung an die Gewitternacht im Wald in Süditalien noch stark im Gedächtnis. So etwas wollen wir nicht nochmal erleben. Deshalb fahren wir zu einem Agricamping, klein, mit nur wenigen Stellplätzen, aber es hat noch Platz für uns. Wir müssen zwar einmal umziehen, da jemand einen bestimmten Platz reserviert hat. No problema. Wir bleiben ein paar Tage hier, wir wollen Tomas und seine Frau treffen, die wir bei Mama Colette in Sizilien kennengelernt haben. Wir verbringen einen gemütlichen Abend mit ihnen in einem voll besetzten Restaurant. Wir freuen uns, dass es nun endlich wieder etwas Normalität auch für diese Branche gibt.
Wir lernen ein paar deutsche Kletterer kennen, die oft hierherkommen, um ihren Sport zu praktizieren. Es geht an diesen Wänden bis zu neun (oder sogar mehr) Mehrseillängen! Für mich noch in weiter Ferne, überhaupt an so etwas zu denken. Mir reichen 8-15 Meter Höhe noch lange! Wir lassen das Klettern aber bleiben, wir haben ja kein Material. Ein tolles Gewitter mit Regenguss übersteht unser altersschwaches Zelt, nur die wachsende Pfütze fliesst durch unser Vorzelt ab.
Nun wollen wir noch einen Umweg machen, ins Val di Non, das Apfel- Anbaugebiet. Hier sind nämlich Carla und Leo mit Piri gestrandet, Reisende mit Fahrrad und Hund, seit letzten November hier am Arbeiten. Wir wollen sie besuchen und richtig kennenlernen (wir „kennen“ sie nur über Social Media). Wir nehmen Kontakt auf und erhalten positiven Bescheid, sie freuen sich auch auf uns und wir dürfen sogar bei ihnen übernachten!
Wir fahren also los, biegen ab in die Sarca-Schlucht, über Serpentinen geht’s in die Höhe bis auf einen Radweg, (die alte Bergstrasse) mit spektakulärer Aussicht. Im Canyon del Limaro machen wir Mittagspause, ab hier geht’s wieder bergauf bis zum Lago Molveno. Unterwegs stellen wir uns bei einer Autogarage unter, da ein kurzer heftiger Regenguss alles nass macht. Ein kleiner See lädt zum Verweilen ein, aber hier hat es zu viele Menschen und Verbotsschilder, die explizit darauf hinweisen, dass campieren verboten ist. Noch ein wenig weiter, der Lago Molveno ist da besser, die Ufer sind bewaldet und es hat kaum noch Häuser.
Ein so schönes Plätzchen am See finden wir selten! Ein paar Jogger, ein Hundespaziergänger und ein Biker kommen vorbei, während wir am Kochen sind. In der Nähe versucht ein Fischer, Fische zu fangen. Aber als es beginnt zu regnen, wird es ihm zu nass. Wir spannen die Plache von unseren Fahrrädern zwischen die Bäume und verspeisen unser Abendessen unter dem „Dach“. Leider hört der Regen nicht mehr auf, die Wolken hängen grau in den Bergen. Aber das ist gut, da bleiben die Menschen lieber zuhause. Als es dämmert, stellen wir das Zelt ganz hinten zwischen den Bäumen auf, man sieht es kaum.
Trotz Ruhe und Stille am schönen See habe ich aber nicht so gut geschlafen! Denn: vor ein paar Tagen hat uns ein Frau erzählt, dass sich hier Bären rumtreiben! In Andalo wurde vor zwei Wochen einer im Garten gesichtet und vor ein paar Tagen hat einer einen Bienenstock bei Meran auseinandergenommen, um an den Honig ranzukommen. Ich habe mich im Internet informiert, wie man sich verhalten sollte bei Begegnungen mit Bären. Und dann haben wir fast alles falsch gemacht, was man falsch machen kann! Das schmutzige Geschirr und die Pfanne haben wir ins Zelt reingenommen! Alle Taschen an den Fahrrädern hängen lassen, die stehen etwa zwei Meter neben dem Zelt. Und nirgendwo steht, ob der Urin- Geruch des Menschen einen Bären vertreiben würde. Andere Tiere markieren ihr Revier so… Dann wäre es etwas einfacher! Nun, schlussendlich ist die ganze Nacht kein Bär aufgetaucht, zum Glück!!! Am Morgen um 7 Uhr kommt der erste Jogger vorbei, er staunt nicht schlecht, als er uns sieht, aber dann lächelt er und hebt den Daumen! Toll, was ihr da macht! Das freut uns sehr.
Die Sonne scheint, und während all unsere feuchten und nassen Sachen am Trocknen sind, geniessen wir unsere Yogastunde am Ufer des Sees. Wer hat schon ein so schönes Yogastudio?
Es geht weiter, dem See entlang und dann wieder hinauf, zum nächsten See, zum nächsten Ort. Wir strampeln in die Höhe, so langsam sind wir wirklich fit. Es ist eine Freude! Nach Andalo gibt es eine schöne lange Abfahrt mit tollem Blick ins Val di Non. Da werden an jedem verfügbaren Platz Äpfel angebaut. Nein, keine schönen Wiesen mit Hochstamm Apfelbäumen sind das, es sind riesige Plantagen, wo die Bäumchen in Reih und Glied stehen. Oft mit Netzen überspannt, um die Früchte vor Unwettern zu schützen.
Ganz am anderen Ende des Tals ist Cles, am Lago di Santa Giustina, da wollen wir heute hin.
Bis wir zur SS43 kommen, haben wir die Strasse fast für uns allein und können die Aussicht geniessen. Dann aber gilt unsere ganze Aufmerksamkeit dem dichten Verkehr. Nach ein paar Kilometern biegen wir ab, wir wollen die alte Strasse auf der anderen Talseite ausprobieren, da hat es sicher weniger Autos. Tia, ist nicht unser Glückstag: Baustelle, nach drei Kilometern Strasse gesperrt. Wir fragen einen Anwohner, wie das für Fahrradfahrer ist, und der behauptet, für uns gelte das Verbot nicht. Wir versuchen es also, aber da ist nichts zu machen, ein Stück wurde gerade betoniert und da gibt es wirklich kein Durchkommen. Der Mann auf der Baustelle ist sehr unfreundlich, als wir ihn fragen, ob es nicht doch eine Möglichkeit gäbe die 10 Meter zu umgehen. So unfreundlich, dass ich versuche, ihn zu besänftigen mit den Worten, Fragen kostet ja nichts, oder? Aber er geht nicht drauf ein, meint, wir hätten ja schon unten lesen können, dass es keine Durchfahrt gibt. Naja wir sind aber in Italien, und da gibt es manchmal schon Möglichkeiten, aber das sage ich dann nicht mehr.
Nachdem wir uns mit einem Picnic gestärkt haben, fahren wir wieder auf die andere Talseite, auf die Schnellstrasse, die mit einer langen, hohen Brücke auch die Talseite wechselt, und dann plötzlich: ein Velofahrverbot! Die Fahrradfahrer müssen zwingend auf den Radweg, der sich den Hang hochschlängelt. Dieser Radweg wurde sicher von einer Person geplant, die noch nie mit einem Fahrrad gefahren ist! Die steilen Steigungen sind vielleicht mit einem Mountainbike machbar, (oder E-Bike), wir müssen unsere vollbepackten Räder hochschieben. Aber jede Steigung hat mal ein Ende! Die letzten Kilometer nach Cles müssen wir noch mit Regen rechnen, schwarze Wolken türmen sich bedrohlich hinten im Tal auf. Aber dann schaffen wir es doch, ohne nass zu werden.
Carla und Piri erwarten uns schon! Es ist wie ein Wiedersehen, obwohl wir uns noch nie gesehen haben. Leo arbeitet noch in der Apfelzentrale, wo die Äpfel verpackt und verladen werden. Abends sitzen wir dann zusammen und erzählen uns von unseren Abenteuern. Die zwei machen uns sehr Eindruck, sie sind in Argentinien aufgewachsen, haben italienische Vorfahren, und deshalb das Recht auf einen italienischen Pass, den sie bei der Ankunft in Italien vor etwa drei Jahren erhielten. Sie haben sich zwei Fahrräder gekauft und sind mit einer einfachen Ausrüstung und mit Piri hinten im Körbchen losgefahren, um Italien zu entdecken. Nie haben sie auf einem Campingplatz ihr Zelt aufgestellt, immer haben sie andere Möglichkeiten gefunden! Ihre Freude und Lust an diesem Wanderleben ist ungebrochen, sie freuen sich sehr, wenn sie dann endlich wieder losfahren können! Wir verbringen zwei schöne und intensive Tage mit ihnen. Wir lernen ihre Arbeitgeber undNachbarn kennen und werden zu einem Ausflug an den Lago Tovel mitgenommen. Ein schöner Bergsee, den wir auf einer gemütlichen Wanderung umrunden. Vielen Dank für die schöne gemeinsame Zeit!
Nun werden wir Richtung Meran fahren, und zwar über den Passo Palade. Es sei eine gute Strasse, keine Lastwagen mehr, wird uns versichert. Und wirklich, diese Pass-Strasse ist sehr angenehm für uns, auch die Steigung ist erträglich, manchmal sogar ganz unmerklich. Auch hier ist die Aussicht wunderschön, weckt Erinnerungen ans Emmental. Oben angekommen machen wir das obligate Foto, und dann leisten wir uns den Besuch des Passrestaurants. Falls wir nun beim Weiterfahren ein Plätzchen finden würden zum Zelten, wäre das super. Aber auf dieser Seite des Passes sind die Hänge und Wälder steil, in engen Kurven geht’s runter. Da wo es flache Plätzchen hat, stehen auch gleich ein paar Häuser. Die Aussicht auf die gegenüberliegenden Berge, sogar die Dolomiten, ist unschlagbar. Wir beschliessen, ganz ins Tal zu fahren, nach Nals, wo ich einen kleinen Camping gefunden habe. Aber der ist dann leider noch geschlossen. Die Besitzerin schaut aus dem Fenster, als wir uns beraten, was wir jetzt tun wollen. Nach dem ersten Woher und Wohin beginnen wir zu plaudern, erzählen von unserer Reise und sie erzählt vom letzten Sommer und den Schwierigkeiten mit den Covid Regeln, ihr Mann kommt dazu, sie bedauern, uns nicht aufnehmen zu können. Aber im Nachbardorf hat es auch einen Platz, der ist offen. Wir sind im Trentino- Alto Adige/Südtirol angekommen, hier wird deutsch gesprochen, und auch deutsch gelebt. Es kommt uns ganz komisch vor. Die Radwege sind super ausgeschildert, ich kann meine Karte schliessen und Batterie sparen! Die Zunahme an E-Bike Fahrern ist auffallend. Auf Tagestouren spulen sie Kilometer ab und wir werden mit unserem gemütlichen Tempo manchmal zum Hindernis.
Meran soll sehr schön sein, wir machen einen Abstecher vom Radweg ins Zentrum, essen da italienisches Gelato, setzen uns in einem Park auf eine Bank, aber irgendwie haben wir gerade kein Lust auf Stadt. Deshalb machen wir uns bald wieder auf den Weg, dem Fluss Etsch entlang, der so rauscht und schäumt, dass er manchmal sogar den Autolärm von der nahen, sehr stark befahrenen Strasse übertönt. Bald kommen wir in die Talenge, wo die Etsch auf kurze Distanz fast 200 Höhenmeter runterrauscht, hier schlängelt sich der Radweg in Serpentinen hoch, meistens so, dass ich gerade noch fahren kann! Da hat jemand den Weg geplant, der an uns gedacht hat! Super! In einer grossen Kurve steht ein schöner Brunnen aus Holz, daneben ein riesiger Tisch unter einen Dach und weiter hinten nochmals ein Tisch unter einer schön überwachsenen Pergola. Es herrscht noch ziemlicher Fahrradverkehr, es ist etwa halb fünf Nachmittags. Aber wir haben unser nächstes Übernachtungsplätzchen gefunden! Also, aber zuerst mal viel kaltes Wasser trinken, dann die Umgebung für das beste Plätzchen auskundschaften, Eidechsen und Ameisen beobachten, und wenn gerade niemand da ist, wasche ich mich am Brunnen und ziehe mich um. Gegen sechs Uhr packen wir Kocher und Gemüse aus und beginnen zu schnippeln. Da kommen von oben her zwei vollbepackte Fahrradfahrer, biegen schwungvoll zu uns ein, ja hallo, wie geht’s denn so? Die beiden jungen Menschen, Elsa und Basti, sind auch länger unterwegs, Richtung Süden, Venedig, Sizilien,…Auch sie packen Kocher und Esswaren aus, auch sie haben den Platz zum Übernachten erkoren! Wir kochen zusammen auf dem Tisch, erzählen einander Geschichten aus unseren Leben. Plötzlich ist Basti mit dem Fahrrad verschwunden, und als er wieder auftaucht, hat er vier Flaschen Bier in der Tasche, die er oben in einem Restaurant geholt hat! Was für eine schöne Überraschung! Wir geniessen einen wunderschönen Abend zusammen. Als es dunkel wird nehmen die beiden im Brunnen ein Bad, Martin ist so begeistert, dass er auch noch reinspringt. Ich habe mich schon längstens gewaschen und auf dieses kalte Wasser habe ich sicher keine Lust. Wir bereiten unsere Schlaflager vor, wir im Zelt hinter dem Tisch und die zwei breiten ihre Matten direkt auf dem Tisch aus. Das Rauschen der Etsch begleitet uns in den Schlaf und weckt uns am Morgen zusammen mit dem Vogelgezwitscher wieder auf. Nach dem Frühstück packen wir unsere Taschen und verabschieden uns von den Beiden. Elsa und Basti, wir wünschen euch eine superschöne und interessante Reise weiter in den Süden!!!
Reschenpass wir kommen, noch ein Pausentag in Glurns, einem hübschen kleinen Städtchen mit viel Geschichte, dann geht’s los! Es ist sonniges, warmes Wetter angesagt, deshalb wollen wir früh losfahren, das Frühstück nehmen wir dann unterwegs! Um 7 Uhr sind wir schon auf dem Weg, super! Aber schon im ersten Dorf Laudes/Laatsch steht ein Verbotsschild auf dem Radweg! Gesperrt bis…Umweg über die Hauptstrasse. Wir beraten uns, da kommt eine Frau und sagt, die sind schon fast fertig, morgen wird der Weg wieder aufgemacht, ihr kommt da schon durch. Ok, wir versuchen es! Wir sehen die Arbeiten am Weg, zum Teil wurde er verlegt und ist noch nicht befahrbar, aber der alte Weg ist ja auch da. Aber da, nach einer Kurve, steht mitten drin ein Teerlastwagen und eine Walze, das alte Stück wird neu geteert. Die Arbeiter sehen nicht gerade erfreut aus, als sie uns sehen. Klar, verstehe ich, wir sind ja (wieder mal) durch ein Verbot gefahren. Wir werden angeschnauzt, warum wir uns nicht an das Verbot halten. Sie lassen uns stehen, aber dann machen sie uns doch den Weg frei zwischen der Walze und dem Lastwagen, und wir dürfen weiterfahren. Im Dorf Clusio/Schleis ist die Sperre dann aufgehoben und wir fahren legal weiter. Es geht jetzt nur noch aufwärts, mal mehr, mal weniger steil. Mal schiebe ich, mal kann ich fahren. Wir sind fast allein, zwei Frauen mit Kinderwagen sind aufwärts sehr sportlich unterwegs, einmal kommt uns ein Biker entgegen. Das letzte steile Stück holt noch das Letzte aus uns raus, so langsam bekomme ich Hunger, jetzt muss etwas in den Magen!
Oben im Dorf angekommen, steht da eine grosse Tafel: Der Radweg von Burgusio/Burgeis bis Reschen auf dem Pass ist den ganzen Sommer gesperrt, Umweg über eine Nebenstrasse, quer über die ganze Talfläche auf die andere Seite hoch, alles voll in der Sonne, sicher ein paar Kilometer länger und viel steiler!!!
Via Claudia Augusta, die angenehmste Strecke über die Alpen für Radfahrer…
Ach, wie ich diese Umwege hasse! Solchen Ärger müssen wir sofort mit etwas besänftigen! Kaffee und Croissants im nächsten Restaurant! Die Croissants fallen etwas mickrig aus, später werden wir noch unser Müesli essen. Na denn, weiter geht’s in der Sonne, die jetzt schon etwas höher am Himmel steht. Es sind jetzt schon mehr E-Biker unterwegs, der Schweiss fliesst in Strömen, ich muss jetzt schieben, sonst bekomme ich noch einen Hitzeschlag. Martin kann fahren, er ist etwa 50 Meter vor mir. Und da passiert es: Ein E-Bike Fahrer schaut Martin etwas zu lange nach, in der Kurve kommt ihm eine E-Bike Fahrerin entgegen, er weicht aus, kommt in die Böschung, und dann überschlägt er sich, fällt kopfüber, mitsamt dem Fahrrad in den Graben und bleibt da unten liegen. Schon ist die Bike Fahrerin von ihrem Rad gesprungen, ruft mir zu: Notfall anrufen, dann sehe ich, wie Martin auch schon hinrennt, die Partnerin des Verunfallten ist auch schon da und ich rufe die 112, werde verbunden an den Notfalldienst, die versichern, dass gleich ein Wagen kommen wird…Der Mann ist blutüberströmt, aber bei Bewusstsein, er will sogar aufstehen, was die Frauen versuchen zu verhindern. Bis die Ambulanz da ist, vergehen lange 15Minuten. Sie übernehmen den Mann und schliessen sich mit ihm im Fahrzeug ein. Die Partnerin steht etwas verloren da, sie wartet auf einen Freund, der wahrscheinlich das Fahrrad mitnehmen wird. Ich spreche noch ein Weilchen mit ihr, dann verabschieden wir uns und fahren/schieben weiter. So schnell ist etwas passiert! Diese E-Bikes sind einfach zu schnell, finde ich. Zum Glück hatte der Mann den Helm getragen, der sah ziemlich zerknautscht aus, und die Brille war ja total zerkratzt, überall Blut,….Hoffentlich hat er sich wieder ganz erholt!
In Ultimo, dem nächsten Dörfchen, dürfen wir unsere Flaschen mit dem kühlen Wasser eines Bauern füllen, und essen ein Müesli im Schatten. Noch steile hundert Höhenmeter, dann sind wir oben, Juhuui! Auf dem Weg dorthin begegnen wir einem Mann, der gerade von seinen Schafen auf dem Feld kommt. Er spricht uns an und er erzählt vom Winter hier, und wie schön es für ihn sei, hier zuhause zu sein. Die Pause am Schatten tut gut, die letzten Meter noch, dann sind wir auf dem höchsten Punkt des Weges, 1546 müM. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl in mir, ich habe es mit eigener Kraft geschafft!
Gebührend feiern wir diesen Erfolg!
Wir entdecken etwas Neues
Die Zeit bei MammaColette vergeht im Flug. Wir machen täglich Yoga unter Palmen, manchmal macht auch Samira mit, ein Mädchen von einer Familie, die hier mit dem Wohnmobil steht.
Ausflug mit Werner nach Trapani, Eis essen. Leider ist es noch ein bisschen trostlos, weil Zona arancia ist und nur wenige Menschen unterwegs sind in den Gassen.
Nach Tagen mit Regen und Windböen bis zu fast 70km/h gibt es zum Abschied noch eine Riesenpizza!
Unser nächstes Ziel ist El Bahira in San Vito lo Capo, ein Wander- und Kletterparadies. Viele der Leute, die wir diesen Winter kennengelernt haben, waren schon da zum Klettern.in zwei Tagen fahren wir dorthin, es ist eine schöne Stecke und wir haben einen wunderschönen Platz zum Übernachten!
Wir lernen Erika und Hansruedi kennen, Schweizer, die vor kurzem das Klettern für sich entdeckt haben. Sie stecken uns an mit ihrem Enthusiasmus, wir besuchen sie an der Felswand, schauen ihnen zu. Und als Erika mich einlädt, es doch auch mal zu probieren, stehe ich auf und bin, ohne viel zu Überlegen in der Wand. Und klettere mit viel Unterstützung und Hilfe bis zum obersten Haken 11Meter hoch! Das Herunterkommen braucht dann etwas Überwindung. Die Angst ist gross, loszulassen, mich von der Wand zu lösen und mich dem Seil zu übergeben. Es ist gar nicht einfach für mich. Im Gegensatz Martin, der hochklettert und abseilt wie ein Profi in einem Bruchteil der Zeit, die ich gebraucht habe.
Aber das Gefühl danach ist einfach überwältigend! Da habe ich gerade wieder etwas ganz Grosses gelernt, ich bin ja mutig! Die nächsten Tage sind wir nun immer wieder irgendwo bei einer Kletterroute, die Erika für uns ausgesucht hat und klettern verschiedene Wände hoch. Dank den Beiden dürfen wir diese tolle Sportart richtig kennenlernen. Sie teilen ihr Wissen mit uns und wir haben eine grossartige Zeit zusammen, auch neben dem Klettern.
Die Zeit vergeht im Fluge, schon zwei Wochen sind wir da! Langsam denken wir ans Weiterfahren, nach Palermo, wo wir eine Fähre nach Genua gebucht haben. Ja, so langsam geht es Richtung Heimat, wir haben uns entschlossen, ein paar Monate nach Hause zu fahren. Wir wollen wieder einmal unsere Kinder, die Familie und Freunde sehen. Die Covid Situation lockert sich langsam und wir können besser reisen.
Aber vorher fahren wir nach Isola delle Femmine in der Nähe von Palermo. Es gibt ein Wiedersehen mit Francesca, wir lernen Susanne kennen, und Werner mit Trixi ist auch da. Von hier aus kann man mit dem Zug nach Palermo fahren, das machen wir an zwei verschiedenen Tagen und versuchen, die Stadt ein bisschen kennenzulernen. Schon bald wird es gelbe Zone, die Bars dürfen dann endlich wieder Tische auf die Strasse stellen. Es hat schon Strassenmusiker und wir geniessen mit vielen anderen Menschen das schöne Wetter und diese besondere Stimmung voller Vorfreude.
Wie geht es uns?
Lange habe ich nichts mehr geschrieben, Pause gemacht. Aber wenn man sesshaft ist, braucht man auch nichts zu schreiben. Einmal im Januar sind wir mit starkem Gegenwind umgezogen, 75km weiter, nach Marina di Ragusa, auf einen andern Camping, in einen andern Wohnwagen. Fast vier Wochen lang waren wir ganz allein da, dann kamen unsere Yoga-Freunde, die wir früher kennengelernt hatten. Und dann kamen die Bekannten von den Freunden und so wurden wir immer mehr, eine kleine Community bildete sich. Wir machten morgens Yoga, gemeinsame Spaziergänge ins Naturschutzgebiet am Meer und abends sassen wir oft gemütlich um ein grosses Feuer.
An den Wochenenden im Februar gab es ein paarmal eine Invasion von Italienern, als Zona gialla war und die Leute sich freier bewegen durften. Da war auch im Dorf etwas los, die Terrassen der Restaurants waren geöffnet, es herrschte fast ein bisschen Normalität. Aber dann gab es wieder stärkere Einschränkungen, die Zonen wurden wieder orange und dann rot. Wind, Regen und eine unangenehme Kälte liessen uns auf den Frühling warten.
Auf einem unserer Fahrrad-Ausflüge lernten wir ein Schweizer Paar kennen. Sie waren letztes Jahr im Juni nach Sizilien ausgewandert, da sie ihre geplante Weltreise mit dem Fahrrad nicht antreten konnten. Wir wurden von Ihnen herzlich eingeladen, ein paar Tage zu ihnen zu kommen, wir haben dann die Ostertage gewählt, um sie zu besuchen. Florian, ein Mitbewohner auf dem Camping, nahm uns in seinem Wohnmobil mit bis nach Grammichele, einem Städtchen, das im Hinterland liegt. Der Höhenunterschied war spürbar, vor allem die Temperaturen nachts waren merklich kühler. Wir verbrachten eine schöne Zeit mit den Beiden, zweimal besuchten wir den Markt, gingen in wunderschöne Wälder wandern und machten Touren mit den Fahrrädern. Jeden Tag kochten wir leckere Menüs und hatten viele interessante Gespräche. Wir durften in einem richtigen Bett schlafen, nach den Monaten in dem kleinen Wohnwagen mit zu kurzem Bett war das ein richtiger Luxus!
Daniela hat mir in zwei super intensiven, therapeutischen Sitzungen meinen Rücken wieder „zurechtgerückt“, da hatte sich ein Beckenschiefstand breitgemacht, dessen schmerzende Auswirkungen ich schon als Alterserscheinung akzeptiert hatte. Es geht dem Rücken nun wieder recht gut, ich gebe mir Mühe, dass es so bleiben wird. Yoga am Morgen und viel Dehnübungen für den Piriformis und den Iliopsoas, diese beiden heimtückischen Muskel, die sich so gern verkürzen und sich kaum mehr dehnen lassen!
Am Donnerstag, dem 8. April, sind wir dann richtig, vollbeladen mit allem Gepäck, losgefahren. Die Sonne schien und wir wussten, dass wir mindestens 2-3 mal wild zelten durften. Das Zelt ist übrigens immer noch das Alte, geflickt mit Panzer-Tape muss es noch etwas durchhalten!
So eine Freude, durch das Land zu fahren, die Blumen am Wegrand zeigen, dass der Frühling wirklich angefangen hat, obwohl die Temperaturen noch ein bisschen tief sind. Meine Bedenken, dass die Steigungen vielleicht zu anstrengend sein könnten, lösen sich recht schnell auf, wir haben eine gute Strecke gewählt für den ersten Tag. Schon um die Mittagszeit sehen wir, dass wir viel mehr Kilometer fahren können als geplant. Gut so! Wir fahren an grossen Feldern voller Feigenkakteen vorbei, die werden hier richtig kultiviert. Später dann wieder Oliven- , Orangen- oder Zitronenbäume, die wir schon von weitem riechen können, da sie nämlich in voller Blüte stehen und einfach wunderbar betörend duften!!!
In einem kleinen Tal finden wir gegen vier Uhr einen geeigneten Schlafplatz, zwar nicht so gut versteckt, aber die Menschen müssen ja auf die Strasse achten, es hat viele Kurven und so nehmen wir an, dass uns nur wenige sehen werden. Wir sind in Agrikulturland, Wein und Gemüse wird hier angebaut. Die meisten Bauernhäuser sind verlassen, die Dächer eingefallen, Sträucher, ja ganze Bäume wachsen drinnen. Wer will schon so abgelegen wohnen?
Wir kochen unser Abendessen und geniessen es, dass es erst um acht Uhr finster wird, wir haben endlich wieder viel Zeit, bis wir unser Zelt aufstellen können. Die Nächte sind endlich wieder kürzer als die Tage. Sommerzeit!
Kurz vor Sonnenaufgang erwache ich, die Sonne scheint genau an unser Zelt, das natürlich pitschnass ist vom Morgentau! Wir geniessen den ersten „wilden“ Kaffee und das Frühstück am Wegrand. Als ein Bauer vorbeifährt, grüsst er freundlich, wie wenn es ganz normal wäre, dass hier Leute eine Nacht im Zelt verbringen. In Ruhe packen wir zusammen, die Sonne hat alles getrocknet. Nun geht es einige Kilometer den Berg hinauf. Ich habe schon am Vortag gemerkt, dass mein Knie etwas Mühe hat, zuerst das rechte, dann durch die Kompensation mit dem linken Bein spürte ich dann auch das linke Knie. Aber abends war alles wieder gut, deshalb hoffe ich, dass ich ohne Probleme weiterfahren kann.
Im Dorf angekommen, kaufen wir in einem Supermarkt ein, dann geht’s zum Friedhof, Wasser auffüllen. Der Mann am Tor will uns zuerst weismachen, dass der Friedhof geschlossen ist, aber ich habe die Tafel schon gesehen, wo die Öffnungszeiten stehen. So nehme ich alle unsere Flaschen in den Arm und gehe hin und zeige ihm, dass wir Wasser auffüllen wollen. Da lässt er mich rein, natürlich habe ich die Maske auf und den Helm aus Respekt ausgezogen. Er zeigt mir sogar, wo der Wasserhahn ist. Bei Sonnenschein fahren wir rauf und runter durch die Hügel, an kleinen Dörfern und Städtchen vorbei. In einem Tal machen wir eine Pause am Fluss, jetzt geht es wieder bergauf, und mein Knie signalisiert mir, dass es nicht mehr lange mitmachen wird. So entschliessen wir uns nach ein paar Kilometern, oben einen Platz anzuschauen, den ich schon als Schlafmöglichkeit markiert habe. Es ist eigentlich noch recht früh am Nachmittag, aber wir haben ein Riesenglück. Es ist der perfekteste Platz, den wir je hatten! Eine Terrasse, ganz flacher Boden und Sonne am Abend und sicher auch am Morgen früh. Zwar kann man uns hier von dem Strässchen aus sehen, aber der Verkehr ist minim. Wir geniessen die Sonne, den Abend und die Nacht, obwohl man die Strasse unten im Tal recht gut hören kann, es ist eine fast 2km lange Brücke, die da unten steht, aber nach 22 Uhr hat es auch dort kaum mehr Verkehr. Am Morgen frühstücken wir und machen Yoga, während unser Zelt und die Schlafsäcke trocknen. Ja, es war sehr kalt diese Nacht, es hatte sogar Rauhreif an unseren Taschen, die wir draussen am Fahrrad hängen liessen!
Die Fahrt dann über die lange Brücke ist etwas gruselig, ich muss immer an die Brücke von Genua denken, die eingestürzt ist. Hoffen wir, dass heute nichts passiert. Wir peilen das Meer an, so langsam wollen wir wieder in wärmere Regionen. Das heisst, es geht vor allem abwärts, wunderbar. Die Landschaft ist sehr abwechslungsreich, viel schöner als der Küste entlang, wo sehr viele Gewächshäuser stehen.
Agrigento ist unser Ziel, diese Nacht schlafen wir auf einem Campingplatz. Und hier erwartet uns eine kleine Überraschung: Wir schauen uns gerade einen Platz zum Zelt aufstellen an, da kommt ein Mann, spricht deutsch mit uns und bietet uns sein Zelt an. Es sei viel grösser und komfortabler als unseres, sagt er, obwohl er es noch gar nicht gesehen hat. Wir finden später heraus, dass er das Zelt für sich gekauft hat, aber dann wurde es so kalt, dass er ein Bungalow gemietet hat. Und er schafft es nicht mehr, das Zelt zusammenzufalten! Die Stangen sind super biegbar. Auf sein Drängen hin nehmen wir das Angebot an, schon bald steht die „Villa“ da. Schön geräumig ist es schon, aber drin stehen kann man nicht. Den Abend verbringen wir dann trotzdem draussen, es ist viel wärmer als die Nacht vorher. Wegen meinem Knie legen wir einen Ruhetag ein. Martin sucht im Internet nach einer Bedienungsanleitung für das Zelt, damit wir es dann in seine Hülle kriegen. Leider können wir in Agrigento das Valle dei Templi nicht besichtigen, immer noch ist alles geschlossen, obwohl der Tempel draussen steht. Nun, wir machen ein Foto aus weiter Ferne, vielleicht ist das nächste Mal, wenn wir hier vorbeikommen, wieder offen.
Heute ist der Tag der Umwege, schon am Anfang ist die grosse Strasse gesperrt und der ganze Verkehr geht über eine kleine Provinzstrasse. Aber wie so oft verliert sich der Verkehr, sobald wir etwas weg von der Stadt sind, und bald sind wir allein unterwegs. Wir erreichen die „Scala dei Turchi“,strahlend weisse Felsenklippen. Aber auch hier, alles menschenleer und geschlossen. Wir blicken zweimal von oben auf den imposanten Felsen, der wie eine riesige Treppe ins Meer führt.
Weiter geht’s und bei einer Abzweigung steht so ein Gitter mit Fahrverbot auf der Strasse, bei Kilometer 5+590 ist kein Durchkommen mehr. Sollen wir das riskieren? Vielleicht ginge es ja für die Fahrräder? Aber vielleicht ist es eine Brücke, die eingefallen ist? Wir suchen einen anderen Weg, 5 Kilometer (aufwärts) sind uns zu viel, falls wir wieder umkehren müssten. nun haben wir eine Steigung vor uns, die zwar kurz, aber wirklich sehr steil ist. Ich schiebe mein Fahrrad im Zickzack hoch, während Martin voll geradeaus hochschiebt. Die tolle Aussicht belohnt uns für die Mühen.
Die Strecke ist wunderschön zum Fahren, auf und ab, an kleinen Dörfern vorbei, es hat sogar eine Wasserstelle, wo wir unsere Flaschen auffüllen können. Für ein paar Kilometer müssen wir dann noch auf die Nationalstrasse, dann biegen wir ab, Richtung Meer, wo es eine schöne Pineta hat. Wir entdecken schon vorher einen Eukalyptuswald, der auch Schutz bieten würde, aber zuerst schauen wir mal da vorne, vielleicht können wir mal ganz in der Nähe vom Meer zelten? Es ist eine Riserva naturale, das Tor ist geschlossen, aber ein Fussweg und zwei Autos vor dem Tor signalisieren uns, dass man hinein kann. Wir fahren durch die Riserva, begegnen einer Familie und später noch einem Paar, die hier spazieren. Wir finden auch den Weg ans Meer, aber der ist so sandig, da wollen wir unsere schweren Räder nicht hinschieben. Ausserdem geht ein ziemlicher Wind, es würde wahrscheinlich unangenehm kühl am Strand. So ziehen wir an die Rückseite des Waldes und finden neben einem Rebenfeld unseren Platz. Wir sind umzingelt von Disteln und Kakteen, ja sogar Brennnesseln hat es! Es ist aber wieder ein schöner und ruhiger Platz und wir schlafen sehr gut.
Der nächste Tag ist ein Schnellstrasse-Tag, wir müssen viele Kilometer auf der SS115 fahren, da es kaum Alternativen hat, dafür sind wir auch ziemlich schnell. In einem Städtchen halten wir um die Mittagszeit an, es riecht hier verführerisch nach Kebab. Die Entscheidung fällt nicht schwer, wir leisten uns ein leckeres Mittagessen. In einem Supermarkt füllen wir unsere Vorräte auf, die nächste Nacht sind wir irgendwo an der Via Bici, einer stillgelegten, für Fahrräder zurechtgemachten Eisenbahnlinie. Wir wollen sie von Anfang an, vom Meer aus benutzen. Aber da ist beim Eingang ein grosses Tor mit hohem Zaun links und rechts, da gibt es kein Vorbeikommen. Wir müssen also noch den Hügel hoch auf der Strasse, um in die „Via“ einzubiegen und wieder Richtung Meer zu fahren, bis wir einen geeigneten Platz finden. Wir müssen nicht weit, in der Nähe der eingefallenen Station bleiben wir, auf einem fast nicht mehr sichtbaren Feldweg, mit eingetrockneten Spuren von Schafen oder Ziegen. Man kann uns auch hier sehen, aber wer fährt hier schon an einem Dienstagabend noch auf dem Fahrrad ans Meer? Aber wir täuschen uns, es gibt wirklich noch ein paar Leute, die vorbeifahren, aber sie sind so auf den Weg oder ins Gespräch vertieft, dass sie uns nicht sehen. Es ist schon verrückt, man muss sich gar nicht so gut verstecken, die meisten Menschen schauen nicht so genau auf ihre Umgebung.
Die Nacht ist ruhig, am Morgen kurz vor sieben Uhr kommen ein paar Walkerinnen, sie plaudern und sehen uns nicht! Der einzelne Mountainbike-fahrer sieht uns auch nicht, erst die Spaziergängerin mit Hunden sieht uns und blickt ganz erstaunt, aber da kommt plötzlich ein Auto gefahren, natürlich viel zu schnell, und sie hat alle Hände voll zu tun, dass ihre Hunde nicht überfahren werden. Die Fahrverbote gelten hier halt nicht für alle!
In Menfi kaufen wir am nächsten Tag ein, nachdem wir die schöne Strecke auf der „Via“ hinaufgefahren sind. Das Ende ist etwas abrupt, Ein grosser Weinhändler hat sein Areal mit dicken Eisentoren abgesperrt. Wir müssen umkehren und ein paar hundert Meter durch einen Feldweg auf der Hauptstrasse ins Städtchen fahren. In der Bäckerei eine kleine Überraschung: Die Frau kann deutsch, sie ist in Luzern aufgewachsen. Wir plaudern, ich erzähle über unsere Reise und sie bewundert mit ihrer Kollegin unseren Tatendrang. Mit vielen guten Wünschen und einem frohen Herzen verlasse ich das Geschäft. Diese Begegnungen sind so rar geworden in dieser Zeit!
Wir fahren noch ein Stückchen auf der „Via“, dann ist sie leider kein Fahrradweg mehr und endet an einer rostigen, verschlossenen Eisenbahnbrücke. Deshalb nehmen wir wieder die Strasse. Und wieder steht da an einer Kreuzung ein Gitter mit Fahrverbot. Was wollen wir tun? Weiterfahren? Umweg? Ein Auto fährt gerade vorbei und ich frage die Lenkerin, ob wir mit den Fahrrädern durchkommen würden? Nein, die ist seit drei! Jahren schon kaputt, ein Erdrutsch hat die sie verschüttet! Ja dann müssen wir den Umweg machen. Auch hier wieder über eine kleine steile Zufahrtstrasse zu einem Hotel hoch… ich schiebe wieder! Da treffen wir auf ein österreichisches Paar, sie haben in der Nähe ein Haus gemietet, sie sind digitale Nomaden, leben mal hier mal da, eigentlich wären sie in Panama angemeldet…Es ist schon interessant, was für Leute man so in Sizilien antrifft. Wir sind ganz nahe an Selinunt, eine griechische Ruinenstadt direkt am Meer, leider geschlossen. Auch hier, das nächste Mal haben wir mehr Glück! Auf einem Camping, der zwar offen ist, aber dann doch nichts funktioniert. Die Duschen haben kein Wasser, das Licht in den sanitären Anlagen geht nicht und die Wasserleitungen sind plötzlich auch leer. Naja, da hätten wir auch gerade nebenan auf dem Parkplatz frei zelten können!
Wir freuen uns auf den nächsten Übernachtungs-Ort, bei MammaColette. Sie hat ein B&B mit viel Land an der Lagune kurz nach Marsala. Ein Stück hat sie an eine der vielen Kite-Schulen hier vermietet. Die Zimmer hat sie durch die Cavid Situation kaum vermieten könne, und seit letzten Herbst nimmt sie nun auch Camper auf im Winter. Ab Mai ist dann das Gelände fest in Kiters Händen. Sie ist (noch) ein Geheimtipp unter den Campern, und wir werden hier einen unserer Freunde von Marina di Ragusa wieder treffen. Aber zuerst müssen wir noch hinfahren. Am Nachmittag solls regnen, deshalb starten wir ohne Yoga unseren Tag. Packen und fahren, trotz Wolken und Wind. Aber halt, der kommt heute glücklicherweise von hinten!
So kommen wir zügig voran. Kurz vor Marsala machen wir Mittagspause in einem Quartier auf einem Parkplatz. Es hat einigen Verkehr, Autos biegen in die Nebensträsschen ab, da hält plötzlich einer an, die Scheibe runter und wünscht uns laut: Buon Appetito! Wir zurück: Molto Grazie, und winken! 10Minuten später kommt ein älterer Herr um die Ecke, trägt eine Flasche in der Hand und kommt zu uns an den Tisch. Er habe solche Freude uns zu sehen, er wolle uns diese Flasche geben, wir sollen dann ein Gläschen trinken nach dem Käse essen! Aber nur wenig, sonst werde es uns dann schwindlig! Und schon verabschiedet er sich und geht um die Ecke davon. Wir sind völlig überrumpelt und es kommt uns vor wie ein Spuk! Aber es ist wirklich echt, der Mann hat uns eine Flasche Marsala geschenkt, einen Likör, der hier gemacht wird. Wahnsinn! Genau diese Überraschungen machen uns sehr glücklich und wir freuen uns sehr, dass wir das erleben dürfen.
Bei MammaColette werden wir herzlich empfangen und wir dürfen in ihrem Gartenhäuschen unser Zelt aufstellen. Die nächsten Tage ist das Wetter ziemlich durchzogen, viel Wind, (das freut die Kitesurfer) aber auch Regenschauer. Deshalb werden wir ein paar Tage hier verbringen, mit Werner und seinem Hund Trixi und den anderen Menschen hier.
Zwischen Avola und Noto
Ende Oktober erhalten wir das Angebot von Alberto, dem Besitzer des Campingplatzes, seinen alten Wohnwagen zu mieten, der da schon länger leer steht. Das sei doch besser als eine Wohnung zu mieten, wo wir bei einem Lockdown (der bei den steigenden Covid19 Zahlen auf Sizilien wieder droht) ganz alleine sein würden ohne Kontakt zu anderen Menschen. Nach einer ersten Besichtigung und Beschnüffelung, bin ich einverstanden, das ist doch wieder mal etwas Neues! Noch muss Alberto aber den Wohnwagen ausräumen, auslüften und putzen, die undichten Fenster an der Front verschliessen, damit er bewohnbar wird. Wir sind unterdessen in unserem Zelt noch sehr gut aufgehoben. Die Sonne scheint, die Temperaturen steigen tagsüber immer noch auf 22-24 Grad, was wollen wir mehr? Wir fahren ein bisschen in der Umgebung herum, lernen die Städtchen kennen und gewöhnen uns wieder einmal ans Sesshaft sein. Das Meer ist in 10 Minuten zu Fuss erreichbar, je nach Wind hört man das Rauschen der Wellen in der Nacht.
Mit unseren Mitbewohnern auf dem Platz freunden wir uns an, Martin beginnt, täglich mit zwei anderen Männern Dart zu spielen. Abends sitzen wir manchmal bei Pizza und einem Glas Wein zusammen und diskutieren, dabei verbessern wir oft die ganze Welt. Als die Nachricht „Zona arancia“ kommt, macht das uns kaum etwas aus. Wir dürfen unsere Gemeinde Noto nicht mehr verlassen, die Restaurants alle Museen und archäologischen Stätten auch) müssen schliessen, es gibt eine nächtliche Ausgangssperre. Aber wir sind hier gut aufgehoben und brauchen weder nächtliche Ausgänge, Restaurantbesuche oder Ausflüge. Noto ist eine sehr grosse Gemeinde, 7 km von unserem Campingplatz entfernt, die Grenzen verlaufen weit hinten in den Hügeln. Nur nach Avola dürfen wir nicht mehr, das wäre zum Einkaufen etwas weniger weit.
Freunde von uns (Ernst und Antonia) waren schon weitergefahren, sie wollten sich Sizilien ansehen. Als ich ihnen von den Einschränkungen schreibe, beschliessen sie, wieder zurückzukommen. Die beiden haben anfangs 2020 ihr Geschäft verkauft, wanderten dann fast bis ans Meer in Italien. Covid19 hat auch ihre Pläne durchquert, so sind sie jetzt mit ihrem Wohnwagen in Sizilien und überwintern. Mit den Beiden beginnen wir jeden Tag mit 20-30 Minuten Yoga, das tut gut! Oh, sind wir aber steif geworden!
Am 16. November können wir in „unseren“ Wohnwagen einziehen. Am Morgen machen wir uns daran, unsere Sachen aus dem Zelt zu räumen. Das provisorische Küchenregal zügeln wir zum Wohnwagen, die Kisten werden umgebaut zu einem Gestell für den Gasherd.
Der Wagen ist alt, die Gasleitungen sind nicht mehr zu gebrauchen, wir werden draussen auf einem Gasherd kochen. Dann eine Überraschung: den Wassertank suchen wir vergebens, der wurde schon vor langer Zeit mitsamt der Wasserpumpe ausgebaut. Also auch kein fliessend Wasser im Wagen. Macht nichts. Aber die Toilette kann man auch ohne Wassertank und Pumpe benützen. Im Notfall!
Zum Heizen besorgen wir uns einen kleinen elektrischen Keramik-Heizlüfter. Der „Senator“ ist zwar ein grosser englischer Wohnwagen, mit Ost- und Westflügel (es wird schon gewitzelt darüber) und absolut ein Upgrade für uns, nach den vielen Wochen im Zelt! Aber immer noch klein genug, um mit einem kleinen Heizlüfter eine wohlig warme Raumtemperatur zu erreichen. Jaja, es soll in Sizilien auch kalt werden.
Nun müssen wir nur noch das Zelt ein bisschen putzen, da wir es für 2-3 Monate nicht brauchen. Mit dem feuchten Lappen und Schwamm entfernen wir Staub, Schmutz und Flecken. Und da passiert es: Ein reissendes Geräusch und quer über das Vorzelt zieht sich ein mindestens 30cm langen Riss!!! Wir wissen, dass unser Zelt schon ein bisschen lange an der Sonne stand, aber dass der Stoff dann so schnell reisst, bei einer so sanften Behandlung…nicht auszudenken, wenn uns das vor einigen Wochen beim letzten Gewittersturm in der Nacht passiert wäre!
Wir haben ja schon ein paar kleine Risse von den spitzen Krallen der Katzen, die versucht haben einzudringen, aber der Stoff hat nie so nachgelassen. Ripstop! Haben wir gedacht! Nach einigen Tagen und Korrespondenz mit „unserem“ Outdoorladen in der Schweiz wissen wir: ganz normale Abnützung, vor allem die UV Strahlung zersetzt mit der Zeit den Stoff, so dass er so spröd wird und irgendeinmal reisst. Nun, wir haben ja zum Glück Zeit, uns das weitere Vorgehen zu überlegen.
Der Zeitpunkt für den Umzug ist genau richtig. Die erste Nacht gewittert und schüttet es wie verrückt. Wir sitzen hellwach da. Das ist ja ein Riesenlärm, dieses Getrommel auf dem Dach! Mitten in der Nacht untersuchen wir, ob es irgendwo reinregnet, aber Glück gehabt. Beruhigt legen wir uns schlafen und nach einer Weile wirkt das Trommeln sogar richtig einschläfernd! Jedenfalls erwachen wir am nächsten Morgen erst kurz vor neun Uhr!
Wir geniessen es, wieder einmal mit drei Pfannen gleichzeitig zu kochen, die Eintöpfe von unterwegs lassen wir jetzt ruhen. Die verschiedenen Weine aus der Gegend müssen wir natürlich probieren, der Nero d’Avola hat einen guten Ruf. Und für Apéro oder Verdauungshilfe haben wir auch etwas im Schrank!
Das Wetter bleibt eine Weile unbeständig, dafür gibt es wunderschöne Stimmungen am Himmel.
Die Zeit vergeht im Flug, Schon dürfen wir wieder Ausflüge machen, die Zahlen der Infektionen mit Covid19 haben sich vermindert auf Sizilien und wir werden wieder zur Zona Gialla erklärt. Mit Ernst und Antonia fahren wir nach Syrakus, wir möchten gerne dort die Ausgrabungen anschauen gehen, griechische Tempel und Theater, Römische Ruinen und ein Museum. Aber wir stehen vor geschlossenen Toren, diese Stätten bleiben geschlossen. Also lassen wir das Auto stehen, laufen durch die Stadt, besichtigen ein paar Kirchen von aussen, essen in einer Pasticceria ein paar Süssigkeiten, flanieren durch die Gässchen der Altstadt, der Isola Ortygia, besuchen die Kathedrale, die in die Säulen eines griechischen Tempels reingebaut wurde. An der Lungomare Alfeo, wo man den Sonnenuntergang geniessen kann, setzen wir uns in eine Bar und machen genau das, mit einem Apéro und ein paar Kleinigkeiten zum Essen. Von diesem Ausflug können wir wieder ganz lange zehren! Die Beiden fahren nämlich weiter, sie wollen wild stehen und Sizilien kennenlernen.
Es fahren ein paar andere Leute im Camper her, mit einigen haben wir sofort Kontakt, andere fahren nach ein paar Tagen weiter, ohne dass wir sie überhaupt gesprochen haben.
Wir lernen Menschen kennen, die ein so erfülltes Leben haben, jedes immer wieder anders. Es kommt mir manchmal vor, wie wenn ich in einem Buch mit vielen Biographien lesen würde, aber diese Menschen sind real vor mir. Und alle haben einen eigenen Weg gewählt, um ihr Leben zu leben.
Das sesshafte Leben tut gut, gerade in dieser etwas unsicheren Zeit, in der immer wieder das Virus alle Pläne durchquert. Wir leben von Tag zu Tag, die Zahlen in der Schweiz steigen und wir wissen, wir können und wollen nicht heim. Obwohl wir gerne unsere Kinder, Familie und Freunde wieder einmal in den Arm nehmen möchten!
Wir feiern in kleinem Kreis Weihnachten und den Jahreswechsel, essen gemeinsam im Pavillon. Wir sind noch 9 Personen auf dem Platz. Italien wird zur Zona Rossa erklärt, niemand sollte herumreisen über die Feiertage. Wir dürfen den Camping nicht verlassen, ausser für die lebensnotwendigen Dinge. Sport gehört jetzt auch ganz offiziell dazu. Das nützen wir und wandern am Strand entlang oder fahren mit unseren Fahrrädern eine Runde in der Gegend. Schliesslich muss man die weihnächtlichen Mahlzeiten verdauen.
Die Zeit vergeht uns im Flug, schon bald ist Frühling und wir können wieder losfahren. Wir freuen uns darauf!
Endlich Sizilien!
Ich muss vorausschicken, dass wir schon länger in Sizilien angekommen und (temporär) sesshaft geworden sind! Ich erzähle hier, was uns auf der Fahrt hierher so alles passiert ist!
Die Zahlen der Coronafälle in Italien sind Mitte Oktober zwar noch nicht so hoch, trotzdem werden neue Massnahmen angekündigt, z.B. Maske tragen auch im Freien. Zum Glück noch nicht fürs Fahrradfahren. Aber eingangs der Dörfer und Städtchen ziehen wir uns die Masken an, und wenn wir draussen sind wieder ab. Wir haben die Befürchtung, dass es noch strengere Regulierungen geben wird. Wir möchten jetzt so schnell wie möglich nach Sizilien kommen, bevor die Insel vielleicht keine Touristen mehr reinlässt.
Wir brauchen noch 2-3 Tage, bis wir Reggio Calabria erreichen, je nachdem wie viele Kilometer wir fahren. Die Strasse ist nur wenig befahren, es gibt hier einen Abschnitt fertiggestellte Autobahn, die später abzweigt auf die andere Seite des Stiefels und dort weiter bis Reggio. Und nach Locri hat es wirklich kaum noch Lastwagen nur in den Städten den „hausgemachten“ Verkehr. Bei einem Agriturismo halten wir an, da sollte es laut der App „Park4night“ möglich sein, zu campen. Und wirklich, wir dürfen unser Zelt hier aufstellen. Eine ziemlich ältere Dame begrüsst uns im leeren, geschlossenen Restaurant, sie nützt die Gesellschaft der Putzfrau für ein Plauderstündchen. Sie ist erfreut, dass wir dableiben wollen, lädt uns zu einem Cafe ein, diesem Schluck heissen, schwarzen Getränk. Es erstaunt uns immer wieder, wie gut der schmeckt. Sie lässt es sich nicht nehmen etwas mühsam am Stock zwar, mit uns zu der grossen Wiese zu gehen, und uns zu zeigen, wo wir unser Zelt aufstellen können. Drüben beim Fussballplatz hat es eine kleine Garderobe mit Toiletten und Duschen, die wir benützen können. Zwar ist alles schon längere Zeit nicht geputzt worden, aber wir können schon gut über den Schmutz hinwegsehen. Bei einer der Toiletten läuft das Wasser (seit Tagen?). Martin öffnet den Spülkasten und repariert das Ding. Die Duschen funktionieren gut, es hat sogar heisses Wasser. Schön! Wir stellen unser Zelt neben das Gebäude, geniessen die letzten nachmittäglichen Sonnenstrahlen, während auf dem Gelände nebenan die Olivenernte voll im Gang ist.
Gegen Abend kommt der Besitzer zu uns, zeigt uns, wo wir den Scheinwerfer anmachen können, der die Wiese beleuchtet wie bei einem Fussballmatch. Beim Eindunkeln sind wir froh um das Licht und kochen bei Fussballspiel-Atmosphäre unser Abendessen. Für die Nacht löschen wir den Scheinwerfer wieder, der Mond erhellt die Nacht.
Wir haben uns wirklich schon langsam an den italienischen Verkehr gewöhnt. Die Dörfer, die wir durchfahren sind ziemlich entvölkert, vieles ist geschlossen, es sind so richtige Sommerferiendörfer. Zweimal sehe ich ein Schild an der Strasse, wo drauf steht, dass der Strand in diesem Dorf „decontaminato“ ist, und frage mich, was das bedeuten könnte. Einer Lungomare entlang sehen wir nichts, was an Sommertourismus erinnert, alles ist verlassen und verfallen, und viel, sehr viel Abfall. Später finde ich heraus, dass in dieser Gegend vor ein paar Jahren das Meer wirklich vergiftet und die Strände geschlossen wurden. Was genau passiert ist finden wir aber nicht heraus. Ein Abfallproblem haben sie hier aber definitiv.
Wir haben nochmals wild zelten geplant. Am Ende einer Lungomare fahren wir auf einem sandigen (und sehr vermüllten) Strässchen weiter. Hier begegnen wir einem Jeep, der das Fahrgestell hochgebaut hat und mit dröhnendem Motor dem Strand entlang durch den Sand pflügt. Die beiden jungen Männer haben sichtlich Freude daran. Als sie uns kreuzen, nehmen sie gnädig den Fuss vom Gas und fahren ganz anständig an uns vorbei. Wir müssen hier die Fahrräder schieben, da es zu sandig ist. Während Martin hinter dem Schilf suchen geht, stehe ich da am Strand, es hat zwei kleine Bäume, einen kleinen, mit Schilf gedeckten Unterstand mit einem Liegestuhl, und zwei verlassene, gestrandete Boote. Weiter drüben ist die Mauer eines Campingplatzes, der geschlossen ist. Hinter dem Weg steht eine Betonruine, das hätte vor Jahren mal eine Hotelanlage geben sollen. Ein Zaun, Unterstände aus Holz und der Gestank lassen uns vermuten, dass hier ein Bauer seine Schafe und Ziegen untergebracht hat. Ob die abends hierher kommen, wissen wir nicht. Hinter einem anderen Zaun hat es eine kleine Baracke, ein paar Hühner und Enten spazieren herum. Ein Motorroller steht beim Häuschen, da wohnt vielleicht jemand? Ja, wirklich, ein älterer Mann kommt zu mir heraus und will ein wenig plaudern, fragt nach dem woher und wohin. Ich erzähle von unserer Reise, und er staunt, wie weit wir schon gekommen sind. Als er hört dass wir aus der Schweiz sind erzählt er, dass er vor über 30 Jahren für sechs Jahre in der Schweiz gearbeitet hatte, als Gramper. (das sind Gleisbauer, ein harter Job) Er wohnte in Thun, das ist ja fast meine Heimat. Als ich ihm sage, dass wir einen Platz zum Übernachten suchen, zeigt er zum einen Baum und sagt: hier! Hm, so gut sichtbar von allen Seiten? Jaja, kein Problem, hier passiert nichts! Er schläft im Sommer auch immer hier draussen unter dem Schilfdach, auf dem Liegestuhl. Martin kommt gerade von seinem Rundgang zurück, und nachdem wir zusammen seine Plätzchen angeschaut haben, zwar sichtgeschützt, aber voller Müll, entschliessen wir uns, da draussen beim Schilfdach unser Zelt aufzustellen. Wir haben ja die Erlaubnis von dem Mann. Der ist unterdessen wieder zu seinem Häuschen gegangen, er hat Besuch bekommen von einem Kollegen. Wir fangen an zu kochen, das Duschen lassen wir jetzt bleiben, es steht zwar eine funktionierende hier am Strand. Aber das ist nun doch ein bisschen zu wenig sichtgeschützt für mich, so unter der Beobachtung der beiden Männer. Aber egal, wir haben heute ja nicht so viel geschwitzt. Während dem Kochen und Essen wird der Wind immer ruhiger, der zuvor noch ziemlich lebhaft geblasen hat. Das ist gut, denn ohne Wind ist es eben ein paar Grad wärmer! Und wenn die Sonne weg ist, sind wir um jedes Grad Wärme froh. Beim Eindunkeln stellen wir das Zelt auf, unser Nachbar hat noch seinen Hasen am Strand herumhoppeln lassen und uns neugierig zugeschaut. Ein paar Autos fahren vorbei bis zur Mauer des Campings, drehen dort wieder um und wieder zurück. Spazierenfahren. Sobald es dunkel wird, bleiben auch diese Spazierfahrer aus und wir sind ganz allein am Strand. Der Nachbar verbrennt hinter dem Häuschen seinen Müll, zum Glück bläst der Wind den Rauch von uns weg. Danach verabschiedet er sich, wünscht uns eine gute Nacht, er geht noch ins Dorf um ein Bierchen trinken. Wir geniessen den Sternenhimmel und die Ruhe am Strand. Frühmorgens höre ich ein paar Autos, und unseren Nachbarn, der mit einem Freund sein Boot an unserem Zelt vorbei zum Wasser schiebt. Als wir dann so gegen halb acht aufstehen, stehen ein paar Fischer am Strand und ein paar in ihren Booten draussen auf dem fast spiegelglatten Meer unterwegs. Ein wunderschöner Morgen!
Später verabschieden wir uns von unserem Nachbarn, er hat heute keinen einzigen Fisch gefangen, deshalb schlachtet er nun ein Hähnchen, er habe zu viele von denen, und die machen am Morgen so einen Krach!
Auf dem Weg nach Reggio Calabria schaue ich immer wieder hinüber nach Sizilien, ich möchte gerne den Ätna sehen, aber der verhüllt sich seit gestern Abend mit dicken Wolken. Da muss ich noch etwas Geduld haben. Auf Nebensträsschen und sogar Feldwegen nähern wir uns der grossen Stadt. Sogar eine Müllhalde müssen wir durchqueren. Nase zuhalten! Ich kann nicht anders, hier muss ich ein Foto machen!
Die Stadt selber ist auch sehr schmutzig, das Abfallproblem ist nicht gelöst! E s hat überall Müllhaufen in den Gassen, da wurde schon länger nichts mehr abgeholt. Zum Glück ist nicht Sommer, sonst wäre der Gestank unerträglich! Wir haben für zwei Nächte ein B&B gebucht. Unser Zimmer hat einen grossen Balkon, da können wir sogar Wäsche trocknen und morgens unseren Kaffee kochen. Wir leisten uns ein schönes Abendessen in einem Restaurant. Am nächsten Tag suchen wir den Hafen auf, um abzuklären, ob wir mit den Fahrrädern auf der Passagierfähre nach Messina fahren können. Das geht nur, wenn das Fahrrad gefaltet und in einer Tasche eingepackt ist! Wir erklären der Dame am Schalter, dass das mit unserem Gepäck nicht möglich ist, aber die Frau versteht nicht. Wir können den Kapitän fragen, wenn die Fähre da ist, das ist ihr Angebot. Nein, dann fahren wir lieber die 15km nach Villa San Giovanni, wo wir ganz sicher mit der Autofähre nach Messina rüber können. Morgen sind wir in Sizilien!
Es ist fast wie in ein anderes Land zu gehen, das Wasser ist wie eine Grenze. Aber halt, zuerst noch müssen wir im Wirrwarr von Einbahnstrassen und Zufahrten zum Hafen den Weg finden, überall sind Zäune und natürlich ist alles für Autos und Lastwagen ausgelegt. Ein Angestellter bei den Kassenhäuschen winkt uns, wir sollen die Fahrräder über den Gehsteig und zwischen den Büschen durchschieben, kein Problem! Ich kaufe die Tickets, 6 Euros bezahle ich für uns beide mit den Fahrrädern! Zwischen Gebäuden, Autos und Lastwagen fahren wir dann zur Anlegestelle der Fähre. Gerade ist eine angekommen und entlässt eine Menge Autos und Lastwagen. Wieder einmal kommt es mir sehr skurril vor, wie wir zwischen all den Autos in der Warteschlange mit unseren Fahrrädern stehen.
Auf dem Schiff angekommen, die Räder angebunden, in den Aufenthaltsraum hoch, dasitzen mit Abstand und Maske, 30 Minuten Fahrzeit und dann in Messina angekommen, rausfahren und den Weg finden in die Stadt. Wir kommen eiinige Kilometer nördlicher der Stadt an als ich angenommen habe. Die Tagesstrecke wird also noch etwas länger als geplant. Der Mann, den ich über Warmshowers angeschrieben habe für eine Übernachtung in der Nähe von Messina, hat nicht geantwortet, wir fahren also zu einem Campingplatz, der fast 50 km südlich von Messina liegt. Gibt dann 65 km, das ist eher viel für uns.
Zuerst durchqueren wir die Stadt, sie gefällt uns, es ist viel sauberer als in Reggio, die Altstadt ist sehr schön. Als wir auf den Platz vor der Kathedrale kommen, ist gerade 12 Uhr mittags und ein Spektakel am Kirchturm geht los. Da kräht und flattert ein Hahn, werden Glocken angeschlagen, ein goldener Löwe brüllt dreimal ganz laut über den Platz und zuletzt wird ein Ave Maria abgespielt…da wird mir ganz warm ums Herz! Wenn das nicht ein gutes Omen ist! So empfangen zu werden, macht Freude! Emotional gestärkt verlassen wir die Stadt südwärts. Froh, dass wir die Maske endlich wieder versorgen können.
Sizilien ist ganz anders. Das merken wir schnell, die Sauberkeit fällt uns am meisten auf. Es hat offene Campingplätze, diese sind etwas teurer als in Kalabrien. In den Läden und Bars ist man Touristen gewöhnt, wir werden ein paarmal fast ein wenig abgezockt, weil wir nicht zuerst fragen, wie viel ein Cappuccino kostet, bevor wir ihn bestellen.
Wir begegnen wieder anderen Reisenden (in Wohnmobilen) aus der Schweiz, Deutschland und Holland.
Nach der zweiten Nacht erblicke ich im frühen Morgenlicht endlich den Ätna ohne Wolken. Er steht gross und majestätisch da, nur ein kleines Räuchlein oben links zeugt von seiner schlummernden gewaltigen Kraft.
Wir können nun wieder etwas andere Strassen fahren als nur die Nationalstrasse, das geniessen wir sehr. Die Verkehrsschilder, die auf die Besonderheiten in der Nähe eines Vulkans hinweisen, können wir momentan ignorieren. Es hat zwar ab und zu ziemliche Steigungen, die wir zu überwinden haben. Aber die Aussichten in die Buchten und auf das Meer belohnen uns für die Mühen.
Als wir in Catania einfahren, sind wir überwältigt von der schönen Altstadt, hier gefällt es uns sehr gut! Wir bleiben zwei Tage und besuchen ein paar Sehenswürdigkeiten, geniessen abendliche Bummel durch die stimmungsvolle Stadt. Man könnte (trotz Maskenobligatorium) beinahe vergessen, dass es Covid19 gibt! Eigentlich möchten wir noch etwas hierbleiben, aber unser Zimmer ist übers Wochenende ausgebucht, deshalb beschliessen wir, weiterzufahren, Syrakus soll ja auch sehr schön sein.
Zwischen Catania und Syrakus ist die ganz grosse Erdöl-Industrie angesiedelt, Augusta muss man nicht besuchen. Wir merken es am Laastwagen-Verkehr, an den riesigen Industriegebieten mit Schornsteinen und den mächtigen runden Tanks, die in Gruppen da stehen. Wir gelangen auf eine ehemalige Autobahn, sie ist kaum befahren, da hat es wahrscheinlich in der Nähe eine neue Autobahn gegeben. Der Mittel- und der Pannenstreifen sind schon meterhoch mit Oleander und Schilf zugewachsen, es wird nur noch ein paar Jahre dauern, bis die Strasse unpassierbar wird. Wir staunen, was sich da der italienische Staat leisten kann! Wir fahren ganz alleine, es ist fast gespenstisch, über eine Stunde lang überholt uns kein einziges Auto! So komisch! Da kommt fast Weltuntergangsstimmung auf.
Kurz vor Syrakus gibt es eine kurze Via Verde, ein stillgelegtes Eisenbahntrassee, das für Fahrräder und Fussgänger zurechtgemacht wurde. Hier führt es der Küste entlang, an einer ehemaligen Tonnara (eine Thunfisch-Verarbeitungsfabrik) vorbei. Die Ruine ist ein potenzieller Übernachtungsplatz, den wir natürlich genau inspizieren. Nach der letzten „wilden“ Übernachtung haben wir den Mut, auch hier zu bleiben, obwohl wir uns nicht richtig verstecken können. Wir verbringen einen tollen Abend, eine nur vom Rauschen der Wellen gestörte Nacht und einen wunderschönen Morgen hier. Ein paar Spaziergänger kommen vorbei und frühmorgens ein Motorrollerfahrer, der aber gleich wieder wegfährt, als er uns sieht. Nach dem Frühstück packen wir unsere Sachen, fahren die paar Kilometer nach Syrakus, wo wir uns zwischen den sonntäglichen Spaziergängern durchschlängeln und später auf einem Platz einen (teuren) Cappuccino trinken. Fast wie Ferien!
Ganz in der Nähe hat es einen Camping, eine wunderschöne Wiese mit uralten Olivenbäumen, einem Pool und einem gedeckten Platz mit Tischen, Bänken und einem Kühlschrank! Wir verbringen ein paar Tage auf dem Platz, lassen einen regnerischen Gewittertag vorbeiziehen. Wir treffen hier ein junges deutsches Paar, die auch schon seit ein paar Monaten mit dem Fahrrad unterwegs sind! Das ist schön, wieder einmal mit Leuten zu quatschen, die Ähnliches erleben wie wir! Wir wollen uns auch nochmals mit Markus aus Berlin treffen, er kommt zum Camping und wir verabreden uns für den nächsten Tag. Er steht lieber frei, irgendwo, und so fahren wir los und besuchen ihn in Marina d’Avola auf „seinem“ Parkplatz, wo er für uns ein tolles Menu kocht! Wir plaudern ganz lange, seine Weiterreise wird ihn nach Sardinien und dann nach Spanien führen, er will seinen Kumpel auf den kanarischen Inseln treffen! Am späten Nachmittag beschliessen wir, nicht da auf dem Parkplatz zu bleiben, in 4 Kilometer Entfernung hat es einen kleinen Campingplatz, das ist doch gemütlicher. Wir verabschieden uns von ihm und wünschen ihm eine gute Reise!
Auf dem Camping Oasi Park Falconara werden wir freundlich empfangen und eingewiesen. Die Atmosphäre gefällt uns auf Anhieb, es hat ein paar Leute aus Deutschland und Österreich hier, einige sind schon letzten Winter und auch im Frühling da gewesen. Während des Lockdowns im März und April harrten sie hier aus, da sie dableiben durften, obwohl der Camping offiziell geschlossen war.
Und hier beginnt unsere Suche nach einer Bleibe für den Winter, die Gegend und die Leute hier gefallen uns. Die zwei Städtchen Avola und Noto sind in der Nähe, sowie auch das Naturschutzgebiet Vendicari und die Riserva naturale Cavagrande del Cassibile, beide wollen wir erkunden. Genug zu tun, um einen Winter zu verbringen. Und auch die sich abzeichnenden Beschränkungen wegen Covid19 auszuhalten.
Ionische Küste ohne Ende
Täglich fahren wir nun so um die 40 km, alles etwas langweilig, aber trotzdem anstrengend, weil wir total konzentriert fahren müssen auf der Nationalstrasse, wo auch viele grosse Lastwagen fahren, da es kaum mehr Autobahn hat. Manchmal hat es einen schönen Streifen für uns am Rand, manchmal sind wir einfach ein Hindernis.
Der eine Camping ist ziemlich heruntergekommen, verglichen mit dem Empfangsgebäude und dem Restaurant weiter hinten, da hat es sogar einen Swimmingpool mit Bar, alles ist schön gepflegt, aber menschenleer. Aber das stört die Frau an der Rezeption nicht so sehr, wir sind ja nur Camper. Es wird nicht geputzt, die Müllcontainer stinken zum Himmel, es hat kein Desinfektionsmittel,… aber für uns sind das Schlimmste die kugeligen und stacheligen Samen von einem Gras, das hier überall wächst! Sie stecken sich in den Sohlen der Flipflops und in den Reifen der Fahrräder fest. Aber wir haben ja gute, dicke Reifen, da gibt es nicht mehr so schnell einen platten Reifen! Und, zum Glück habe ich vor dem Aufblasen der Matratzen den Boden getestet und gespürt, dass da viele dornige Kügelchen rumliegen. Wir zügeln unser Zelt vom Grasplatz aufs Kies, wo wir zuerst alle Stacheln wegräumen, damit wir nicht plötzlich ohne Luft auf den Matratzen liegen! Wir müssen uns nach dem Wetter richten, und wir bleiben ein paar Tage und warten, dass sich der Wind wieder beruhigt, 50-60km/h Windböen wollen wir auf dieser Strasse nicht erleben.
Aber als wir dann weiterfahren, haben wir tollen Rückenwind und kommen flott voran, es ist Sonntag und hat wenig Verkehr, ein super Tag. Bei einem Dorf gehen wir am Friedhof unsere Flaschen und den Wassersack füllen, in der Nähe ist eine Pineta, wo wir einen schönen Platz finden. Zuerst kochen wir unser Abendessen bei einem Picknickplatz, wo es Tische und Bänke hat. Dazwischen versuchen wir, uns mit dem Wassersack zu duschen, es gibt sporadische Besuche von Italienern, die hierherkommen um ein wenig zu spazieren. Und kurz nach Sonnenuntergang verschwinden wir ins Wäldchen, wo keine Autos hinfahren können, suchen uns ein Plätzchen hinter ein paar Büschen, stellen das Zelt auf und um 19.15 Uhr sitzen wir da auf unseren Stühlen im Dunkeln und warten auf den Mond! Es ist ja wunderschön, dann den Mond zu betrachten, den Geräuschen des Waldes zu lauschen, aber schlafen um 20 Uhr ist halt schon etwas früh! So wird das wild campen immer etwas schwieriger, je später im Jahr wir unterwegs sind.
Morgens um 6.45 Uhr hören wir die ersten Stimmen, zwei „Walker“ sind unterwegs auf dem Waldweg. Sie sehen uns aber nicht, und noch während wir unser Zelt abbauen, kommen nochmals ein Jogger und zwei Grüppchen Leute vorbei, auch die sehen uns alle nicht. Wir verlassen unseren Schlafplatz, und bei einer anderen Picknickstelle im Wald kochen wir unseren Kaffee und machen Frühstück. Eine tolle Nacht und ein schöner Morgen! Für die nächsten paar Nächte ist wieder Wind und Regen angesagt, wir haben uns in Crotone eine kleine Wohnung reserviert. Wäsche waschen, Blog schreiben, vielleicht einen Film schauen…. Wir geniessen es, ein paar Tage in das Stadtleben einzutauchen, Crotone gefällt uns sehr gut. Auf der Weiterfahrt besuchen wir Capo Colonna, da war mal vor zigtausend Jahren eine wichtige griechische Stadt, vom Tempel steht eine einzige Säule da, deshalb wohl auch der Name?
im 2. Stock ist unsere Wohnung und das sehen wir von da aus!
Mit Rückenwind geht’s weiter, Isola di Capo Rizzuto, ein Städtchen, wo wir unseren Vorrat auffüllen, dann nach Le Castella, ein verschlafenes Küstendorf mit imposanter Burg am Meer. Fast alles ist geschlossen, es ist ein Touristenstädchen. Die ganze Küste hier ist eine Riserva Marina, die Zone ist so geschützt, dass der Besuch von Buchten und Stränden untersagt ist! Und auch der Bootsverkehr ist verboten in einigen Gebieten. Was wollen wir also da? Leider ist auch der Camping geschlossen, und in einer verbotenen Zone wollen wir nicht wild campieren. Also steuern wir ein offenes Restaurant an, das aussieht, wie wenn es auch einige Zimmer zu vermieten hätte, und siehe da, wir bekommen ein schönes Zimmer, alles tipptopp.
Die nächsten Tage wollen wir Kilometer „fressen“, vorwärts kommen, es ist wirklich nicht so lustig auf der Nationalstrasse. Wir übernachten einmal auf einem geschlossenen Camping, der Besitzer hat uns aber trotzdem reingelassen! So nett!
Ein Abschnitt der Strasse wird zur Zerreissprobe, wir müssen durch einen langen Tunnel, der erst noch aufwärts geht, und es hat viel Verkehr, die Autos fahren so nahe an uns vorbei und ich bekomme schon bald Panik, ich trete in die Pedale, damit ich so schnell wie möglich raus komme, dadurch bekomme ich fast keinen Atem mehr, und dann fährt Martin mir noch davon, weil auch er hier nur noch raus will! Ein paar Hundert Meter weiter können wir dann auf eine kleine Nebenstrasse abbiegen, die alte Strasse war das, die Nationalstrasse wird zur Autobahn! Und führt über gigantische Viadukte über die Buchten und durch Tunnels durch die Felsen. Ich huste mir fast die Seele aus dem Leib, das war gerade etwas zu viel für meine Lunge! Eine Frau schaut von ihrem Balkon zu uns herunter und ich kann förmlich sehen, was sie denkt: Covid 19! Den ganzen Tag spüre ich ein Kratzen im Hals, ich weiss aber, das waren die Abgase im Tunnel!
Eine Weile können wir dem Meer entlang fahren, aber dann hat es wieder Brücken über Flüsse, zwar sind einige ausgetrocknet, aber manchmal geht der Weg nicht weiter als bis zum Flussbett. So wechseln wir wieder auf die Nationale. Zum Mittagessen steuern wir dann das Meer an, und finden einen Lungomare, der etwas verwahrlost ist. Büsche wachsen zwischen den Bodenplatten, den Bänken fehlen ein paar Latten, aber für uns ideal zum Kochen. Wir haben in den letzten Tagen angefangen, am Mittag zu kochen, dann ist es einfacher, abends ein Plätzchen zu suchen. Für ein Picknick müssen wir den Kocher nicht auspacken, haben auch keinen Abwasch zu machen, brauchen also viel weniger Zeit vor dem Eindunkeln…Dass wir dann aber auf der Suche nach dem geeigneten Platz (hier hat es soviele, dass es bald schwierig wird) einen offenen Camping finden, ist ja auch schön. Wieder ein Abend mit Licht!
Die Kilometerangaben nach Reggio Calabria werden nun endlich immer weniger, es braucht nur noch ein paar Tage! Aber da ist ein Unwetter im Anzug, mit viel Wind und Gewittern, da wollen wir irgendwo unterkommen und abwarten. Und an diesem letzten Tag vor dem Regen, treffen wir mitten in einem Dorf einen Weltenbummler, mit Trike und Anhänger, in dem sein Hund mitfährt! Martin Hutchinson und sein portugiesischer Hund Starsky sind schon seit vielen Jahren unterwegs, er zuerst allein zu Fuss, dann mit dem Fahrrad und seit sechs Jahren noch mit dem Hund. Seine Mission: ökologisch unterwegs sein, und das auch allen mitteilen, in Schulen und Interviews! Er sucht sich immer kostenlose Schlafplätze, mal bei der Feuerwehr, mal in verlassenen Fabrikhallen oder Ruinen von Bauernhöfen, da hat er ja eine grosse Auswahl. Und trotzdem möchte ich nicht mit ihm tauschen.
Wir plaudern wohl fast zwei Stunden miteinander, tauschen Erfahrungen und Meinungen aus, mitten im Verkehr am Strassenrand!
Und dann verbringen wir ein paar Tage in Caulonia, auf dem Zeltplatz Afrodite. Ein paar Tage sind wir nicht allein, es hat 4-5 Camper und ein junges Paar, das mit dem Zug unterwegs ist und wir. Nach zwei sehr windigen und regnerischen Tagen und Nächten ist noch der Gewittertag auszustehen, alle anderen sind abgefahren. Aber Bruno, der Chef hier, hat Erbarmen mit uns, er offeriert uns einen alten Wohnwagen zum drin schlafen, und dann drückt er mir einen Föhn in die Hand, mit den Worten, dann musst du nicht mit nassen Haaren draussen sitzen! So lieb! Es ist zwar ein ganz einfacher Platz, es wird kaum geputzt, aber der Mann ist so zuvorkommend und nett! Ein Plus hier ist auch das Restaurant, das abends geöffnet ist und wir gehen uns zweimal verwöhnen, im Pizzaofen knistert das Feuer und das Essen ist sehr gut. Den Regentag verbringen wir unter einem Dach von einem für den Winter verbarrikadierten Wohnwagen, der steht gerade richtig gegen den Wind. So brauchen wir den alten Wohnwagen gar nicht.
Sizilien wir kommen!
Wieder unterwegs!
Abschied nehmen ist nicht so schön. Aber langsam spüren wir das Kribbeln und wollen los. Die Temperaturen sind schon etwas gesunken und in der zweitletzten Nacht in der Jurte donnert ein Gewitter über uns, das uns zuerst weckt und dann ziemlich befeuchtet. Die Dachluke habe ich vorsorglich geschlossen, aber die eine Seitenwand ist noch offen, und da bläst der Wind den Regen hinein. Und weil es so lange nicht geregnet hat, kann der Boden die Menge Wasser nicht sofort aufnehmen. Mit der Zeit drückt es durch den Holzboden und bildet eine grosse Pfütze. Wir rücken an die Wand und können so verhindern, dass am Morgen alles nass ist.
Wegen diesem Gewitter haben wir unsere Abreise einen Tag verschoben. Abends essen wir dann noch ein feines Abendessen zusammen, und Paola hat uns ein wunderbares Tiramisu gemacht! Paola, vielen Dank für Deine Gastfreundschaft und das Vertrauen in uns. Wir waren sehr gerne bei euch!
Mit ein paar frisch gepflückten Auberginen, Zucchinis und Chilis verabschieden wir uns und fahren los, Richtung Taranto. Mal schauen wie weit wir kommen! Zuerst ein paar Kilometer auf der Ciclovia, und dann auf den schönen „weissen“ Strässchen, durch die Hügel auf und ab. Beim letzten Hügel hat man eine schöne, aber etwas dunstige Aussicht auf die Ebene von Taranto und auf die Stadt im Hintergrund. Überraschend gross ist sie! Nein, sogar riesig! Beim Flugplatz von Grottaglie geraten wir in den Mittagsverkehr vom grössten Arbeitgeber der Region, einem Zulieferer von grossen Teilen an Boeing.
Wir verdrücken uns in den nächsten Olivenhain und machen Mittagspause. Bis wir dann in Taranto sind, ist schon fast 17 Uhr und wir entscheiden uns für ein Zimmer in der Stadt, da die einzige Ausfahrt aus der Stadt über eine grosse, stark befahrene Nationalstrasse führt, die wir nicht im Abendverkehr fahren wollen.
Das Studio ist ein Glücksfall, mitten in der Stadt, im Erdgeschoss, ganz einfach mit den Fahrrädern! Wir begegnen dem Besitzer nur über das Telefon und Whatsapp, alles ist super eingerichtet. Als wir fürs Abendessen noch einmal rausgehen, donnert es wieder in der Ferne und wir sind froh, dass wir ein Dach über dem Kopf haben. Ein Restaurant zu finden wird aber in diesem Stadtteil etwas schwierig, vieles ist geschlossen oder ist (noch?) leer. Wir beschliessen, etwas einzukaufen und selber zu kochen, aber da sehen wir einen kleinen Laden, der zubereitetes Essen verkauft. Wir dürfen etwas aussuchen, die Frau war schon am Schliessen, holt für uns aber noch ein paar Gerichte hervor, so dass wir eine Auswahl treffen können. Glücklich verlassen wir den Shop mit Fischbällchen und einem Auberginenauflauf mit Tomaten, Mozzarella und Parmesan. Zurück im Studio wärmen wir den Auflauf und die Bällchen und geniessen gemütlich das Essen, während sich draussen das Gewitter austobt.
Die Nationalstrasse aus Taranto hinaus ist zwar sehr befahren, aber es hat einen breiten Streifen, so dass auch wir genug Platz haben. Irgendwann können wir dann wieder auf kleinere Strässchen abbiegen und es geht recht gut voran. Es hat eine Autobahn parallel zur Küste, wir haben die Hauptstrasse fast für uns allein. Die Dörfer sind alle ein paar Kilometer vom Meer entfernt, an der Küste hat es die Feriendörfer und Lidos, die aber jetzt schon wieder leer sind. Da wird nur in den Monaten Juli und August gelebt. Und den Rest des Jahres steht hier das Leben fast still, alles verriegelt, zugenagelt und tot. Zwischen diesen Marinas stehen die Pinienwälder am Meer, da gibt es kein Durchkommen mit den Fahrrädern, es ist viel zu sandig, und alle paar Kilometer hat es einen Bach, Fluss oder ein Rinnsal, je nach Regen, der in den Bergen gefallen ist.
Auch die Campingplätze sind am Meer, und da hat es noch einige, die noch offen sind. So machen wir einen Schwenker an die Küste zum Campieren. Wir erhalten einen besonderen Platz unter einem Dach, da sich die schwarzen Gewitterwolken wieder hoch auftürmen und das Grollen schon hörbar ist in der Ferne. Im Dorf ist sogar der Laden offen und da treffen wir auf eine Familie aus der Schweiz, die mit dem Wohnmobil hier in den Ferien sind. Ja und abends bekommen wir noch Zeltnachbarn, auch aus der Schweiz, mit Zelt und Auto in den Ferien. Ach ja, es ist Herbstferien-Zeit in der Schweiz.
Beim näheren Planen der Route für den nächsten Tag bemerke ich, dass nur die Autobahn und die Eisenbahn eine Brücke über den nächsten Fluss hat, die nächste normale Brücke ist etwa 20 km landeinwärts, landaufwärts, heisst 40km Umweg für uns! Die Autobahn und die Eisenbahn sind Hindernisse in unserem Weg, die wir nicht so einfach umgehen können. Ich lasse Mapsme eine Strecke suchen für uns als Fussgänger, und siehe da, die App findet einen Fussweg über eine alte Brücke, die schon lange aus dem Verkehr gezogen wurde. Auf dem Satellitenbild von Google finde ich die Brücke und sehe, dass sie für uns schon in Frage kommen könnte, je nach Zufahrt. Auf dem gleichen Satellitenbild sehe ich auch, dass es viele Feldwege hat, durch die Reben und Kirschbäume. Also, wir versuchen es einfach. Der lange Umweg kommt erst als letztes in Frage.
Und wir haben ja so ein Glück, in den Reben sind Leute, die Trauben ernten und die erklären uns bereitwillig, wie wir über die Felder kommen, super. Ein paar hundert Meter weiter rennt ein Traktorfahrer auf uns zu und erklärt uns, dass wir falsch fahren, aber nachdem ich ihm erklärt habe, wo wir hinwollen, lässt er uns den Kirschbäumen entlang fahren, wo er noch nicht gepflügt hat und der Boden noch schön hart ist. Am Ende des riesigen Feldes hat es eine Barriere zum Strässchen. Wir laden alles Gepäck ab und auf der anderen Seite wieder auf. Ist ja nur eine Barriere! Na, wir haben 40km gespart! Im nächsten Dorf fragt Martin ein paar Jungs an der Bushaltestelle ob die alte Brücke passierbar ist. Sie drucksen ein wenig herum, ja schon aber,… jaja wir wissen, es ist verboten, sie ist baufällig, aber geht es trotzdem? Ja schon, es geht. Mit dieser Auskunft fahren wir guten Mutes bis zur Kurve und da oben steht die Brücke, unmittelbar neben der Autobahn: wir müssen nur ein paar Meter die Räder gemeinsam hochschieben und können dann rüberfahren. Nochmals 30km gespart!
aber da ist doch nur die Autobahn… erst beim näher Anschauen sehe ich den Fussweg über die Brücke… ein kurzes Stück steil hoch Geht ja ganz gut über die Brücke ;-)
Die Gewitterserie ist noch nicht zu Ende, wir versuchen einen Couchsurfer zu kontaktieren in Policoro, leider sind wir etwas spät und er schaut auch nicht gerade auf seine Mails…so fahren wir zum Friedhof, füllen unseren Wassersack und fahren da zum Pinienwald am Meer, wo wir ein hübsches Plätzchen finden. Nachts leuchtet und donnert und regnet es, aber Wind aber macht uns am meisten Sorgen, so mitten im Wald. Wir sind froh, als es Morgen wird! Wieder etwas Wichtiges gelernt! Wir packen und machen dass wir rauskommen aus dem Wald.
zuerst nehmen wir das Innenzelt raus, nur wenns geregnet hat die Heringe aus dem Boden Stangen raus Stangen zusammenlegen und das Zelt in den Sack verstauen!
Den ganzen Tag ziehen die Wolken regenschwanger über uns hinweg, mal tröpfelt es, mal scheint wieder die Sonne. Wir kommen flott voran, trotz ziemlichem Gegenwind. Und trotz einmal die Fahrräder abladen und alles über Betonblöcke tragen, die einen Feldweg von der Strasse trennen, und das zweite Mal wieder alles abladen und übers Geländer heben, weil ein rostiges Tor den Feldweg von einer Brücke über einen Kanal trennt. Genau in diesem Moment frischt der Wind auf und es beginnt zu regnen. Schon das zweite Mal ziehen wir heute unsere Regenjacken an. Aber schon nach 10 Minuten ist der Spuk vorbei. Im nächsten Dorf wärmen wir uns mit einem Cappuccino auf!
hier stehen die Betonblöcke, damit niemand auf die Idee kommt, hier durchfahren zu wollen! Ausser vielleicht wir auf dem Velo! hier habe ich eine Unterführung der Eisenbahnlinie gefunden, und dann die Brücke, das Tor war aber nicht eingezeichnet…
Irgendeinmal nach der Mittagspause mit Sonne und am Meer, überholt uns ein Auto mit einem Schiff auf dem Dach, mit deutschen Kennzeichen. Er hält weiter vorne an. „Sucht ihr noch einen Platz zum Übernachten?“ fragt er. Ja klar, wieso nicht. Ich zeige euch ein superschönes Plätzchen! Und er erklärt uns, wie wir nach dem nächsten Dorf zum einsamen Strand mit Pinienwald kommen.
Auf der Karte ist nichts zu finden, aber nach den letzten Häusern des Dorfes, am Strand entlang, hat es einen Kies- und Sandweg, und da finden wir ihn etwa einen Kilometer weiter mit seinem Auto unter den Bäumen stehen.
Es ist wirklich ein traumhaft schöner Ort, abgesehen vom Abfall und dem vielen Toilettenpapier, das die Besucher einfach liegengelassen haben. Wir suchen uns ein windgeschütztes Plätzchen, noch immer könnte es regnen. Dann setzen wir uns zusammen mit Felli aus Berlin, kochen, essen, trinken und quatschen bis spät in den Abend hinein. In der Nacht regnet es ein wenig aber der nächste Tag beginnt mit blauem Himmel. Wir packen zwar unser Zelt zusammen, aber dann bleiben wir so lange beim Frühstück sitzen, dass wir noch eine Nacht hier anhängen. Dank Fellis 20 Liter Kanister Wasser, und einer Kiste voller Esswaren ist das locker möglich!
Am nächsten Tag ziehen wir weiter, wir wollen ja mal nach Sizilien kommen! Die letzten Gewitter haben an den geeigneten Orten grosse Pfützen gebildet. Natürlich müssen wir da durch, und kommen sogar trockenen Fusses auf die andere Seite. Wir steuern nach drei Nächten wild zelten nun einen Camping an, wieder mal warm Duschen und die Velokleider waschen ist angesagt. Den Ganzjahresplatz den wir ausgesucht haben, will uns nur zelten lassen, wenn wir eine Woche da bleiben! Echt jetzt? Ja, die Direzione habe das so entschieden, wegen Covid 19. Und der Nachbarcamping? Frage ich. Der macht es anders und hat auch noch offen. Gut dann fahren wir hinüber, durch den Wald, (hier hat es sonst auch schöne Plätzchen für uns) und dann durch eine Hotelanlage, die zum Glück die Tore geöffnet hat.
Als wir vor das Tor des Campings Onda Azzurro kommen, trauen wir unseren Augen kaum: Da stehen schon etwa 8 Camper an zum Einchecken! Alles Deutsche und Österreicher. Die Damen des Empfangs beginnen gerade ihre Arbeit, es ist 16 Uhr. Weil wegen des Virus immer nur eine Partei ins Büro darf, macht die zweite Frau ein Fenster auf und nimmt auch die Anmeldungen auf, die hier sehr kompliziert sind, mit all den Formularen. Nach einer halbe Stunde kommen wir auch an die Reihe und bekommen einen Platz hinten im Wäldchen, ganz für uns, zwischen den für den Winter eingemummten Wohnwagen von Sommer-Urlaubern.
Nach dem Duschen gehen wir auf ein Bier ins Restaurant und bleiben hängen, es riecht so gut und wir haben plötzlich keine Lust mehr zu kochen… Da tritt eine Frau zu unserem Tisch und fragt, ob sie kurz an unseren Tisch sitzen darf, sie möchte uns ihre Bewunderung ausdrücken, dass wir mit den Fahrrädern unterwegs sind! Falls wir nach Irland kommen, sollen wir sie besuchen. Es wird uns warm ums Herz, wenn wir auf Menschen treffen, die uns so bewundern, aber auch ein bisschen verlegen, da wir ja einfach nur ein wenig anders unterwegs sind wie die anderen.
Workaway
Wir sind glücklich gelandet und wohnen seit einiger Zeit in einer Jurte in Apulien! Arbeiten in einem grossen Garten, das Hügelbeet ist spiralförmig angelegt, dreimal rundum, da geht die Arbeit nie zu Ende! Bei der Hitze braucht schon das Bewässern abends mehr als eine Stunde. Birnen und Zwetschgen sind reif, kiloweise verarbeite ich die Früchte zu Konfitüre. Es ist die heisseste Zeit des Jahres und sogar beim Sitzen und Früchte schneiden läuft der Schweiss in Strömen! Aber wir können wenigstens im Schatten sitzen, und oft hat es nachmittags ein Lüftchen, das uns etwas abkühlen hilft.
Zum ganzen Grundstück gehören zwei Häuser, eines wird an Feriengäste vermietet, einige Trullis, die entweder ausgebaut sind oder auf ihre Renovation warten. Martin arbeitet an so einem Trulli, Maler- und Gipserarbeiten, die der Handwerker nicht gemacht hat, nachdem er den Türrahmen zum Bad so eingesetzt hatte, dass man von allen Seiten her den Durchblick hatte…hier muss alles auch geputzt werden, der Boden hat eine Jahre alte Schicht Dreck, der ich mit Bürste, Putzmittel und viel Wasser zu Leibe rücke. Danach wird er noch versiegelt, mit dem Pinsel…
Die Besitzer sind langjährige Workaway-Gastgeber, haben schon viele verschiedene Helfer gehabt, mit der Zeit erfahren wir so einige Geschichten. Schon nach einigen Tagen muss Paola in einen Kurs, wir versorgen den Garten und ihr Mann kocht für uns das Abendessen. Die alte Nonna freut sich jeweils auf die Gespräche mit uns, wurde sie doch vor 91 Jahren in Bern geboren! Die ganze Familie spricht gut Englisch, so ist die Unterhaltung für uns alle sehr einfach.
Aber halt, zuerst waren wir doch noch ein paar Tage unterwegs. Haben in einem Städtchen bei einer Tankstelle den Fahrradladen gefunden, der auch Treffpunkt des Fahrradclubs ist. Natürlich haben wir ziemlich lange mit ein paar von den Leuten geplaudert. Später standen wir auf einer Brücke, versperrt mit Gittern, neu asphaltiert. Umweg von etwa 10 Kilometern fahren, oder alles vom Fahrrad abladen und hinübertragen? Es ist Samstag, einigermassen viele Raddfahrer unterwegs. Die Brücke werde am Nachmittag um 16 Uhr vom Bürgermeister wieder eröffnet, erfahren wir von einem älteren Mann, der sich die Zeit da vertreibt, indem er beobachtet, was die Leute machen, wenn eine Brücke gesperrt ist. Mal begegnen wir zwei anderen Tourenradlern, sie fahren nordwärts, natürlich halten wir an und plaudern miteinander! Sie empfehlen uns das Salento Bikecafe in der Nähe von Galipolli, leider ist es geschlossen!
Ach ja und dann noch die unheimliche Begegnung mit einem Skorpion: Zum Einkaufen leeren wir jeweils eine unserer Taschen, meistens die mit den Kleidern, um die Einkäufe auf den Zeltplatz zu bringen. Als ich im Laden die Tasche aufmache, wuselt da in der Tasche so etwas herum. Ich gehe mal raus aus dem Laden, um draussen genau zu schauen, was da so panisch herumrennt. Ja und es ist wirklich ein stattlicher Skorpion! In meiner Kleidertasche! Die ich vorher arglos ausgeräumt und alles im Innenzelt deponiert habe. Martin hilft dem armen Tier aus der Tasche in ein Gebüsch. Später finde ich dann im Internet Informationen über Skorpione, und „meiner“ war ein eher seltenes Exemplar, das gerne in Steinmäuerchen lebt. Ich hoffe nun, dass er wieder so ein Mäuerchen gefunden hat.
Bei einer Fahrt durchs Hinterland treffen wir auf Felder voll abgestorbener Olivenbäume. Uralte, riesengrosse Gerippe dieser so schönen Bäume! Wir haben uns richtig elend gefühlt. Nach verschiedenen Gesprächen mit Leuten hier, wissen wir, dass das Bakterium Xylella die Bäume befällt und die „Adern“ zerstört, so dass der Baum verdurstet. Aber es gibt viel Widerstand gegen die Massnahmen der Agrar-Behörde, die vor allem die befallenen Bäume fällen und ringsum alle roden. (Und so gibt es Platz für andere Kulturen, z.B. Mango und Avocado, und das in einem Landesteil, wo Wasser Mangelware ist!). Je nachdem, mit wem wir sprechen, hören wir dies oder das. Aber klar ist, diese Bäume sind zum Teil über tausend Jahre alt, und dass die jetzt alle gerodet werden sollen, sobald in der Nähe ein kranker Baum auftaucht, ruft natürlich Widerstand hervor. Ein anderes Thema ist auch die Monokultur, die sich gerade in den betroffenen Gebieten im Salento über Kilometer hinwegzieht. Da steht kein anderer Baum, kein anderes Gebüsch, die Behandlung des Bodens mit “Round-up” über Jahrzehnte hinweg,… da kann sich dann so ein Krankheitserreger superschnell ausbreiten!
In dieser Gegend wäre auch unser Workaway, das sich aber von selbst erledigt, nachdem wir fast eine Woche lang vertröstet wurden. Als wir ankamen, wurden wir nochmals für zwei Tage weggeschickt wegen Platzmangel, und am nächsten Tag per Whatsapp abgesagt!
Nun ist wieder alles offen! Fahren wir nach Lecce? Da hätte es sogar drei Warmshower Gastgeber. Ich schreibe sie mal an, bekomme eine Absage, und zweimal keine Antwort, das Hostel ist geschlossen und andere Hotels viel zu teuer. Etwas ratlos stehen wir da, was nun? Städte zu besuchen ist diesen Sommer etwas schwierig geworden.
Dann erhalten wir die Zusage von Paola aus Cisternino. Sie hätte jetzt Zeit, uns als Workawayer aufzunehmen! Und in der gleichen Stunde kommt ein Mail von Warmshower: ein junger Mann in Oria lädt uns ein, im Garten seiner Eltern zu zelten! Oria ist auf dem Weg zurück nach Cisternino. Und dieser Garten von Francesco und seiner Mutter ist ein Highlight! Er hatte ein schönes Plätzchen im Schatten unter den Bäumen für uns ausgesucht, einen Plastik hingelegt und ein Gestell, damit wir unsere Sachen versorgen konnten.
Die Begrüssung ist jetzt immer etwas speziell, soll man sich die Hand geben? Wie nahe geht man zueinander? Alle versuchen, die Distanz zu wahren, aber trotzdem Freundlichkeit zu zeigen. Es ist ja nicht gegen die Person, sondern wegen dem unsichtbaren Virus, dass man sich nicht mehr einfach umarmen kann. Aber im Garten zu zelten hat Vorteile, Distanz ist da, Dusche und Toilette sind draussen. Abends lassen wir Pizzas bringen, es ist eine gemütliche Runde, Brüder und Freunde kommen und gehen, eine Cousine mit ihrem Sohn aus Rom ist da in den Ferien. Wir dürfen auf diese Weise einen Blick in eine italienische Familie werfen, und dafür sind wir sehr dankbar. Francesco, vielen Dank für eure Gastfreundschaft! Es ist momentan nicht selbstverständlich, so herzlich aufgenommen zu werden!
Was uns auch beeindruckt hier: Das Wasser des Äquaduktes kommt nicht bis hierhin, deshalb ist das Leitungswasser kein Trinkwasser! Dieses holt die Familie mit Kanistern an einem der Trinkbrunnen in der Stadt! Schon immer war es so. Das Regenwasser wird in der hauseigenen Zisterne gesammelt, das ist aber kein Trinkwasser. So wird in vielen Gemeinden Wasser per Tanklastwagen zum Haus gebracht, oder man hat seine eigene Reinigungsanlage, oder man fährt eben an einen Brunnen und füllt Flaschen und Kanister. Wir sind hier in Europa, im Jahr 2020!
Wir fahren weiter ins Landesinnere, schon bald tauchen in den Hügeln und Olivenbäumen wieder die Trullis mit ihren spitzen Türmchendächern auf. In einem Wald, der an der Ciclovia des Äquaduktes liegt, den wir jetzt in der Gegenrichtung fahren, machen wir Pause, und später übernachten wir hier, das erste Mal seit langer Zeit wieder einmal wild. Hier gibt es einen Brunnen, wo die Leute aus der Gegend ihr Trinkwasser holen. Wir füllen unseren Wassersack, bevor wir in die Büsche verschwinden, uns duschen und gemütlich Abendessen kochen.
Die letzte Etappe am nächsten Tag ist nur noch kurz, bald sind wir in Cisternino angekommen! Paola holt uns ab, und führt uns zu ihrem Grundstück.
Und hier leben wir nun schon seit einem Monat, arbeiten , haben viele interessante Gespräche, kochen zusammen, gehen auf den Secondhand-Markt, ein Städtchen besichtigen, oder ins Meer baden, oder Kaffee trinken in der Pasticceria „Almond“, ganz in der Nähe!
Einmal fahren wir mit dem Bus nach Brindisi, ein Besuch in Decathlon ist wieder einmal fällig. Im alten Zentrum finden wir in einem kleinen Gässchen ein schönes Restaurant, wo wir uns wieder einmal mit „Cozze“ verwöhnen.
So vergeht die Zeit im Flug! Ausgiebig haben wir auch über den nächsten Winter diskutiert, jetzt fahren wir mal Richtung Sizilien und schauen, ob es uns dort gefällt, und wir vielleicht dort überwintern. Auf jeden Fall freuen wir uns, bald wieder auf die Fahrräder zu sitzen und loszufahren!
Apulien
Mit über zwei Stunden Verspätung kommen wir in Bari an. Genau um die Mittagszeit fahren wir aus dem Hafen, wir haben uns entschieden, Richtung Süden zu fahren, und uns auf einem Zeltplatz anzuklimatisieren. Lange fahren wir durch die Vororte von Bari, mal sind sie luxuriös, mal ganz heruntergekommen, sogar eine Zeltsiedlung sehen wir am Strassenrand. Das Meer hat schon viel zerstört, wir sehen kaputte Häuser und verwilderte Gärten. Auch die Strasse zeigt viele Schäden, die sicher von den letzten Unwettern mit hohem Wellengang im Winter stammen.
Eigentlich suchen wir ein Schattenplätzchen, um eine Pause zu machen. Endlich finden wir ein paar Pinienbäume, mitten in einem Wohngebiet, in einem Kreisel, der zwar asphaltiert, aber dafür mit Bank im Schatten ausgestattet ist. Hier picknicken wir, beobachten den Verkehr und werden begutachtet von den Autofahrern.
Ein älterer Mopedfahrer fährt vorbei, wir winken ihm zu, sein Moped ist mindestens so alt wie er. Etwa eine halbe Stunde später tuckert er wieder heran, hält an, fragt in Englisch nach dem Woher und wohin, erzählt, dass er früher auch gereist sei, mit dem Caravan. Jetzt, mit 74 sei er zu alt…
Auch die Motorradfahrer grüssen uns, mit dem Daumen hoch.
Und, es hat wieder Velofahrer unterwegs, die normalen, die zum Einkaufen oder zur Arbeit unterwegs sind, oder die Rennradfahrer: fast alle grüssen und freuen sich, uns zu sehen.
Ein Rennvelofahrer überholt uns, drosselt das Tempo, und beginnt während der Fahrt mit uns zu plaudern, sagt, das sei sein Traum, einmal so wie wir unterwegs zu sein, aber eben, die Familie und die kleinen Kinder,… ja auch wir hätten Kinder und die sind dann auch mal gross geworden und nun sind wir am Reisen…
In einer Stadt, an einem Rotlicht, öffnet sich neben mir ein Autofenster, drinnen eine ganze Familie, der Fahrer fragt mich aus Spass nach der Uhrzeit, auch er will mit uns plaudern! Ich überlege, wie man viertel vor Fünf auf Italienisch sagt, da lacht er, will wissen, woher wir kommen. Della Svizzera, und da staunen sie. Während dem Gespräch hat die Ampel auf Grün geschaltet, die Autofahrer hinten dran warten geduldig, bis wir uns verabschiedet haben! Solche Begegnungen hatten wir schon lange nicht mehr.
Meine Karte zeigt viele Campingplätze auf der Strecke an, aber bis Monópoli finden wir keinen, sie wurden umgewandelt in Bagni und Lidos, das ist wahrscheinlich lukrativer als Zeltplätze. Die Strände sind klein, es ist sehr felsig, es riecht nach Fisch und Algen. Wo immer möglich ist der Strand bewirtschaftet, eingezäunt und es muss bezahlt werden, für den beschatteten Parking, den Aufenthalt unter den Bäumen, den Liegestuhl im Sand, die Getränke an der Bar und das Essen im Restaurant. Das ist eine kostspielige Angelegenheit, deshalb sehen wir diese Parkplätze leer, diese Strände und Bars sind fast nur vom Personal bevölkert. Die meisten Menschen ziehen es vor, irgendwo an einem freien Strand, oft dichtgedrängt, auf den Felsen zu sitzen. Liegestühle, Tische und Sonnenschirme und die Kühlbox sind auch mit dabei. Und das Auto steht am Strassenrand in der Gluthitze, dafür gratis.
In Monópoli holen wir auf dem Radweg eine Gruppe von jungen Männern ein, ihre Fahrräder vollgepackt mit Taschen, Zelt und die Liegematten gerollt obendrauf. Aha, das sind auch Reisende! Sie sind seit 5 Tagen unterwegs, in Ravenna sind sie gestartet, fahren bis Gallipolli und von dort mit dem Zug wieder nach Hause. Die 4 Kilometer bis zum Camping vergehen im Flug, wir sind zu sechst ein grobes Verkehrshindernis auf der kleinen Küstenstrasse, aber die Autofahrer nehmen es gelassen, fahren langsam und überholen sehr rücksichtsvoll. Wir wünschen den Jungs eine gute Fahrt und noch viele solche Reisen!
Am zweiten Tag auf dem Platz fahren plötzlich um die Mittagszeit zwei kleine Lieferwagen herum, einer mit Lautsprecher, der Fahrer preist seine Waren an. Unsere Zeltnachbarn halten ihn an, ich habe unterdessen auch verstanden, dass er Lebensmittel verkauft. Los, wir schauen mal, was er verkauft: schon stehen auch andere Nachbarn da und wir probieren Käse und Salami, werden über die lokalen Spezialitäten aufgeklärt und haben etwa eine Viertelstunde später eingekauft für ein bis zwei leckere Mittagessen: Burrata, einen Schafskäse und eine halbe Salami. Der andere Lieferwagen kommt mit Gemüse und Früchten, da kaufen wir auch ein, und werden überhäuft mit speziellen Sorten Gurken, eine ist rund wie eine Melone, die andere mit ganz haariger Haut und eine, die aussieht wie eine Nostrano. Dazu einen Beutel voll Rucolasalat, eine Melone, eine Aubergine und Zucchetti, kleine grüne Peperonis,…Essen in Hülle und Fülle! Den Primitivo Wein aus dem kleinen Minimarket haben wir auch schon probiert, wir essen und trinken wie die Fürsten!
Unsere Zeltnachbarn klären uns über die Sehenswürdigkeiten in der Nähe auf, einige besuchen wir mit dem Fahrrad, frühmorgens, dann ist das Fahren noch sehr angenehm. So besuchen wir einen freien und sicher über einen Kilometer langen Strand. Es ist ein Naturschutzgebiet, die Dünen und der Sumpf hinter dem Strand sind geschützt, aber vorne am Meer darf man sitzen und baden. Da hat es nicht so viele Leute, man muss ein paar hundert Meter zu Fuss zum Meer laufen, das ist halt für viele Menschen schon zuviel.
Mittags wird es nun immer über 30 Grad, und die Sonne brennt. Das kleine Strändli beim Zeltplatz ist zwar schön anzusehen, aber es hat uns einfach zu viele Leute da. Eine kalte Dusche geht auch.
Es sind immer noch Corona-Zeiten. Was nützt es denn, wenn wir zwar nach jedem Gang zu den Sanitäranlagen die Hände desinfizieren und in allen geschlossenen Räumen eine Maske tragen, wenn wir dann Schulter an Schulter im Meer stehen und baden? Wir wollen vorsichtig bleiben! Die Distanz zu wahren ist für alle Menschen wohl ein sehr schwieriges Unterfangen, wir sehen es jeden Tag, und wir können es auch immer wieder in den News lesen.
Wir haben Kontakt aufgenommen zu einem Paar, das seit 2016 zu Fuss unterwegs ist mit 2 Eseln und einem grossen Hund. Sie sind von Italien nach Schweden und wieder zurück gelaufen! Momentan leben sie auf einer Farm bei Castellano Grotte, einem Städtchen im Hinterland von Monópoli. Wir dürfen da auch unser Zelt aufstellen und verbringen zwei wundervolle Tage zusammen. Wir erfahren, wie sie unterwegs sind, für die Übernachtung fragen sie immer jemanden an der Haustüre, natürlich vor allem bei Bauern, sie brauchen ja auch Platz für die Esel! Da wird jede Begegnung zu einer Geschichte. Sie könnten ein dickes Buch darüber schreiben!
Die Gegend gefällt uns, es ist hügelig, hat viele verschiedene Bäume, Oliven, Zitronen, Orangen, Kirschen und kleine Birnen, die Strässchen schlängeln sich zwischen den Steinmäuerchen durch. Hier und da steht ein Trulli, mal verfallen, mal zurechtgemacht als Ferienhäuschen. Diese Häuschen sind ursprünglich nur aus Feldsteinen aufgeschichtet, mit einem runden Dach, das wie ein Hütchen aussieht. Da war vor ein paar hundert Jahren ein Fürst, der wollte Steuern sparen. Wenn ein Dorf gebaut wurde, hätte er bezahlen müssen. Er liess seine Bauern nur solche Häuschen bauen, damit er sie sofort zerstören konnte, wenn seine Ländereien inspiziert wurden. Später wurde dann Alberobello zur eigenständigen Stadt und musste nicht mehr bezahlen. Aber da war die Bauweise schon so verinnerlicht, dass die Häuser weiter so gebaut wurden.
Wir nähern uns also dieser Hauptstadt, Alberobello. Die Stadt sieht hübsch aus, aber der Touristen Rummel in den Trullistrassen wird uns schon fast zuviel. Wie war das wohl in den letzten Jahren? Italien hat Ferien, sie sind in Italien unterwegs, es hat auch welche mit dem Zelt. Die Auswahl der Unterkünfte aus Tuch ist aber sehr klein, Decathlon hat das Business ganz in seiner Hand: es gibt Quechua, in allen Grössen und Farben. Aber es hat natürlich auch Leute, die mit einem Camper vorfahren, und zwar mit ziemlich Neuen und Grossen. Wir geniessen es, auf dem Camping zu sein, wenn es auch andere Leute hat! Sonst sind wir ja oft die einzigen. Auch das Restaurant überrascht uns mit seinen Speisen. Wir schlemmern hier zweimal wunderbar! Die Köchin begrüsst uns das zweite Mal mit den Worten: heute gibt es nur Pasta! Aber dann kam eine unschlagbare Pasta!!!!
Wir kontaktieren von hier aus zwei Workaway-Gastgeber, wir hoffen, irgendwo für ein bisschen Mithilfe wohnen zu dürfen, bis die grosse Hitze wieder vorbei ist und das Fahrradfahren wieder mehr Spass macht. Schon bald habe ich eine Antwort, Interesse ist da, wir können mal vorbeikommen. Um dort vorbeizukommen, brauchen wir etwa drei Tage. Wir packen also unsere Sachen und fahren frühmorgens los. Ich habe die Ciclovia del Aequaducto Pugliese entdeckt, da können wir ein Stück verkehrsfrei fahren. Cappuccino mit Cornetto gibt es unterwegs in einem der schönen kleinen Städtchen, die alle auf einem Hügel sitzen und hübsche alte historische Zentren mit kleinen Gässchen haben.
Die Ciclovia fährt sich gut, die vielen Aequaductos sehen wir kaum, da wir ja obendrauf fahren. Da wurden anfangs 20.Jahrhunderts kilometerweit grosse Röhren verlegt und Brücken gebaut, um das kostbare Wasser durch das Land zu transportieren. Nach etwa 30 Kilometern ist leider Schluss für uns, der Weg wird seit längerer Zeit nicht mehr unterhalten, die vielen Barrieren (so alle 20-50 Meter hat es zwei, wenn ein Feldweg oder ein Strässchen kreuzen) müssen wir mühsam umrunden. Grosse Büsche überwachsen den ganzen Weg, so dass wir kaum mehr vorwärts kommen. So suchen wir uns wieder einen anderen Weg durch die Dörfer und auf geteerten Strassen. Es geht Richtung Meer, auf die Innenseite des Absatzes hinunter. Hier kommen wir auf einen richtig italienischen Zeltplatz. Die Wohnwagen sind halbe Burgen, gedeckt und umwickelt mit dem dunkelgrünen Plastik. Es wimmelt von Kindern, die sanitären Anlagen sehen alt und billig aus, es fehlt an allem, sogar an genügend Platz auf dem WC und in der Dusche. Es ist jetzt Hochsaison, die Preise werden täglich höher, hier bezahlen wir 30€, beim nächsten dann schon 50€!!!!
Wir könnten doch wild zelten! Ja klar! Aber wir sind uns einig: eine kalte Dusche ist jetzt einfach ein Muss! Und für mich Kleider waschen auch, ich schwitze literweise alles nass, es ist ein Graus, am nächsten Tag wieder in dieselben Kleider zu steigen. Da reicht jetzt ein 5 Liter Wassersack einfach nicht mehr! Ein bisschen Luxus halt. Dazu kommt, dass die Plätzchen hier sehr dünn gesät sind, überall sind Privatgrundstücke und Zäune. Im Wald möchte ich bei der hohen Waldbrandgefahr auch nicht zelten, man weiss ja nicht, wann es wo brennen könnte.
Nun hoffen wir umso mehr, dass wir bald Workaway machen können!
Abschied von Griechenland
Plötzlich geht alles ganz schnell. Die Hoffnung auf eine direkte Fähre nach Korfu hat sich zerschlagen. Dieses Jahr sind solche Verbindungen nur über Patras möglich. Aber wenn wir nach Patras gehen, könnten wir auch nach Italien. Venedig? Ancona? Bari?
Aber halt, jetzt von Anfang an:
Von Argostoli fahren wir nach Sami, eine schöne Fahrt, frühmorgens noch vor sieben Uhr ist alles gepackt, damit wir vor dem Frühstück losfahren können. Und da, als ich aufsteigen will, bemerke ich bei meinem Vorderrad einen Platten!! Sch… !!! Wertvolle kühle Zeit geht verloren, genau 20 Minuten, dann hat Martin den Schlauch gewechselt und wir können wirklich los! Die ersten zwei Stunden fahren wir fast alles im Schatten der Hügel, wir nehmen extra den längeren Weg dafür. Es geht hoch auf 250 müM. Sanft steigt die Strasse der Küste entlang in die Höhe. So ist es am Schönsten zu fahren. Irgendwo in einem kleinen Dorf genehmigen wir uns einen Kaffee und Croissants. Eine Banane hat schon vorher die Energiereserven aufgefüllt. Nach jeder Steigung kommt auch eine Abfahrt, auf der anderen Seite geht es wieder runter auf Meeresspiegel. Schön, den Fahrtwind zu spüren. Die letzten 15 Kilometer sind dann der Küste entlang, ist es jetzt sehr heiss, Mittagszeit! In Sami installieren wir uns auf dem Camping, ganz unter den schattigen Bäumen. Hier sind die Sanitäranlagen viel besser ausgerüstet, so wie wir uns vorstellen, dass es sein müsste: Seife, Toilettenpapier und aussen bei den Türen Desinfektionsmittel, hier hat es sogar Papierhandtücher. In Sami machen wir uns schlau über all die Möglichkeiten weiterzufahren, wir haben eigentlich gedacht mit einer direkten Fähre nach Korfu zu fahren. Aber die fährt eben nicht, alles gecancelt. So buchen wir kurzerhand die Überfahrt nach Patras und von da aus gegen Abend die Fahrt nach Bari! Die Entscheidung fällt für die kürzeste Verbindung, Fähre fahren ist nicht unser Ding. Und diesmal sind wir fast die einzigen Touristen auf dem Schiff! Meine Befürchtung im Dezember, dass ich die einzige Frau sein werde auf dem Schiff, hatte sich damals nicht erfüllt, diesmal aber sind fast nur Lastwagenchauffeure auf dem Schiff, die Decks sind voll mit diesen riesigen 40Tönnern. Eine Kabine buchen ist obligatorisch, es gibt gar keine Diskussion diesmal.
Die sieben Monate in Griechenland haben ihre Spuren bei uns hinterlassen, trotz Sprach- und Leseschwierigkeiten hat es uns sehr gut gefallen. Dank der Gastfreundschaft von unseren Freunden in Petalidi nehmen wir viele gute Erinnerungen mit! Trotz Quarantäne und Lockdown.
In Patras müssen wir unsere Tickets abholen, die müssen auf Papier gedruckt sein. Das Büro in der Stadt verweist uns auf den Fährhafen, da werden wir die Tickets erhalten…gut, dann gehen wir vorher noch im gleichen Imbiss wie im Dezember essen, einen schönen griechischen Salat zum Abschied! Der Hafen liegt etwa 4 Kilometer ausserhalb der Stadt, natürlich ist alles Einbahn und für Autofahrer konzipiert, mit langen Umwegen, aber wir fahren über Parkplätze und Gehsteige, bis wir beim Hafengebäude sind. Dort erhalten wir die Tickets und einen Stapel Formulare zum Ausfüllen, wegen Covid-19 muss über den Gesundheitszustand genau Auskunft gegeben werden.
Die Wartezeit nützen wir zum Umpacken, wir wollen nur zwei Taschen mitnehmen, den Rest lassen wir am Fahrrad. Etwas zu Essen, Kleider und die Flipflops. Dann geht’s zum Security Check:
Ein Polizist kontrolliert unsere Identitätskarten, dann muss alles Gepäck durch die Röntgenmaschine, die Frau entschuldigt sich für die Umstände. Alles ist gemacht für Passagiere zu Fuss, ohne Fahrrad. Der Durchgang hinaus ist so eng, wir müssen all unsere Taschen hinaustragen, bevor wir sie auf das Fahrrad laden können. Die automatischen Türen schliessen jedesmal, und lassen sich von aussen nicht öffnen…deshalb steht der Polizist freundlicherweise in den Türrahmen, damit wir auch die Fahrräder hinausbekommen.
Wir sollen auf einen Bus warten, der uns zur Fähre bringen wird. Da interveniert Martin freundlich und erklärt, dass es für uns etwas einfacher geht, selber hinzufahren, wegen dem Gepäck auf dem Fahrrad… Sie willigen ein, wir dürfen selber fahren, mitten in all den Lastwagen, wow! Ich erinnere mich an all die anderen Überfahrten, die wir schon gemacht haben, zwischen den Autos und Lastwagen einfach hinfahren, auf die Fähre drauf und nirgendwo Kontrollen. Auf dem Schiff wird als Erstes Fieber gemessen, in dieser Hitze fühle ich mich wie mindestens mit 40 Grad! Aber dann Vertrautes, der Platz für die Fahrräder, freundliche Begrüssung der Crew, wir werden zu unserer Kabine gebracht und als erstes steigen wir unter die Dusche! Es ist heiss, das ganze Prozedere stresst halt und ich bin klatschnass vor Schweiss. Das obligatorische Maskentragen auf dem ganzen Schiff macht es auch nicht gerade einfacher. Nach der Abkühlung gehen wir auf Deck und können zuschauen, wie die Lastwagen einparken, auf den Millimeter genau, es ist faszinierend!
In der leeren Bar genehmigen wir uns ein Bier, es gibt sogar ein paar Nüsschen dazu… (Preisvergleich: am Mittag assen wir ein ganzes Menu mit zwei Getränken für 11 €, jetzt bezahlen wir 9€ für zwei Bier mit Beilage!)
Argostoli
Wir wohnen nun auf dem Camping in Argostoli. Er liegt an der Spitze der kleinen Halbinsel, etwa 2Kilometer durch einen Pinienwald von der Stadt entfernt. Auf dem Platz sind nur wenige andere Gäste, die meisten auch mit dem Zelt: Belgien, Bulgarien, Griechenland, Italien, Österreich, Serbien, Tschechien, Ungarn. Familien und Pärchen aus Nationen, die wir sonst kaum irgendwo auf einem Camping angetroffen haben.
Am Wochenende ist es etwas voller, da wird es bei den Toiletten und Duschen schon etwas enger. Die Ablagen im Küchenhäuschen werden ziemlich schmutzig und der Kühlschrank platzt fast aus den Nähten! Hier sind die Richtlinien fürs Putzen noch nicht angekommen. Einmal im Tag genügt! Und das in Zeiten von Corona! Wir verhalten uns azyklisch, duschen, wenn sonst niemand dort ist und desinfizieren die Hände nach jedem Gang zu den gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten.
Eines Tages bekommen wir einen neuen Nachbarn. Ein junger Mann wird mit dem Auto der Besitzer zu einem der kleinen Hüttchen neben unserem Zelt gebracht, sein Gepäck wird ausgeladen und er zieht fröhlich pfeifend ein. Er wandert ein paarmal an uns vorbei, jedes Mal ein freundliches Lächeln auf dem Gesicht, von einem fröhlichen Calimera oder good morning begleitet. Später kommt er zu uns, wir plaudern zusammen. Tauschen uns aus über unsere Herkunft, erzählen von unserer Reise. Er kommt aus Bangladesh, lebt seit ein paar Jahren in Athen, ist hier der neue Putzmann, eigentlich wäre er ein Kellner auf Rhodos, aber sein Hotel macht dieses Jahr wegen den fehlenden Touristen gar nicht auf. Deshalb suchte er irgendeine Arbeit, Hauptsache Arbeit und Einkommen. Schon am Nachmittag ist er an der Arbeit, die Toiletten und Duschen werden blitzblank, Seifenspender und Desinfektionsmittelspender sind wieder aufgefüllt. Der Abfalleimer endlich wieder einmal geleert. Gute Arbeit. Der Platz hat mehrere Toilettenhäuschen, aber „unseres“ ist das Neueste, meist benutzte. Er putzt aber auch die anderen, ist wahrscheinlich auch in der Küche an der Arbeit. Gegen Abend kocht er dann im Küchenhäuschen sein Abendessen, Reis und ein scharfes Hühnercurry, wir riechen es aus 50 Meter Distanz. Während dem Kochen telefoniert er mit seinen Freunden, Familie, etc. hat das Handy unter dem T-Shirt auf der Schulter, damit er beide Hände frei hat. Wir hören zu, verstehen gar rein nichts. Er lacht oft, hat viel zu erzählen, noch aus seinem Häuschen hören wir ihn bis in die Nacht hinein mit seinen Leuten plaudern. Ein schwieriges Leben, so allein, so jung, weg von all seinen Freunden. Was er wohl schon alles erlebt hat? Wir denken unweigerlich an die vielen Flüchtlinge in all den Camps hier in Griechenland, ist er einer von Ihnen? Hat er Glück gehabt, weil er Arbeit gefunden hat? Oder Pech, weil er zu einem Hungerlohn und ohne Versicherungen arbeiten muss?
Fragen über Fragen die uns beschäftigen.
Nach ein paar Tagen, wir sitzen am Frühstück, da kommt er ganz aufgeregt zu uns, sagt uns, dass er geht. Gehen muss. Er hat doch gut gearbeitet, es war jetzt immer schon frühmorgens sauber, aber er ist zwischendurch zu seinem Häuschen gegangen und hat etwas zu essen geholt, da hat ihm der Chef gekündigt….???
Wir haben nie gesehen, dass er eine Einführung in den Job gehabt hätte, dass ihm jemand gezeigt hätte, was er zu tun hat. Er ist aufgewühlt, telefoniert den halben Morgen, mal tönt er wütend, dann wieder verzweifelt. Und wir sitzen da und können nicht helfen, wie auch? Seine Welt unterscheidet sich so sehr von unserer, wir sehen keinen Weg, uns einzumischen und etwas für ihn zu bewirken. Bevor er abreist, bedanken wir uns für seine Arbeit, wünschen ihm alles Gute. Ein schales Gefühl bleibt in uns. Wir gehören zu den Gewinnern in diesem System. Begegnungen wie diese zeigen, wie es den Menschen geht, die nicht so grosses Glück gehabt haben wie wir.
Oder der Grieche, der in einem kleinen Zelt wohnt. Ein kleiner Smart-Sportwagen, Zweiplätzer, steht daneben, eine Plache verdeckt das Fenster in der Fahrertüre, die Scheibe ist kaputt. Der Mann bewegt sich aber vor allem mit einem Motorrad, z.B. zum Einkaufen bei Lidl, etwas ausserhalb der Stadt. Aber auch, wenn er an den Strand geht, oder unter die Dusche, oder im Kühlschrank ein Bier holt, immer fährt er mit seinem Motorrad. Er ist klein und dick, etwas Bewegung täte ihm gut. Er spricht ein wenig englisch, wir unterhalten uns ab und zu im Küchenhäuschen. So erfahren wir ein wenig über sein Leben: Er war Wrestling-Boxer, später dann Coach, in der Krise hat er alles verloren und 17 Monate auf der Strasse in Athen gelebt. I fight for food, sagt er. Heute geht es ihm wieder besser, aber sein Vater sei vor zwei Wochen gestorben, deshalb brauche er ein wenig Distanz zu seiner Familie, sein Vater war sein bester Freund. Er bietet uns seine Spaghetti an, seine Zwiebeln und auch sein Olivenöl dürften wir brauchen! Wir lehnen dankend ab, sagen ihm, wir haben selber Pasta und Zwiebeln, und Olivenöl aus Kalamata. Er freut sich und erklärt uns die Unterschiede der Öle…Nach ein paar Tagen zieht er in ein grösseres Zelt, seine Familie werde kommen, er räumt auf, da seine Habe in tausend verschiedenen Plastiktaschen rund ums Zelt herumliegt. Er hat wieder bei Lidl eingekauft, ein kleines gelbes Zelt, für die Tochter, und einen blauen Sack, der als Liegesack dienen soll. Martin will ihm helfen den Sack aufzublasen, aber da geht die Luft gar nicht richtig rein, eher immer wieder raus. Völlig unbrauchbar. Er wird ihn wieder zurückbringen, 15 Euro gespart! Am Freitag dann trudelt die Familie ein, da im Auto und auf dem Motorrad nur eine zweite Person Platz hat, muss er ein paarmal fahren, bis alle da sind. Seine Frau und zwei erwachsene Töchter, alle sind zu dick, eine Tochter kann schon fast nicht mehr laufen, so viele Kilos zuviel hat sie. Warum nur ist dieses Mädchen so dick geworden? Warum nur hat niemand ihr geholfen? Hat sie sich nicht helfen lassen? Wovor muss sie sich schützen mit dieser Schicht Fett rundum? Auch hier Fragen über Fragen!
Und da, am Abend, vermisst unser Grieche Fleisch aus dem Kühlschrank. Der Dieb soll mit mir kämpfen, sagt er wütend zu Martin. Und dieser antwortet, niemand will mit dir kämpfen, du bist zu stark. Das nimmt dem Mann den Wind aus den Segeln, er beruhigt sich, freut sich über das Kompliment. Martin hat manchmal schon das Gespür für die richtigen Worte!
Die Stadt ist morgens voller Leben, das Chaos auf den Strassen ist typisch griechisch: auf beiden Seiten wird geparkt. Wenn gerade kein Platz frei ist (was meistens der Fall ist), hält man vor dem Geschäft an, Warnblinker rein, und dann kann man einkaufen, ohne zu viele Schritte zu machen. Der Verkehrsfluss stockt manchmal, vor allem wenn ein Lieferwagen oder Lastwagen zu breit ist. Dann wird schon mal gehupt, und halt gewartet, bis der Besitzer des Hindernisses seine Einkäufe erledigt hat und weiterfährt. Das geht alles ziemlich unaufgeregt vor sich, selten sieht man jemanden fluchen oder die Hände verwerfen.
Am Nachmittag ist die Stadt dann wie ausgestorben, viele Geschäfte sind geschlossen, in den Tavernen sitzen vielleicht ein paar Gäste, aber es ist sehr ruhig. Das ist ganz normal, es ist so heiss und die Griechen machen Siesta!
Abends, nach 19 Uhr, beginnt das Leben wieder, es wird spaziert und flaniert, so wie wir es aus vielen anderen südlichen Ländern kennen! Bis zum Ende der Fussgängerzone, dann zurückspaziert und das ganze nochmals von vorne…und so ab 20.30 Uhr füllen sich einige der Tavernen, aber da geniessen wir schon längst unser Abendessen.
Frühmorgens ab 6Uhr machen wir ab und zu eine Runde mit dem Fahrrad (20-40 Km). Anschliessend ist das tägliche Bad im Meer angesagt, wir haben in einem Pinienwald einen wunderschönen Platz gefunden, wo es uns sehr gefällt, es hat viele kleine Mini-Strändchen, einige mit Sand, andere mit weissen Kieselsteinchen, mitten in einer felsigen Küstenlandschaft. Die Zufahrt geht über ein holpriges Natursträsschen, das man von der Strasse aus fast nicht sieht. Meistens sind wir allein da, und geniessen es in vollen Zügen. Viele Tage streichen dahin mit diskutieren, lesen und faulenzen. Ein paar Mal versuchen wir, Brot zu backen auf dem Gasherd, haben sogar eine Backform gekauft zu diesem Zweck. Die ersten Resultate sind noch nicht sehr ermutigend. Wir müssen uns wahrscheinlich damit begnügen, Fladenbrot herzustellen, das ist essbar, hat aber noch einiges an Verbesserungspotenzial.
Chris und Anita nehmen uns mit auf einen Ausflug zum Melisana-Cave, einem halb unterirdischen See. Der Massentourismus fehlt, der Bootsführer auf dem See erzählt von normalerweise 3000! Gästen täglich im Juli und August. Jetzt sind nur ein paar wenige Leute, die sich den See zeigen lassen. Schön für uns, schlecht für ihr Geschäft!
Die Tropfsteinhöhle, die wir anschliessend besuchen, ist ein trauriges Beispiel dafür, wie negativ sich der Massentourismus auswirken kann: fast alle grossen Stalagmiten und Stalaktiten sind abgebrochen, die Felsen sind schwarz und grün vom Licht und den Berührungen und Ausdünstungen der Menschen, die hier durchgeschleust werden.
Auf dem Rückweg fahren wir auf den höchsten Berg der Insel, den Ainos, 1628 M. Es ist angenehm kühl hier oben, die Aussicht etwas milchig. Der Tannenwald und der graue Fels erinnert mich an den Jura, die Aussicht oben noch mehr, nur war das Meer damals im Jura ein Nebelmeer!
Vor einer Woche hatten wir uns für einen 14-tägigen, freiwilligen Einsatz bei Wildlifesense (der Schildkröten-Organisation) angemeldet. Nun haben wir Antwort erhalten: Leider ist es dieses Jahr nicht möglich, die Einsätze durchzuführen, da viele der Angemeldeten gar nicht kommen können, weil Flüge gestrichen sind und die Leute aus England und den USA noch gar nicht nach Griechenland einreisen dürfen.
Alles abgesagt! Schade!
Wir wären ja da auf der Insel und wären bereit gewesen, die Nester der Schildkröten an den Stränden zu finden und zu beschützen. Aber sie sind da gar nicht darauf eingegangen.
Jetzt ist wieder alles offen, Nach fast zwei Wochen hier auf dem Camping bekommen wir langsam wieder Lust aufs Weiterfahren! Argostoli gefällt uns zwar immer noch sehr gut, aber das Reisefieber beginnt wieder stärker zu werden! Mal sehen was sich daraus ergibt!
Kefalonia
Ein paar Tage bleiben wir in Palouki auf dem Zeltplatz, mit Blick aufs Meer. Ich gehe hier das erste Mal baden, das Meer ist angenehm warm und ruhig. Mal gehen wir Fisch essen in der Taverne nebenan. Es hat sogar ein paar griechische Gäste. Es ist fast wie Ferien!
In Killini müssen wir warten, es geht nur einmal pro Tag eine Fähre, um 9.45 Uhr. Wir verbringen eine Nacht in einem Olivenhain, mit Aussicht aufs Meer.
Die Vorschriften auf der Fähre sind streng, Maske tragen während der ganzen Reise ist Pflicht. Diese dauert nur 1 Stunde und 30 Minuten, das ist auszuhalten.
Auf Kefalonia werden wir erwartet, hier hat es einen Warmshower-Host, Christopher und Anita. Und wen treffen wir da wieder? Den jungen Franzosen, den wir in Kyparissia getroffen hatten! Wir fühlen uns sofort sehr willkommen. Die Fahrt hierher hat uns gefordert, die letzte Steigung ist mir beinahe zuviel geworden, ich muss das Fahrrad die halbe Strecke stossen. Es ist nicht die Steigung allein, ich schwitze wie wahnsinnig und obschon ich viel trinke, verdurste ich fast und der Kopf platzt beinahe vor Hitze! Abends habe ich Halsweh, fühle mich ausgelaugt. Die Sonne ist heiss, es wird täglich gegen 30 Grad, zwischen 12-16 Uhr wollen wir nicht mehr fahren, es verbrennt uns trotz Sonnenschutzfaktor 50 die Haut an Armen und Gesicht.
Wir dürfen ein paar Tage hierbleiben, wir verbringen sie im Schatten auf der Terrasse, beobachten, wie einige Fenster und Türen am Haus ausgewechselt werden. Es ist ein griechisches Sommerferien-Haus, stand über 10 Jahre leer, war völlig überwuchert. Seit zwei Jahren nun leben die Beiden hier, haben im Garten aufgeräumt, viele Pflanzen mussten radikal geschnitten werden, zwei Palmen waren abgestorben und mussten weggeräumt werden. Das Haus hatte noch alte Eisentüren aus den 70er Jahren, und einige der Fenster waren auch nur einfach verglast. Langsam renovieren sie das Ganze, damit es im Winter warm bleibt im Haus.
Gegen Abend fahren wir manchmal im Auto zum Baden oder für ein Bier ans Meer (ja die 170 Meter Höhenunterschied bis zum Strand möchten wir ungern bei dieser Hitze nochmals mit dem Fahrrad machen). Sie fahren oft mit ihren Elektro-Bikes herum, machen auch grössere Touren auf der Insel.
Einmal nimmt mich Anita mit nach Argostoli, der Hauptstadt der Insel, und da weiss ich, dass wir angekommen sind, hier gefällt es mir! Da wohnen genug Leute, so dass ein Alltag ohne Touristen möglich ist. Viele Geschäfte sind offen, der Markt mit Früchten, Gemüse, Fisch und Fleisch gut besucht. Die Fischer verkaufen den Fisch direkt vom Boot, die Möwen warten im Hintergrund auf die Abfälle, und hier schwimmen grosse Schildkröten herum, auch sie auf der Suche nach Essbarem. Es gibt zwei Arten, die hier an den Stränden ihre Eier ablegen, die Spuren im Sand haben wir vor ein paar Tagen bei einem Strandbesuch gefunden. Ein Team von Wildlife Sense (Forscher und Beschützer von Meeresschildkröten) nummeriert gerade eine der Schildkröten, und misst sie aus, bevor sie wieder ins Wasser zurückkehren kann.
Klar, in einem normalen Sommer kommen viele Touristen, sogar Kreuzfahrtschiffe landen hier und schleusen Menschenmassen durch die Stadt. Aber dieses Jahr wird es sehr ruhig bleiben, da die Mehrzahl der Gäste von England kommen würde, die Grenze noch geschlossen ist für die Engländer und Kreuzfahrtschiffe dürfen in Griechenland auch noch nicht andocken.
Wir werden auf den Camping ziehen, uns eine Weile dort einrichten. Vorher aber machen wir noch eine Tagestour rund um die Insel, Anita und Christopher wollen uns „ihre“ neue Heimat zeigen. Wir besuchen Strände und kleine Orte, die unten am Meer sind, die Strasse aber verläuft auf 200-300 Höhenmetern, also alles Orte, wo wir uns zweimal überlegen, ob wir da voll beladen runter fahren wollen, da es danach wieder genau gleich rauf geht. Und die Strasse ist zum Teil sehr steil. In Assos gehen wir in einer kleinen Bucht mit Schatten selber ins Wasser, es hat Felsen rundum, ist gut zum Schnorcheln. Hier hat es ein paar wenige Familien am Strand, ein paar Häuschen sind bewohnt, die Tavernen sind offen und drei Yachten ankern im Wasser.
In Fiskardo, ganz im Norden der Insel, treffen wir auf viele Menschen, die in den Tavernen im Hafen sitzen. Wir wundern uns, wieso es hier so viele Leute hat, bis wir das grosse Schiff entdecken, das kurz nach unserer Ankunft seine Gäste per Lautsprecher auffordert, wieder an Bord zu kommen. Da leert sich der Hafen und wir sind wieder fast allein am herumschlendern. Bevor wir weiterfahren verspeisen wir ein feines Eis. Im Wasser dümpeln ein paar Segeljachten, eine hat die Schweizerfahne gehisst, was mich verleitet, die Frau an Bord anzusprechen und ein paar Worte mit ihr zu wechseln. Sie sind aus Genf, das Schiff ist schon viele Jahre in Griechenland und sie kommen jeden Sommer für 6 Monate zum Segeln.
Kefalonia ist die Grösste der Ionischen Inseln, aber klein genug, um in einem Tag mit dem Auto rundherum zu fahren. Wir machen noch einen Stopp in Sami, hier kommen die Fähren von Patras an, also wird das vielleicht unser Abfahrtshafen, wenn wir weg wollen von der Insel. In Fiskardo ist die andere Fähre, die nach Lefkada fährt, auch das könnte eine Option für unsere Weiterfahrt sein. Durch ein schönes Tal mit tausend Zypressen fahren wir nach Poros, dem Städtchen, in dem wir vor ein paar Tagen angekommen sind.
Etwas in der Höhe hat es eine gemütliche Taverne, hier genehmigen wir uns ein feines Abendessen mit fantastischer Aussicht!
Zuhaue werden wir enthusiastisch von den drei Hunden begrüsst, das Abendrot leuchtet hinter den Bäumen und wir setzen uns noch ein wenig auf die grosse Terrasse, geniessen die abendliche Brise, die langsam die Hitze des Tages vertreibt. Das kühle Glas Wein hilft uns dabei, selber auch langsam abzukühlen.
Das war wieder ein wunderschöner, unvergesslicher Tag in guter Gesellschaft!
Auf nach Olympia
Schon um 8 Uhr morgens fahren wir los, ein noch kühler Wind streicht uns um die Ohren. Wir kommen gut voran und um 10 Uhr sind wir schon in Marathopoli, wo wir uns in einer Bäckerei Brot, Kaffee und Apfeltaschen kaufen. Hier hat es auch einen Camping, aber der ist geschlossen. Wir haben uns schon vorher entschlossen, nicht hier zu bleiben, der Tag ist noch lang, wir können noch gut ein paar Kilometer fahren. Es hat immer wieder Plätze am Strand, die wir zum Übernachten nutzen können. Gegen 13 Uhr ist es so heiss, dass wir auf einem Parkplatz Pause machen, im Schatten von Bäumen, der Wind vom Meer kühlt zusätzlich, aber mit der Zeit wird der immer stärker. Um 15.30 Uhr machen wir noch eine Etappe, durch Kyparissia durch. Da, fast schon ausserhalb der Stadt sehen wir einen Fahrradfahrer mit Packtaschen! Wir halten an, freuen uns, er auch. Wir plaudern kurz miteinander. Er ist Franzose und ist mit einem Segelschiff von Frankreich nach Piräus gesegelt! Und jetzt ist er auf dem Heimweg nach Frankreich! Mutig! Er übernachtet hier in der Stadt bei einem Warmshower-Gastgeber, es hat nur in drei Orten auf dem ganzen Peloponnes jemanden von Warmshower. Vielleicht treffen wir uns ja auf der Strasse irgendwo wieder!
In Kalo Nero bleiben wir am Strand, hier kommen Schildkröten her um ihre Eier zu vergraben. Von Freiwilligen werden die Nester gekennzeichnet und mit Gittern geschützt, damit die Hunde sie nicht ausgraben können. Auf dem Parkplatz stehen zwei Camper, mit deutscher Nummer. Beim Friedhof füllen wir unseren 5 Liter Wassersack, damit wir uns später duschen können. Wir bleiben etwas abseits, in der Nähe einer verlassenen Strandbar. Die Taverne ist geschlossen, es sind aber Vorbereitungen auf die(hoffentlich) kommende Saison im Gange. Martin wagt den Sprung ins Meer, mir ist der Wind zu stark. Ein paar Spaziergänger kommen vorbei, und abends, während wir unser Abendessen kochen, nochmals ein paar. Die Feuerwehr macht eine Runde, die Besitzer der Camper sitzen vor ihren Vehikeln, wir haben keine Lust zu Ihnen zu gehen. Wir geniessen den Abend, den Sonnenuntergang im Meer, und als es dunkel wird, stellen wir unser Zelt in der Strandbar auf, da sind wir gut geschützt, fast unsichtbar von der Strasse aus. Zwar hält dann noch ein Auto, junge Leute steigen aus, aber eine Frau erschrickt so, als sie uns sieht, dass alle wieder ins Auto steigen und wegfahren.
Gegen 23.30, wir haben schon geschlafen, ist plötzlich Lärm, Gerede, Lachen. Dann ein Feuerschein. Martin steht auf und „begrüsst“ die vier Jugendlichen, die da im Sand ein Feuerchen gemacht haben. Zum Glück weht der Wind von uns zu Ihnen und nicht umgekehrt, wegen den sprühenden Funken. Die Jungs haben es lustig, Martin sitzt vor dem Zelt und schaut Ihnen zu, markiert Präsenz. Wahrscheinlich hätten sie noch ein paar Paletten oder die Strohschirme, die neben der Bar daliegen, mitverbrannt, aber sie wagen es nicht, zu nahe an Martin heranzukommen. Nach etwa einer halben Stunde ist der Spuk vorbei, das Feuer heruntergebrannt und die vier trollen sich wieder Richtung Dorf.
Trotzdem kann ich danach sehr gut schlafen! Um 6 Uhr stehen wir auf, es dämmert und die Stimmung ist ganz toll. Wir packen das Zelt zusammen, machen Frühstück und Kaffee, ein schöner Tag hat gut begonnen.
Da wir nicht mit geöffneten Zeltplätzen rechnen, fahren wir einfach drauflos, auf Nebensträsschen, die Strecke ist sehr schön, es hat viele Dünen mit Pinien, das Meer ist wunderbar blau, der Strand menschenleer. Wir machen eine Fotosession, mit Kamera, Selftimer und Intervall-Auslöser. Fahrend, stehend, die Velos allein, mit uns, mit Helm, ohne Helm, etc….Treffen einen Franzosen (schon wieder, dieser ist aber älter, schon 77, mit grossem Camper, er verbringt seit 30 Jahren den Winter immer in Griechenland, auch dieses Jahr!)
Die Mittagspause verbringen wir in der Nähe eines ehemaligen Stellplatzes für Wohnwagen, direkt hinter der Düne, im Schatten von Pinien. Trostlos, dieser Platz, alle Häuschen sind leergeräumt, überall Dreck drin, zerrissene Matratzen, Lumpen, Abfall. Was ist da wohl passiert, dass der Betrieb eingestellt werden musste? Solche Erlebnisse lassen uns sehr nachdenklich werden. Das Land wurde von einer grossen Krise gebeutelt, hat vor allem die kleinen Leute getroffen, und die Folgen der Coronakrise sind noch nicht absehbar.
Im späteren Nachmittag geht’s noch ein paar Kilometer weiter, in einem Wald an einem See suchen wir uns ein verborgenes Plätzchen, wo wir unser Nachtlager vorbereiten. Nur ein Auto fährt dem Waldweg entlang, hält aber weiter vorne. Wir bemerken erst am nächsten Morgen, dass dort wahrscheinlich ein Platz ist, wo sich Verliebte im Auto vergnügen. Warum wir das sehen? Der Platz ist vollgemüllt mit Feuchttüchlein und Papiertaschentüchern. So schade! Man könnte den Abfall ja mitnehmen und im nächsten Container entsorgen! Aber das wissen wir ja schon vom Müll am Strassenrand: da wird einfach alles zum Fenster rausgeworfen. Wasserflaschen, Kaffeebecher mit dem Plastikhaubendeckel, Bierdosen, Colaflaschen, etc. Noch in 1000 Jahren werden unsere Nachfahren diese Sachen finden!
Die Nacht ist ruhig, nur zwei Motorradfahrern, jagen auf ihren Maschinen auf Hochtouren durch den Wald, veranstalten ein paar Wettrennen, hin und her. Auf dem See, der hinter dem Schilfgürtel versteckt ist, tuckert ein Motorboot vorbei, im Morgengrauen noch einmal, da sind wir schon am Packen und Frühstücken. Heute fahren wir nach Olympia, diese Ausgrabungsstätte will ich besuchen. Hier hat Martin auf dem Camping Diana angerufen, er ist offen. Gut! Wir treffen im Städtchen ein, es ist ruhig, hat aber doch ein paar Leute auf der Strasse und wir setzen uns in ein Cafe, die Fahrt hat uns erhitzt, es ging ein paarmal recht steil bergauf. Wir werden superfreundlich bedient, bekommen zum frischgepressten Orangesaft und dem alkoholfreien Bier eine Flasche Wasser und Chips! Und sofort das Passwort für WLan. Auf dem Camping erfahren wir, dass wir die ersten Gäste im 2020 sind! Die Broschüre stammt von anfangs der 80er Jahre, der Camping auch! Die Terrassen im oberen Bereich sind nur zu Fuss erreichbar, also nur für Zeltler! Wir suchen uns einen Ganztages-Schattenplatz aus, trotz des Alters der Anlage gefällt es uns auf Anhieb sehr gut. Die 82jährige Grossmutter des Besitzers wohnt im Häuschen auf dem Platz, sie war die Mitbegründerin des Platzes.
Wir bleiben ein paar Tage. Einen Tag verbringen wir auf dem Ausgrabungsgelände, riesige Brocken liegen da herum. Mit einem Plan können wir uns orientieren und finden dank Wikipedia viel über die Paläste und Tempel im Ort heraus. Auf dem Gelände sehen wir nur zweimal andere Besucher, dafür aber viele Aufseherinnen, die uns mit Argusaugen beobachten. Als wir mit unserem Stativ ein paar Fotos machen, kommt eine der Frauen zu uns und informiert uns, es sei verboten, professionelle Fotos zu machen, das brauche eine spezielle Bewilligung. Aha, unsere Kamera soll also eine Profikamera sein? Sie auf einen Steinblock hinstellen, das dürfen wir, und so haben wir trotzdem ein paar Selfies. Das Museum lassen wir aus, die vielen Statuen interessieren uns weniger. Einmal spazieren wir durch die Hauptgasse, da hat ein Laden mit Kleidern offen, vielleicht hat es einen Leinenrock? Ja sogar ein paar, aber alle sind mir zu gross und am Schluss haben wir ein schlechtes Gewissen, dass wir nichts kaufen. Die beiden Frauen haben sich eine solche Mühe gegeben, uns etwas zu verkaufen!
Back on the road again!
Endlich haben wir das Gefühl, dass wir mit unseren Fahrrädern wieder weiter reisen können. Viele Tavernen und Restaurants sind geöffnet, die Tische mit 2 Meter Abstand und das Personal hat Maskenpflicht. Hotels und Campingplätze dürfen auch öffnen, das Reiseverbot zwischen den Provinzen ist aufgehoben und die Grenzen zu den anliegenden Ländern gehen langsam auf. Ab dem 1. Juli sollte das Reisen in andere Länder europaweit wieder ungehindert möglich sein, sofern sich nicht zu viele Menschen wieder am Virus anstecken.
Es wurde uns auch im letzten Monat nicht langweilig, wir wanderten viele schöne Touren, ein Highlight ging einem Fluss entlang, durch Schilf und Urwald. An Wasserfällen mit türkisfarbenem Wasser vorbei, es war fast wie in den Tropen. Ein andermal eine Abendwanderung, den Vollmond sehen wir aber wegen den Wolken nicht. Das Abendessen in einer Taverne geniessen wir aber trotzdem. Und spätabends zeigt er sich dann doch noch.
Ein anderes Projekt war das Streichen eines Raumes im Haus von Karin und Manfred. Nach zwei intensiven Tagen war die Tat vollbracht!
Und immer wieder ans Meer, mal sanftes Plätschern, mal rauschendes, spritzendes Ungetüm.
Am 9. Juni nehmen wir Abschied. Und wagen es mit vollgepackten Fahrrädern Richtung Finikunda zu pedalen. Hier hat ein Camping geöffnet. Karin hat dort eine Bekannte und die hat uns versichert, dass offen ist. Wir pedalen und schieben, es gilt Hügel zu erklimmen und wir geraten trotz wöchentlichem Wandertraining ausser Atem und voll ins Schwitzen. Die Temperaturen sind angenehm. Aber wenn es bergauf geht, wird es schon ziemlich heiss. Die Fahrt durch die Hügel ist wunderschön und das Gefühl unterwegs zu sein ist unbeschreiblich.
Auf dem Camping in Finikounda ist wenig los, zwei Wohnwagen und ein Camper sind bewohnt. Mit einem australischen Paar tauschen wir unsere Erfahrungen der letzten Monate im Lockdown in Griechenland aus.
Auf einem schattigen Platz mit Meersicht gewöhnen wir uns an das Leben im Zelt. Es ist ganz anders als letzten Dezember! Die Tage sind wieder lang, die Nächte warm und das Zelt am Morgen trocken. So macht es richtig Spass. Positiv wirken sich die neuen Hygienevorschriften aus. Es hat überall Seife und Papierhandtücher, Toilettenpapier und Desinfektionsmittel, es wird geputzt und Abfall geleert, mehrmals täglich, das haben wir so noch nirgendwo erlebt.
Die erste Fahrt durch das Dorf Finikounda ist ein Spiessrutenlaufen, viele Läden und Tavernen sind offen und alles ist leer! Ja, sonst sei hier im Juni schon viel los, der Camping manchmal fast ausgebucht. Es ist richtig trostlos anzusehen. Wir sind ja schon oft durch trostlose touristische Gebiete gefahren, aber meistens war das in der Nebensaison und alles war geschlossen. Aber hier warten die Griechen auf ihre Gäste, alles wäre bereit. Einerseits. Andererseits bemerken wir aber die Angst vor dem Ansturm der Touristen und der Gefahr, dass sich das Virus unkontrolliert rasch verbreiten könnte.
Der Besuch der Burgruinen in Methoni gewährt uns einen Blick in die Zeit der Venezier und Ottomanen, die Burg und die Stadt waren ein strategisch wichtiger Ort an der Spitze von diesem Finger des Peloponnes. Auch hier sind wir fast die einzigen Besucher, das Dorf scheint in einen Dämmerzustand. Nur vor der Schule sehen wir ein kleines Grüppchen Schüler mit ihrem Lehrer bei einem Spiel. Zwei ältere Frauen schauen im Schatten von einem Baum zu.
Nach ein paar Tagen wollen wir weiter, ich habe auf den Webseiten der Campings nachgeschaut. Der eine Camping testet vor dem Check-in Temperatur und Sauerstoffgehalt im Blut. Das soll uns Recht sein. Die Fahrt geht wieder auf und ab, dazu kommt heute der starke Wind, bis 67km/h, natürlich Gegenwind! Da haut uns die eine oder andere Böe fast um. Die Strecke ist nicht sehr weit, so um die 30km werden es sein, genug für uns.
Im Städchen Pylos begegnen wir auf einem Parkplatz einem Schweizerpaar (ihr Auto hat CH-Nummern). Martin spricht sie an und wir plaudern ein wenig. Sie erzählen uns von einem deutschen Paar mit Kleinkind, das in ihrer Gästewohnung für die Zeit des Lockdowns untergekommen ist. Es hat also doch andere Reisende, die in Griechenland gestrandet sind.
Nach Pylos müssen wir ein im Bau befindliches Golf-Resort weiträumig umfahren, es wird ein riesiger Komplex, so richtig protzig und für Leute mit viel Geld.
Unser Ziel ist Gialova, ein kleiner Ort mit netter Hafenpromenade, gesäumt mit Cafes und Tavernen. Wir fahren zum Camping und stehen wieder einmal vor geschlossenem Tor! Ein Mann erklärt uns, dass der Camping erst am 20.Juni öffnen wird, sorry. (heute ist der 13. Juni) Auf der Webseite war kein Eröffnungsdatum verzeichnet. Was jetzt? Wir haben nämlich am Montagabend eine Verabredung mit Karin und Manfred hier in einem netten Restaurant.
Wir machen mal Mittagessenpause und Siesta, suchen ein Plätzchen im Schatten und Windschatten, an einem Strand, der einlädt zum Wildzelten…hier erörtern wir unsere Lage. Wildzelten, aber wir wollen unser Zelt nicht allein an einem Strand stehen lassen, wenn wir am Montag essen gehen! Ich schaue auf verschiedenen Plattformen im Internet, was so an Zimmern angeboten wird. Die Auswahl ist klein und teuer. Zurück nach Pylos (4,5km steiles Stück) wollen wir nicht.
Die Sonne brennt heiss, trotz starkem Wind. Das Meer wird mit weissen Schaumkrönchen aufgewühlt, es blendet. Während Martin sein Nickerchen macht, sitze ich nervös auf meinem Stuhl und kann mich nicht wirklich entspannen, die Gedanken drehen sich um alles, was uns passieren könnte.
Live starts, when you leave the comfort zone….stand irgendwo an einem Gartenzaun, gerade bevor ein steiles Stück Weg begann. Genau so fühlt es sich an. Es ist keine bedrohliche Situation, aber komfortabel ist sie nicht. Martin sagt, es entstehen immer gute Dinge daraus. Heute, wenn ich das schreibe, gebe ich ihm Recht. Aber während wir in einer auswegslosen oder schwierigen Situation stecken, habe ich manchmal Mühe damit.
Wir entscheiden uns, nochmals zurück ins Dorf zu fahren und uns zu erkundigen, ob das Restaurant am Montag offen hat. So langsam trauen wir den Webseiten nicht mehr.
Das Restaurant hat offen, wir telefonieren mit Karin, um den Termin zu bestätigen und sie hilft uns spontan, nach einer geeigneten Unterkunft zu suchen. Nach kurzer Zeit ruft sie uns zurück und bietet uns gleich mehrere Möglichkeiten an. Am Strand zelten geht definitiv nicht mehr, der Wind ist zu stark und wir wollen nicht weggeblasen werden.
Im einem älteren Restaurant fragen wir nach einem Zimmer. Ja sie haben eines und siehe da, auch der Preis stimmt. Dass wir ein Zimmer bekommen ist gar nicht so selbstverständlich, weil nur Hotels, welche das ganze Jahr geöffnet haben, bereits jetzt Gäste aufnehmen dürfen. Ab Montag dürfen alle anderen dann auch….Also ein Risiko für den Besitzer, falls es eine Kontrolle gibt. So wie wir das beurteilen können, finden Kontrollen eher in den Hotspots, wo vor allem Leute aus Athen hingehen, statt. Gialova ist kein solcher Hotspot.
Glücklich und entspannt sitzen wir auf der Terrasse bei einem kühlen Bier. Wir haben nie ausgelernt. Ab jetzt müssen wir im Voraus planen und organisieren. Campingplätze anfragen, ob sie bereits geöffnet haben. Mittags werden wir längere Pausen einplanen, die Sonneneinstrahlung ist einfach zu stark.
Nun haben wir also ein Zimmer, mit Balkon und Meersicht, und den Wind, den wir hier fast schon geniessen können.
Temporär sesshaft…
Schon wieder sind 8 Wochen vergangen seit meinem letzten Eintrag. Die Zeit vergeht im Flug, auch wenn wir nicht unterwegs sein können.
Es geht uns wie vielen Menschen in dieser Zeit, das Zuhausesein ist gar nicht schlimm, wir finden immer irgendetwas zu tun, auch wenn das Zuhause eine Ferienwohnung ist! Aber zugegeben, es ist eine schöne Ferienwohnung! Die an einem wunderschönen Ort steht, mitten in der Natur. Die wir jeden Tag auf unseren Hunde-Spaziergängen immer besser kennenlernen. Täglich entdecken wir neue Blumen, die wir zu bestimmen versuchen. Die Mandelblüten verwandeln sich in kleine, flaumige „Nüsse“, die Feigenbäume bekommen grüne Blätter und die ersten Früchte spriessen, die kahlen Feigenhaine werden zu einem grünen Meer.
Die Spaziergänge sind manchmal auch etwas länger, wir suchen neue Wege, und da kommt es schon mal vor, dass uns ein Bach in die Quere kommt! Und jetzt im April haben die Bäche noch Wasser, sogar ziemlich Wasser! Da mussten wir durch, das Dickicht war undurchdringlich, und die Spuren der Wlidschweine häuften sich. Alles ging gut, aber etwa 200 Meter weiter unten mussten wir dann wieder zurück auf die andere Seite….es hat uns aber sehr gut gefallen!
Andere Wanderungen führen hinauf in die Hügel und die Höhenmeter sammeln sich innerhalb von ein paar Kilometern. Wir sammeln aber nicht nur Höhenmeter, sondern auch wilden Spargel, den wir später zu einem feinen Essen verarbeiten.
Dann beginnen wir (wieder einmal), die erweiterte Bedienungsanleitung von unserer Kamera zu studieren, die kann ja noch so viel mehr als wir! Vieles, was da beschrieben ist, erscheint uns ziemlich kompliziert, es gibt zwei Menus, verschiedene Bedienungsebenen, Automatisches und Einstellbares, und bei unseren Feldversuchen klappt es manchmal gar nicht, die Kamera weigert sich, überhaupt ein Foto zu machen. Manchmal klappt es super, aber leider haben wir sicher beim nächsten Mal in zwei Monaten, wenn wir diese Funktion benützen möchten, wieder vergessen, wie wir das gemacht hatten!
Da ist die Handhabung der Handykamera schon viel einfacher….
Manchmal arbeiten wir im Olivenhain, nicht nur die Blumen sind am Wachsen, auch ganz viele Brombeeren, die bei einem terrassierten Gelände alles überwuchern mit ihren dornigen Ranken. Da helfen wir roden, mit dem Bagger wird der Boden aufgelockert, wir reissen dann alle Brombeeren aus, stapeln sie auf einen riesigen Haufen, wo auch noch viele Olivenzweige liegen. Am 14. April, dem letzten Tag dieses Jahr, wo man ein Feuer machen darf, verbrennen wir den ganzen Haufen. Es ist wahnsinnig, wie schnell und vernichtend so ein Feuer brennt!
Ich muss an die vielen zerstörenden Feuer auf der Welt denken, die nicht mehr kontrolliert werden können, weil sie einfach zu gross wurden.
Den riesigen Haufen Brennholz hat Martin in geduldiger Arbeit gesägt und in einem grossen runden Gitter gestapelt. Das wird jahrelang reichen, um das Haus zu heizen.
Meine Beschäftigung bestand aus jäten, viele Blumen versetzen, Sonnenblumen ansäen und aufziehen, versetzen und giessen, Basilikum und Rosmarin anziehen,…Gartenarbeit, die mir gefällt.
Wir lesen auch viele Bücher, dank eines Abos unserer Bibliothek in Burgdorf, in dem Online E-Bücher ausgeliehen werden können. Und Dank Karin, die uns ihre E-Book Bibliothek zur Verfügung stellt. Das ist super!
Seit dem 4. Mai werden auch in Griechenland die Einschränkungen gelockert, man darf jetzt wieder ohne schriftliche Bewilligung aus dem Haus, sogar grundlos, obwohl natürlich immer noch gilt „stay at home“. Aber das ist schon viel freiwilliger als im letzten Monat, wo drakonische Bussen bis zu 300€ pro Person drohten, wenn man ohne Permit (per Sms oder auf Papier), mehr als zu zweit im Auto oder zu weit weg vom Wohnort erwischt wurde.
Wir sind trotzdem gewandert mit unseren Freunden, mindestens 1-2 Mal pro Woche, nicht nur ums Haus, nicht nur zu zweit, mit dem Auto irgendwohin gefahren, auch mal an den Strand, …(alles war verboten) manchmal haben wir drei verschiedene Bewilligungen dabei gehabt, damit wir einigermassen legal unterwegs sein konnten. Begegnet sind wir kaum jemandem, das Wandern durch die Hügel ist ein Vergnügen, das die Griechen nicht praktizieren.
In den Olivenhainen sehen wir, dass gearbeitet wird, im April wurden die Äste geschnitten und verbrannt, danach vielleicht Gift gespritzt, (wenn das Gras von einem Tag auf den anderen braun wurde), später hörten wir manchmal einen Traktor rund um die Bäume pflügen, und momentan wird gemäht, wo das Gras stehen gelassen wurde. Jeder macht es ein bisschen anders.
Ende April haben wir dann die Wohnung gewechselt. Mit allem Gepäck sind wir die knapp 10 Kilometer gefahren. Dabei bin ich gestürzt, fast stehend, und habe mir den Ellbogen aufgeschürft und die Hüfte hat ein paar blaue Flecken abbekommen. Zum Glück bin ich mit dem Schrecken (und einer etwas mühsamen, nässenden und lange eiternden Schürfwunde) davongekommen.
Also: 6 Wochen Velopause, und schon bin ich aus der Übung! Da muss ich aufpassen, dass meine Aufmerksamkeit nicht nachlässt!
Die „neue“ Wohnung ist da, wo wir im Februar Haus, Hund und Katzen gehütet haben. Diese Freunde haben uns die Wohnung auch schon vor einiger Zeit angeboten. Jetzt sind wir wieder in zwei Minuten am Strand. Wir helfen, kleinere Arbeiten zu erledigen, wandern, kochen und essen oft zu viert. Abends spielen wir bis spät in die Nacht Karten, Martin ist froh, wenn Johnny ihn bei seinen strategischen Überlegungen unterstützt!
Die erste Tagestour mit dem Fahrrad haben wir schon hinter uns, es war ein wunderschöner Tag, perfektes Wetter, die Strassen immer noch sehr spärlich befahren. Die Feldwege steinig oder sandig, zum Glück haben wir noch kein Gepäck dabei, da hätten wir ein paarmal schieben müssen. Abends schmerzte uns der werte Hintern, obwohl wir „nur“ 32km gefahren sind. Aber wir sind rundum glücklich, endlich wieder den kühlen Fahrtwind um die Ohren gespürt zu haben!
Diese Tage erleben wir nun die erste Hitze des Jahres, das Thermometer steigt auf 35 Grad (je nach Wetterapp sind es sogar bis zu 40 Grad). Wir üben schon für das erste Bad im Meer.
Die Nachrichten zur Lage in Griechenland werden nun immer besser, unser Termin zum losfahren kommt langsam in die Nähe. Sobald die Campingplätze öffnen, wollen wir los. Wir werden sicher auch wild zelten, aber es geht uns um die Legitimation, falls wir unterwegs angehalten und ausgefragt werden. Ob wir dann auch einen Corona-Test oder eine Gesundheits-Bescheinigung brauchen, wird sich noch zeigen. Wir wollen so legal wie möglich in Griechenland unterwegs sein.
Vorerst touren wir mal auf dem Peloponnes herum, Richtung Norden, dann vielleicht über die Inseln Zakynthos, Cephalonia, Lefkada bis nach Korfu und von da mit der Fähre nach Venedig….aber es kann auch ganz anders kommen, wir bleiben uns treu, entscheiden spontan und lassen uns überraschen!
Coronakrise
Es geht uns gut!
Wir sind im Haus in der Nähe von Petalidi, auf dem Peloponnes, das wir gehütet haben und dürfen dableiben, solange, wie es nötig ist!
Seit anfangs Februar sind wir sesshaft, wir waren drei Wochen in einem Haus am Meer, haben zu Katzen und Hund geschaut, waren oft am Strand spielen, wandern mit einer Wandergruppe, bestehend aus vielen Expats aus Holland, England, Deutschland, Frankreich und der Schweiz.
Während fast zwei Wochen haben wir dann zwei Häuser, zwei Hunde und drei Katzen gehütet, sind täglich hin und her gependelt.
Langsam wurden die Nachrichten aus Italien und der Schweiz immer ernster, die ersten Massnahmen wurden ergriffen, hier lief alles seinen gewohnten Gang, die Menschen flanierten in den Strassen, versammelten sich in den Kafenions und Tavernen, die Läden verzeichneten keine Hamsterkäufe….
Die Besitzer des Hauses waren mit Auto und Anhänger in der Schweiz, am Verkaufen ihres Olivenöls, und alles wurde immer enger und schwieriger.
Wir haben für uns verschiedene Optionen geprüft und uns schon da entschieden, hierzubleiben, wir können die Tiere ja nicht alleine lassen.
Wir erhielten Angebote zum Wohnen, also war klar, wir halten die Stellung, bis unsere Freunde wieder da sind. Am 18. März haben sie einen der letzten Flüge nach Athen gebucht und sind wirklich durchgekommen, und von da mit einem Taxi bis unten an die Strasse, wo Martin sie dann abends abgeholt hat. Sie machen jetzt 14 Tage Quarantäne, niemand weiss ja, ob sie oder wir das Virus in uns haben.
Wir bleiben hier, unsere Wohnung in der Schweiz ist vermietet, wir fühlen uns hier so sicher wie zuhause.
Wir können in die Hügel wandern gehen, wir haben hier einen riesigen Garten, wo wir unsere Kreativität ausleben können, ein Riesenhaufen Holz wartet darauf, gesägt und zu einer schönen Beige aufgeschichtet zu werden.
Wir haben viele Bücher zum Lesen und das Internet funktioniert auch. Wir können uns genau informieren, aber uns auch schützen von zu vielen Nachrichten. Wir haben nur beim Einkaufen Kontakt mit anderen Menschen.
Viele Reisende, die wir virtuell verfolgen, sind gestrandet irgendwo, in einem fremden Land, aber alle (soweit wir wissen) haben einen Platz gefunden, wo sie bleiben können. Wir sind sehr froh, diese Hilfsbereitschaft und Mitmenschlichkeit erleben zu dürfen.
Wir wünschen euch allen, dass ihr gut durch diese Zeiten der Krise kommt!
Etappenziel erreicht!
Bei der Fahrt auf die andere Seite des „Mittelfingers“ sehen wir Kühe durch die Büsche wandern, die haben Glück gehabt, sie können draussen weiden! Wie wir auch, wir spüren die Wärme der Sonne, spüren wie es kühl wird, sobald sich Wolken davor schieben, spüren die Höhenunterschiede. Wenn es bergauf geht, schwitzen wir im T-Shirt, wenn es runtergeht müssen wir Windjacken und Handschuhe anziehen, erst recht, wenn wir im Schatten fahren.
Die alten Wohntürme in der Region Mani sind ganz aus Stein gebaut, fast alle (Ferien)Häuser werden in diesem Stil gebaut, wir wundern uns nicht, denn hier ist die Landschaft vor allem eines, voller Steine und Felsen. Ich frage mich, wie da überhaupt etwas wachsen kann. Die Olivenbäume sind nur noch klein, knorrig und man sieht, dass sie rauen Winden ausgesetzt sind.
Wir wohnen zwei Nächte in so einem Turm, der Raum ist dunkel, die Fenster gar klein und es ist kaum zu heizen! Es ist eine ganze Anlage und wir fragen uns, wie das wohl im Sommer ist… na ja, das fragen wir uns ja öfters ;-)
Wir besuchen eine Tropfsteinhöhle, lassen das Gepäck im Zimmer, da es ziemlich runter geht und dann ja auch wieder hinauf. An diesem Tag hat es wieder mal viel Wind, zuerst Gegenwind, so stark dass wir in die Pedale treten müssen um runter zu fahren. Wir sind allein da mit allen Angestellten, müssen warten, weil im Boot 6 Leute Platz haben. Vielleicht kommt gerade noch jemand?! Man sieht sehr gut, dass sich hier im Sommer viele Leute tummeln, ein grosser Parkplatz und die vielen Angestellten, die jetzt nur rumhängen und nichts zu tun haben. Der Preis sind stolze 15,-€ pro Person, keine Winter-Ermässigung wie in Epidaurus. Wir haben Glück! Ein australisches Paar hat heute Morgen die gleiche Idee wie wir, nämlich die Höhlen zu besichtigen! Und dann dürfen wir, ausgestattet mit Schwimmwesten, ins Boot steigen und werden durch die Höhle gestakt.
Achtung, Köpfe einziehen, die Durchfahrt ist manchmal sehr knapp, seitlich, aber auch in der Höhe. Es ist ganz still, man hört nur das Tropfen und Plätschern des Wassers, die Höhle ist faszinierend schön. Leider bekommen wir gar keine Informationen über die Höhle, weder geschrieben noch dass der Bootsführer uns etwas erzählen würde! Wie sie gefunden wurde, oder wie alt sie ist, oder dass sie von Piraten benutzt wurde, oder dass ein 14km langer Tunnel gefunden wurde, und es wird vermutet, dass der bis nach Sparta gehen könnte, damit damals die Spartaner in ihren Kriegen auf diesem Weg den Feind überfallen konnte oder sich nach Hause verziehen konnten, oder,….Alle diese Informationen haben wir später im Internet gefunden.
Wir plaudern noch mit dem Paar, die mit einem Auto, so einer Art Berlingo, unterwegs sind, von London aus gemütlich durch Europa bis hierhergefahren sind und oft im Auto übernachten! Sie haben auch sehr kalt in der Nacht!
Der Wind hat nun noch mehr aufgefrischt, aber jetzt haben wir Rückenwind! Unser Plan, den Nachmittag auf dem Dach des Turms in der Sonne zu geniessen, fällt ins Wasser, buchstäblich, der Wind hat Wolken übers Meer geblasen, die jetzt sogar etwas Regen bringen. Wir verbringen den Nachmittag also in dem dunklen Turmzimmer und lesen und schreiben,…ich kann mir gut vorstellen, wie es für die Bewohner dieser Türme im Winter war, ohne Heizung und warme Bettdecken! Abends kochen wir auf der Treppe unser Abendessen, und geniessen es dann drinnen in der “warmen” Stube.
Gerne würden wir noch bis zum südlichsten Ende von diesem Finger fahren (der südlichste Punkt Europas?), aber es ist zu kalt, es ist zu hügelig und sehr unbewohnt! Kaum Läden oder sonst etwas ist offen in dieser Jahreszeit, die Dörfer sind nur Sommerdörfer! Wir bräuchten sicher mehrere Tage bis hinunter und gleichviel wieder zurück, und erst noch auf derselben Strasse, was ich nicht so gern mache. Dazu gesellt sich eine Müdigkeit und Lustlosigkeit, denn wir sind schon recht nahe von Kalamata, unserem Etappenziel! Wir haben langsam genug von diesen Studios, immer wieder neu suchen, im Internet oder direkt in den Dörfern. Es wird Zeit für eine Pause, ein wenig daheim sein, ein Feuer im Ofen haben, einen Tag lang einfach drinnen an der Wärme sein! Oder nichts tun! Nicht planen, nicht Velofahren, Nichts!
Also, deshalb fahren wir zu, es ist noch anstrengend, mit ziemlichen Steigungen, wir legen noch einen Pausentag in Stoupa ein, wo wir eine wunderbare Gastgeberin finden und den schönsten und längsten Sonnenuntergang sehen! Über eine halbe Stunde ist der Himmel in orange und rot gefärbt, ein wunderbares Schauspiel. Stoupa ist ein kleines Dorf in einer Bucht, mit etwas Tourismus, (jetzt natürlich nur ein paar wenige, die hier überwintern oder wohnen!)
Zwei Kaffees und ein Restaurant und der Supermarkt sind offen, was wollen wir noch mehr! Wir spazieren ein bisschen durch die Bucht, es ist ein Wunder, dass hier diese Dörfer nicht so verbaut sind wie in Spanien! Die höchsten Häuser sind zweistöckig, vielleicht ragt noch ein ein Türmchen darüber hinaus, es ist ein harmonisches, schönes Bild!
Kardamily sei auch so, nur sind da die Häuser noch älter, da dieser Ort schon seit Jahrtausenden besteht, zuerst als Hafen, Festung, Burg, Wohntürmen, und jetzt als Feriendestination. Es fährt sich gut an diesem letzten Tag vor Kalamata, die Steigungen sind zwar da, aber so sanft und stetig, dass ich sie sehr gut schaffe! Die Strasse ist wenig befahren, obschon es die einzige Verbindung von Kalamata in die Mani ist. Dafür treiben Hunde ihre Schafherden mitten auf der Strasse zu ihren nächsten Weiden. Wir werden beim Vorbeifahren zwar wachsam beäugt, aber nicht angegriffen!
Auf dieser Strecke überholt uns ein Campingbus mit kleinem Wohnwagen, mit deutschen Nummern, den haben wir doch schon in einer Parkbucht mit toller Aussicht stehen sehen, vor etwa einer Viertelstunde. Und der hält an, mitten auf der Strasse, steigt aus und fragt uns, ob wir selber weiter- oder mit ihm mitfahren wollen! Was für ein Angebot! Gestern hätte ich sofort ja gesagt, da war es so mühsam, aber heute geht es so gut, dass wir selber fahren wollen! Wir plaudern eine Weile mit ihm, er war auch oft schon mit dem Fahrrad unterwegs, mit allem Gepäck, deshalb hat er angehalten. Wir haben uns sehr gefreut über diese Geste!
So wie es Tage gibt, wo kaum etwas Erwähnenswertes geschieht, ist heute ein Tag der Überraschungen: auf der Passhöhe kommt uns ein Radfahrer entgegen, diese Fahrradfahrer sind hier sehr selten, und er hält an, um ein paar Worte mit uns zu wechseln! Er ist schon weit in der Welt herumgekommen auf dem Fahrrad, er kennt es. Wir geben ihm unsere Karte, vielleicht treffen wir uns mal in den fast drei Monaten, die wir jetzt in der Gegend sind.
In Kalamata hat es einen Warmshower Gastgeber, der weilt aber gerade in den Ferien, so mieten wir uns ein Studio für drei Nächte, bevor wir dann zu unseren Freunden nach Petalidi fahren und uns in ihrer Ferienwohnung einnisten können. Kalamata ist nichts Besonderes, aber das gefällt uns, Leute und Treiben einer normalen Stadt zu erleben.
Den letzten Tag können wir ohne Gepäck fahren, unsere Freundin hatte in der Stadt zu tun und wir dürfen alle unser Taschen und den Grosseinkauf ins Auto legen. So „fliegen“ wir die knapp 30 Kilometer nach Petalidi, machen noch einen Umweg an den Strand, müssen dann bei einem Bach wieder umkehren, da das Wasser zu stark fliesst und undefinierbar tief ist. Wir haben keine Lust, die Schuhe auszuziehen, deshalb kehren wir wieder um, zurück zur Strasse.
Die nächsten Tage werden wir in die Oliven-Holz-Verarbeitung einbezogen, mit Häcksler und Säge wird das Holz gehäckselt und zu Brennholz (für den Ofen) geschnitten, anstatt wie fast überall sonst verbrannt. Es ist ja so, dass in dieser Jahreszeit nach der Olivenernte all die vielen abgeschnittenen Äste zwischen den Bäumen nach ein paar Tagen liegengelassen und dann verbrannt werden, was dicke Rauchschwaden über das ganze Land ziehen lässt. Und entsprechend ist die Luft verpestet. Mit dem Häckseln des Laubes und der kleinen Äste wird hier etwas gegen die Luftverschmutzung getan.
Irgendwie können wir aber kaum abschalten, die Umstellung zum sesshaft leben geht nicht so einfach. Martin bekommt eine Erkältung und liegt drei Tage im Bett, und als es ihm wieder besser geht, nimmt es mich mit Kopfweh und Übelkeit, wie ich es nur alle zwei drei Jahre mal habe. Da gibt’s auch nur eines, ab ins Bett und schlafen, bis es besser geht! Da hat sich einiges an Erschöpfung in uns angesammelt, dass es uns so flach gelegt hat!
Wir wissen jetzt, dass wir nicht mehr auf dem Fahrrad reisen wollen, wenn die Nächte so lang sind und es so kalt ist, und in Europa ist es im Winter einfach zu kalt, auch im Süden.
Bis Ende März bleiben wir nun in der Region von Petalidi, hüten zwei verschiedene Häuser mit ihren vierbeinigen Bewohnern, werden vielleicht ein paar Tagestouren mit dem Fahrrad machen und viel mit den Hunden wandern gehen. Und feine Menus kochen, Brot backen, Ofengemüse machen etc. Abends in der warmen Wohnung am Feuer sitzen und dann, vielleicht, die nächste Etappe unserer Fahrt besprechen.
Es wird also hier auf dem Blog eineWeile etwas weniger zu lesen geben.
Schnee, Meer, Sonne
Morgens um 10 Uhr hält das Taxi vor unserm Haus, mit montiertem Veloständer auf dem Heck! Super! Ich habe mir schon Gedanken gemacht, wie die Velos wohl transportiert werden. Die Sonne scheint, blauer Himmel ist für die zwei nächsten Tage angesagt! Die ersten Kilometer denke ich noch, das hätten wir schon selber fahren können, wenn nicht mein Knie,…die Strasse windet sich durch das Tal hinauf, an einigen Orten stehen Autos, manchmal sehen wir die Kletterer in der Wand, meistens nicht. Hoch oben im Fels sehen wir das Häuser an die Wand geschmiegt, das ehemalige Frauenkloster Elona…die haben aber sehr abgeschieden gelebt!
So langsam wird es spürbar kühler im Auto, nach etwa 30 Minuten sehen wir den ersten Schnee am Wegrand liegen! Bald ist die Strasse mit Schnee und Eis bedeckt, der Fahrer fährt im Schritttempo! Als ihm ein Pickup entgegen kommt, hält er an, die beiden palavern miteinander, ich verstehe aus den Gesten, dass der andere unserem Chauffeur erklärt, wo es noch sehr eisig und rutschig sein wird, bis wir ins Dorf kommen. Es sind noch ein paar enge Kurven bis ins Dorf, die Strasse ist vielerorts im Schatten und dementsprechend schneebedeckt. Na das wird lustig für uns! Auf dem Dorfplatz hält er sichtlich erleichtert an, kaum sind wir ausgestiegen, steht ein Mann da und will wissen, was wir da wollen mit unseren Fahrrädern und unser Chauffeur sagt ihm, wo wir hin wollen. Er kommt dann zu uns und bedeutet uns, dass es viel Eis auf der Strasse hat und wir dann aufpassen sollten…in Griechisch und Zeichensprache!
Während wir unsere Velos beladen spricht Martin aus, was ich während der Fahrt gedacht habe. „Es war eine sehr gute Idee, diesen Transport zu machen!“ Zu steil die Strasse und viel zu lang, und in dieser Kälte. Ob in Kosmas dann eine Unterkunft offen gehabt hätte, wäre auch noch die Frage. Uns kommt das Dorf ziemlich ausgestorben vor! Wir ziehen Regenjacke, Stirnband, Buff, und die dicken Handschuhe an und laufen los, damit wir warm werden. Es geht noch ein wenig aufwärts, Für die Abfahrt ziehe ich dann noch die Daunenjacke an und wechsle die Schuhe,in den Klickschuhen bekomme ich oft eiskalte Füsse, wegen dem Metall in den Sohlen! Nun, die ersten paar Kilometer müssen wir immer wieder absteigen, und über die Eisflächen auf der Strasse balancieren. Mal überholt uns ein Jeep mit Schneepflug, der „rasiert“ den Strassenrand, sonst hat es nur vereinzelt Autos. Ein junger Mann fragt uns, ob es bis oben so weitergeht mit dem Eis, wir bejahen und geben noch den Rat slowly zu fahren, und schon gibt er Gas und die Räder drehen durch…
Wir geniessen die wunderschöne Aussicht! Dass wir wieder unterwegs sind, dass die Sonne so warm scheint, das Leben so schön ist! Und mein Knie überhaupt nicht mehr schmerzt! Den ganzen Tag scheint die Sonne, die Mittagspause verbringen wir in einem Olivenhain, (es hat fast nur Olivenhaine hier), wir hören die Pflücker in den Bäumen, Geräusche von Motorsägen und von Batterie getriebene Rechen oder Propeller, die an langen Stangen die Oliven in das Netz schütteln. Den ganzen Tag sehen wir die schneebedeckte Bergkette Taygetos, die wir im letzten März von der anderen Seite immer gesehen hatten, als wir in Petalidi ein Haus gehütet hatten.
Als wir in Skala einen Bummel durch die Stadt machen und in einen kleinen Laden einkaufen, kommt der Ladenbesitzer zu uns, fragt, von wo wir sind, ob uns Griechenland gefällt? Wir würden besser im Sommer hierherkommen, da sei es viel schöner, und sowieso, auf die Inseln sollten wir gehen, hier in Skala hat es ja nichts. Wir erwidern, dass uns Griechenland auch hier gefällt, wo es Nichts hat, und eben gerade in dieser Jahreszeit. Er wünscht uns schöne Ferien und als wir schon fast draussen sind, ruft er „wait, wait“, geht schnell zum Regal und schenkt Martin eine kleine Flasche Ouzo, der sei schon sehr alt und am besten mit dem Essen zusammen zu trinken! So viel Freundlichkeit berührt uns sehr!
Ein nächster Tag mit Sonne und Meer, lange Strände nur mit Eukalyptus und Olivenbäumen gesäumt, Buchten für uns ganz allein, Ruinen halb im Wasser, vielleicht ein Götterbad? Oder nur Becken einer alten Fischzucht?
Gythio, Gytheion, oder wie? Ein hübsches Städtchen in einer Bucht, ein bisschen belebt, Mittagspause! Und wir müssen einkaufen für drei Tage, der 6. Januar ist ein Feiertag und alle Läden sind geschlossen! Und ob in dem Dorf, wo wir übernachten werden, ein Restaurant offen hat, ist nicht so sicher, es ist Winter, kaum Gäste, Olivenernte, anderes zu tun!
Die Besitzer des Studios in Vathy sind sehr nette Leute. Wir erfahren viel über die Olivenbäume, die Ernte, die Qualitäten der verschiedenen Sorten, wir dürfen mithelfen, Oliven zu ernten, und wissen jetzt, wie wichtig es ist, die Oliven so schnell wie möglich in die Mühle zu bringen, weil sie mit jedem Tag an Qualität verlieren. Oder auch, dass es viel besser ist, sie in Jutesäcken (die man jedes Jahr wieder brauchen kann) zu transportieren anstatt in Plastiksäcken! Dass die regionale Regierung zweimal im Jahr Putzequipen schickt, um den Plastikabfall am Strassenrand aufzusammeln!
nach Leonidio
Die Wetterprognosen werden jetzt immer schlechter, für die Nacht werden sogar Minustemperaturen vorausgesagt, das macht uns etwas Sorgen. Zelten ist wirklich nicht mehr lustig so! Nach Leonidio führt unsere Route uns bald in die Berge, zwar nur 1200müM. aber es hat Schnee dort, wir können ihn sehen!
Die 77 km bis ins Städtchen Leonidio, einem Paradies für Kletterer, gedenken wir in einem Tag zu fahren. Es ist eine Küstenstrasse wie wir sie auch schon gefahren immer etwas rauf und runter. Irgendeinmal nach einer Kurve kommt uns ein Touren-Radfahrer entgegen! Ich freue mich auf einen Schwatz, aber der grüsst nur und fährt weiter. Schade! Und schon kommt uns seine Frau entgegen, sie muss sich beeilen um ihren Mann einzuholen und grüsst auch nur kurz… Wir schmunzeln ein wenig, und im Spass sagen wir, das waren sicher Schweizer, die haben einen fixen Fahrplan!
Kaum haben wir uns „erholt“ von dieser Begegnung, kommen uns schon wieder zwei Tourenfahrer entgegen! Und diesmal passiert, was eigentlich immer passieren sollte! Wir steigen ab, begrüssen uns wie alte Freunde, tauschen uns aus, lachen über die kleinen Begebenheiten, die einem so passieren! Und wirklich, schon fast als Freunde verabschieden wir uns eine halbe Stunde später, wir haben abgemacht, in Kontakt zu bleiben und im Frühling werden wir die Beiden in Athen besuchen!
Gemütlich fahren wir weiter, die Strasse windet sich um die Hügel, die Aussicht ist immer superschön trotz aufziehenden Wolken und auffrischendem Wind.
Im Lauf des Tages machen sich aber ganz ungewohnt, schleichend, stechende Schmerzen im rechten Knie bemerkbar. Zuerst versuche ich diese Seite etwas zu entlasten, keinen Druck damit auszuüben, aber es wird immer schwieriger, und natürlich gibt es jetzt gerade noch ein paar ganz mühsame Steigungen! Nach 60 km geht es nicht mehr, wir müssen in einem ziemlich leeren Dorf ein Zimmer suchen, und da komme ich kaum mehr die Treppe zum Zimmer hoch. Dazu kommen seit kurz nach dem Mittagessen noch diffuse Magenschmerzen. Weiss der Kuckuck, was heute los ist mit mir?
Das Zimmer ist gefühlte 2° warm, ich schlüpfe in die Daunenjacke und unter die Decke, Martin versucht, die Klimaanlage in Gang zu bringen, aber die bläst zuerst nur kalte Luft ins Zimmer. Nach Rücksprache mit der Besitzerin gelingt es ihm dann, der Maschine etwas Wärme zu entlocken. Der heisse Tee aus unserem Thermos hilft auch, gegen die Kälte und die Magenschmerzen. Martin geht die Velos abschliessen und kommt zurück mit der Nachricht, dass es in Strömen regnet! Da haben wir ja Glück gehabt!
Nach drei Stunden im warmen Bett ist mein Magen zur Ruhe gekommen. Unten im Restaurant, das zwar geschlossen hat, knistert ein Feuer im Cheminee, die ganze Familie ist da versammelt, wir dürfen uns zu Ihnen setzen. Die Frau erklärt uns, was sie für uns zu essen machen könnte: Souflaki, (das sind Fleischspiesschen, die mit Salat, Fladenbrot und Pommes frites serviert werden), Saganaki (frittierter oder gebratener Käse), Feta mit Tomaten vom Grill und Pommes Frites. Und die sind aus Kartoffeln, die von Hand geschnitten sind! Mein Magen macht nach der Mahlzeit keinen Mucks mehr, es war sehr gut! Wie ein dreijähriges Kind muss ich Stufe um Stufe mit dem linken Fuss voran zu unserem Zimmer hinauf, das Knie erholt sich nicht so schnell wie der Magen. Das wird wahrscheinlich etwas länger dauern…
Die restlichen 20 Kilometer bis Leonidio fahre ich am nächsten Tag mit der Kraft des linken Beins. Dank der Klickpedale geht das einigermassen. Bei der Pause am Strassenrand erleben wir noch eine Überraschung: Da kommen doch zwei junge Leute auf einem vollbepacktem Tandem mit Anhänger daher!!! Sie halten an und wir laden sie ein zu Kaffee und Tee, den wir gerade zubereitet haben. Die beiden sind in Frankreich gestartet, über Korsika, Sardinien, Sizilien und ganz Süditalien bis nach Brindisi, von dort mit der Fähre nach Igoumenitsa bis hierher gefahren, in der Gegenrichtung wie wir um den Peloponnes und jetzt auf dem Weg nach Athen. Die Weihnachtstage haben sie mit dem anderen französischen Paar verbracht, das wir in Nafplion getroffen hatten! Es sind also doch auch andere Velofahrer unterwegs! Martin fragt sich nämlich ab und zu, wo denn alle diese Fahrer sind, die da auf Facebook und Co. „posten“, wie sie unterwegs sind… Nach dem Kaffee wollen sie weiter, sie wollen bis nach Korinth, das sind sicher fast 90 Kilometer, und am Nachmittag will es ja vielleicht regnen….Also dann, Bon Voyage!!
In Leonidio angekommen genehmigen wir uns zuerst einen Cappuccino in einem warmen Kaffee, checken dort im Internet ein paar Unterkünfte, und suchen uns eine Bleibe, wieder für ein paar Tage, wegen dem Knie, aber auch wegen dem Wetter. Der Camping wäre ja offen, aber es ist einfach zu kalt!
Wir wählen ein Hotel, das Zimmer hat, die mit einer kleinen Küche ausgestattet sind, das passt uns sehr gut. Aber noch besser ist die Zentralheizung, die jeden Abend das Zimmer wirklich warm und bewohnbar macht! Die Wahl ist gut, die Leute sind sehr freundlich. Die Hotelbesitzerin füllt uns unsere 3dl Olivenölflasche mit ganz frisch gepresstem Öl auf, an einem anderen Tag schenkt uns ihre Mutter Weihnachtsgebäck und Kuchen, der hier am 1.Januar zum Frühstück gegessen wird.
In der Apotheke kaufen wir eine Salbe fürs Knie, jetzt wird eingeschmiert! Schon nach zwei Tagen ohne Anstrengung wird es besser. Wir spazieren täglich in das langgestreckte Dorf, da hat es wirklich ziemlich viele Kletterer, man erkennt sie an den sportlichen, farbigen Jacken und Hosen…
Eine Kooperative mit Laden und Bar-Kaffee ist der Treffpunkt dieser Leute. Wir lernen ein Paar aus Deutschland kennen, sie sind schon das dritte Mal hier seit letztem Sylvester. Sie erzählen uns vom Aufschwung des Wintertourismus im Dorf, den es seit etwa 2013 dank den Kletterern gibt. Seitdem wurden für über 1000 Routen Haken in die Felsen der Umgebung gebohrt! Jährlich findet ein Kletterfestival statt, das jedes Jahr immer mehr Menschen anzieht.
Zuvor war vor allem der Sommertourismus eine Einnahmequelle neben den Oliven, Orangen, Mandarinen und dem Gemüseanbau. Die Olivenernte ist momentan in vollem Gang, überall sind die Bauern in den Bäumen am Ablesen und Schneiden. Wir können von unserem Fenster aus die Ölmühle beobachten, wo Tag und Nacht der Kamin raucht und die Bauern mit ihren Pickups volle Säcke herbringen, den Tanklastwagen, der das Öl abholt, und die ausgepressten Überreste der Oliven in einem grossen Container vor sich hindampfen und einen etwas säuerlichen Duft ausströmen.
Wir machen einen Ausflug mit den Velos zum Hafen des Nachbarortes, ich will wissen, ob das Knie noch schmerzt. Nach 16 km ist gerade genug, also noch nicht gut für den Aufstieg auf 1200m in knapp 30 Kilometern!
Am ersten Januar wandern wir zum Fuss einer Felswand hinauf, da, wo die Kletterer starten, aber heute ist niemand hier. Es hat ja eben über 1000 Routen wo man klettern kann. Leider verzieht sich die Sonne schnell, der kalte Wind vertreibt uns wieder ins Dorf in die warme Stube hinunter. Auch bei diesem Ausflug merke ich, dass das Knie die Belastung noch nicht lange durchhalten würde!
Aber, wir finden auch für dieses „Problem“ eine Lösung! Wir werden uns einen Transport nach Kosmas organisieren, dort ist der höchste Punkt, von dort aus können wir dann selber fahren. Wir warten also die kalten, windigen und regnerischen Tage ab, am nächsten sonnigen Tag werden wir starten!
Weihnachten
Für die Weihnachtswoche haben wir in Nafplion ein Studio gemietet. Wir wollen diese Tage gut erreichbar sein für Familie und Freunde, aber auch ein bisschen zuhause sein.
Es ist eine der schönsten alten Städte in Griechenland, dementsprechend hat es auch Tourismus, gerade über die Weihnachtstage. Aber es sind vor allem Griechen, die ihre paar freien Tage hier verbringen. Wir treffen am Hafen auf ein französisches Paar auf den Velos, etwas jünger als wir, sie haben ein Jahr frei genommen, um eine Velotour durch Süd-Europa zu machen. Auch sie campen wild und kochen selber, da hat man sofort Gesprächsstoff. Wir plaudern ein wenig und wünschen uns dann gegenseitig „safe travels“!
Das Studio ist sehr klein, es war mal eine Garage, mit eingebauter Küchenecke, Dusche und Toilette. Wir wohnen da mit unserem ganzen Gepäck und den Velos…Das ist ein Tiny-House-Feeling! Ordnung geht über alles, damit wir nicht immer wieder über unsere Taschen stolpern! Dafür passt der Preis einigermassen.
Aber wir verbringen ja viel Zeit draussen, fahren durch die Orangenfelder, besteigen die Ruine Tiryns, sind auch hier fast die einzigen Besucher, fahren und wandern dem Meer entlang und besuchen auch immer wieder die Stadt, bummeln ziellos durch die Gassen und geniessen es, abends im warmen Zimmer zu kochen und zusammen zu sein.
Am letzten Tag wechselt Martin noch den Schlauch von meinem Vorderrad, es verliert einfach immer ganz wenig Luft. Als wir dann abends packen und alles vorbereiten für die Abfahrt am nächsten Tag, kontrolliert er den Reifen… Zero Luft im Pneu!!! Anstatt gemütlich ins Bett zu liegen, nehmen wir das Fahrrad nochmals auseinander und finden im Pneu einen mikroskopisch kleinen Dorn, den er am Nachmittag nicht gespürt hat. Nochmals Schlauch flicken und pumpen! Jetzt hält er sicher!
Sonnige Tage
In Loutraki, dem Nachbarort von Korinth haben wir eine kleine Wohnung für ein paar Tage, es will ja schon wieder regnen und vor allem viel Wind mit Böen von über 60 km/h. Die Stadt erinnert uns an Playa San Juan in Alicante, es hat offene Geschäfte und Restaurants, Leute unterwegs, eine schöne Weihnachtsbeleuchtung, aber auch viele leere Quartiere. In dieser Jahreszeit wohnt kaum jemand da. Vielleicht gerade deshalb gefällt es uns, wir spazieren dem Meer entlang, solange der Wind uns lässt, aber bald schon Schüttelt er an den Bäumen und wird kalt, da verziehen wir uns bald in die Wohnung und beschäftigen uns mit kochen, Kleider waschen und trocknen, ein paar Filme anschauen. Ich schreibe am Blog, bearbeite die Fotos, und dann muss alles hochgeladen werden, was einige Stunden Arbeit und Wartezeit ergibt, da das WLan halt nicht so schnell ist.
Die Wäsche trocknet irgendwann… Alles muss rein!
Wir diskutieren viel über unsere Reise, wie wollen wir weiter, was wollen wir noch machen bis Ende Januar? Nach Athen? Oder Kreta? Da wäre es vielleicht etwas wärmer? Oder….? So grob entscheiden wir nach einigem hhin und her, dass wir um den Peloponnes fahren und dabei einige antike Stätten besuchen wollen. Der Wetterbericht will eine Woche sehr mild mit viel Sonne, das wollen wir ausnützen!
Die Küste des Saronischen Golfs ist sehr grün und hügelig, es hat kaum Häuser oder Feriensiedlungen. Nur ein paar Dörfer mit kleinen Stränden, die zum Verweilen einladen. An steilen Hügeln wilder Pinienwald, oder Olivenbaumplantagen, soweit das Auge reicht. Es geht rauf und runter, da bleiben wir warm! Es ist wirklich das erste Mal seit langem, dass wir in T-Shirt und kurzen Hosen fahren können und auch in der Mittagspause keine Jacke anziehen müssen.
Gegen Abend finden wir ein wunderschönes, einsames Plätzchen zum campen, das bekommt auf der Skala von 1 bis 10 eine glatte 10!
Um Epidaurus zu erreichen, brauchen wir dann etwas länger, die Steigungen habe ich nicht so genau angeschaut, es sind mehr als ich gedacht habe! Als wir um halb drei Uhr ankommen, lassen wir die Fahrräder mit allem Gepäck beim Eingang, spazieren hinein und können fast ganz allein das Theater und all die Reste der antiken Tempel und Häuser bestaunen. Alles sehr eindrücklich. Es braucht aber schon einige Fantasie, sich diese Stadt vorzustellen, es liegen halt schon viele Brocken am Boden herum… Nach fast zwei Stunden in den Ruinen haben wir langsam genug, wir müssen jetzt ein Plätzchen zum Übernachten finden, bevor es dunkel wird.
Der riesengrosse, gähnend leere Parkplatz vor dem Gelände zeugt von einem endlosen Besucherstrom im Sommer. In der Nähe zweigt ein Wanderweg ab, wir fahren da mal hin und finden mitten in den Olivenbäumen einen Platz für unser Zelt. Die Bauern sind mitten in der Olivenernte, aber diese Bäume sind schon abgeerntet, da sollten wir eigentlich keine Probleme bekommen. Einige sehen uns und winken, andere schauen gar nicht hin. Die Hunde bellen die ganze Nacht, aber das ist ja normal und überall so. Am Morgen ist eine wunderschöne, feucht-kalte Nebelstimmung! Wir warten auf die Sonne, die sofort wärmt und alle unsere Sachen trocknet.
Danach fahren wir zu einem Camping, der das ganze Jahr geöffnet hat,er liegt in einer kleinen Bucht und hier geniessen wir ein paar Tage das Meer und die Sonne. Und an einem Abend ist es sogar so warm, das wir bis um 22 Uhr draussen sitzen können ohne zu frieren. So wie wir es uns vorgestellt haben…. Und das im Dezember, so kurz vor Weihnachten!
Wandern statt Velofahren
Nach zwei Tagen anklimatisieren in Patras fahren wir los, dem Golf von Korinth entlang. Wir haben mal was anderes im Sinn. Eine Zahnradbahn (Schweizer Fabrikation) fährt von Diakofto bis nach Kalavryta, einem Dorf in den Bergen, das auf verschiedene Arten touristische Anziehung hat: erstens hat es ein Skigebiet, zweitens eine schreckliche Vergangenheit. Im zweiten Weltkrieg wurde fast die ganze männliche Bevölkerung des Dorfes ermordet, und es hat eine Gedenkstätte und ein kleines Museum dazu. Und dann eben auch die Fahrt mit dem speziellen Zug, der sich durch ein wirklich schönes Tal windet, das zur engen Schlucht mit Steilhängen und Felsformationen wird.
Wir haben im Sinn, von der Mittelstation hinunterzuwandern, den Gleisen der Bahn entlang, durch die Schlucht und das Tal. Trotz wechselhaftem Wetter fahren wir bis Zacharo, ein im Sommer sicher gut besuchtes Dörfchen, jetzt ist es ausgestorben, ein paar Katzen huschen herum, eine Frau mit vollen Einkaufstaschen geht in ein Haus hinein, Aha, da wohnen also doch noch ein paar Leute. Aber die haben alle ein Auto, da ist niemand abhängig vom Zug. Das sieht man auch auf der Fahrt, ein italienisches Paar, eine griechische Schulklasse und wir sind die Fahrgäste, dazu kommen der Zugführer, und ein Mann, der einmal aussteigt und einen Steinbrocken zur Seite schiebt, weil der zu nahe am Gleis liegt. (Später beobachten wir, dass der Zug auf jeder Bergfahrt einmal anhält und der Mann aussteigt, um einen Brocken wegzuschieben… Gehört also zum Erlebnis >Zugfahrt in die Berge.)
Der Fahrplan ist recht kümmerlich, dreimal täglich, am Wochenende fünfmal am Wochenende. So können wir unbeschwert auf und neben den Gleisen talwärts wandern, der Zeitplan ist einfach. Die Bäume sind herbstlich gelb gefärbt, zwischen den Wolken kommt ab und zu die Sonne raus und legt einen goldenen Schimmer über das ganze Tal. Bei jeder Brücke hat es eine Verbotstafel, dass das Überqueren der Brücke verboten ist, aber es gibt gar keinen anderen Weg….So ist die Behörde abgesichert, falls etwas passiert. Es ist fast wie mit den Geschwindigkeitstafeln auf der Strasse, wo man bei einer Baustelle laut Verkehrstafel noch 10 fahren darf, aber niemand hält sich daran. Weil es niemand kontrolliert.
Das Tal wird an einer Stelle sehr eng, die Schlucht ist mit Tunnel und Fussgängersteg ausgestattet. Es ist immer wieder eindrücklich zu sehen, wie viel Kraft das fliessende Wasser hat und was es in den Jahrtausenden geschaffen hat. Hier tost der vor hundert Metern noch friedlich plätschernde Bach über die Felsen und schiesst mit unglaublichem Tempo zwischen den Felsen talwärts. Es wird mir fast schwindlig, da hinunterzuschauen auf das Naturspektakel.
Es ist eine gemütliche Wanderung, nach drei Stunden sind wir wieder im Dorf, wo wir uns einen griechischen Käsekrapfen leisten, bevor wir wieder in unsere Unterkunft gehen, bevor der nächste Regenguss uns erreicht.
Apropos Einkaufen: Das ist nämlich etwas schwierig geworden! Warum? Die Schrift, das griechische Alphabet ist leider so nicht einfach! Da stehen wir dann vor dem Regal und versuchen herauszufinden was da wohl in der Verpackung ist? Soja? Bulgur? Ich beginne Fotos zu machen und dann mit WLan einem Übersetzer und der griechischen Tastatur, die ich auf dem Handy installiert habe, versuche ich zu entziffern und zu verstehen was in den Verpackungen drin ist. Manchmal steht dann aber auf dem Joghurtkübel: „Die tägliche party“…?!
Auf allen Strassen, egal ob klein oder gross, überall hat es am Strassenrand Plastikflaschen, vorwiegend Halbliter, gedankenlos zum Autofenster rausgeworfen, ….was für eine Gedankenlosigkeit!!!
Es gibt Tage, da macht es mich wütend, an anderen schaue ich einfach nicht hin! Aber: wie kommen wir Menschen dazu, die Natur, unsere Lebensgrundlage, so zu vermüllen? Und dies natürlich nicht erst in Griechenland, auch schon in Italien hat es mich erschreckt, wie viel Müll es am Strassenrand, aber auch in abgelegenen Gebieten hat.
Da muss noch sehr viel Aufklärungsarbeit geleistet werden!
Positiv aufgefallen sind uns die kleineren Läden, wo man viele Esswaren aus grossen Säcken kaufen kann. (Solche Unverpackt-Läden die jetzt neu in der Schweiz wieder aufmachen) Klar, es wird in Plastiksäcke abgefüllt, aber wir haben schon gemerkt, dass das Personal bereit ist, unsere mitgebrachten Taschen zu befüllen, und wenn wir sagen „no Plastic“, hören wir oft „oh yes,very good“!
Nach diesem kleinen Exkurs über Abfälle wieder zurück zum Fahrrad. Mein Vorderreifen verliert immer ganz langsam ganz wenig Luft. Nach einem Check merken wir, dass der Pneu ziemlich mitgenommen ist, es ist der einzige alte, den wir nicht ausgewechselt haben, weil er noch recht gut war. Aber jetzt muss er ersetzt werden, sonst haben wir immer wieder Probleme. Also das heisst, in jeder grösseren Stadt suchen wir jeden Fahrradladen auf und fragen, ob sie diesen extradicken Schwalbe Reisepneu haben! Bis jetzt haben wir noch keinen gefunden.
Die Küste bis Korinth ist ähnlich verbaut wie in Italien, die Orte meistens ziemlich menschenleer und wenn mal ein Kaffee offen ist, sitzen nur ältere Männer drin und wenn wir uns auch hineninsetzen um uns aufzuwärmen, gibt es griechischen Kaffee oder Nescafe, aber keine so feinen Croissants dazu, die müssen wir vorher separat kaufen in einem der wenigen Läden die da offen haben. Wir übernachten in verschiedenen Apartments, die einen sind fast luxuriös, die anderen etwas leer und kalt. Ja die Heizung am Abend ist schon etwas, das wir immer mehr schätzen, die Nächte sind sehr feucht und kühl geworden.
Wir begegnen einer Familie auf dem Velo, voll bepackt, aber sie haben keine Anstalten gemacht anzuhalten, leider. Später erfahren wir von einem Gastgeber, dass sie auch bei Ihm übernachtet hatten, eine französische Familie, die für ein Jahr in Europa unterwegs sind. Vielleicht begegnen wir Ihnen noch einmal, sie fahren um den Peloponnes, in der anderen Richtung wie wir es tun wollen. Und dann, am Kanal von Korinth begegnen wir einem französischen Paar im Campingbus, wir plaudern ein wenig miteinander, bevor wir über die Fussgängerbrücke auf die andere Seite wollen…
Wer hatte da wohl diese geniale Idee??? Aber wir schaffen das… ,,,mit viel Gefühl!
Griechenland wir kommen!
Nach einem ziemlich windigen und sehr kühlen Abend auf dem Camping, (nicht die Nacht ist das Problem) brechen wir das Zelt ab und reisen weiter. Ziel ist Bari! Nein, die Fähre! Griechenland! Patras! die Sonne! die Wärme!
Drei Tage brauchen wir, um Bari zu erreichen, übernachtet wird in heizbaren und mit Küche ausgestatteten Studios oder Wohnungen, die kleinen Städtchen gefallen uns schon, aber jetzt wird nicht gebummelt, es will Ende Woche wieder viel Regen und Kälte, es ist merklich kühler geworden und wir ziehen uns wärmer an. In Bari checken wir in einem Hostel ein, wir ergattern das einzige Doppelzimmer! Zwar nicht sehr schwierig im Dezember, es sei sehr ruhig, sagt uns Dave, der das Hostel führt.
In den paar Tagen hier gehen wir nochmals Italienisch essen, ganz unspektakulär und extrem günstig in einem Self-Service Restaurant, wir erhalten drei verschiedene Arten von Orecchiette, viel Gemüse, von Hand geschnittene Pommes Frites, es ist sehr lecker. Obwohl wir für italienische Verhältnisse sehr früh sind (etwa halb acht Uhr), füllt sich das Lokal, vor allem alleinstehende Männer, die direkt vom Büro hier essen gehen, einige kennen sich, es ist eine lockere Atmosphäre, wir werden eingeführt und beraten, und dann geduldet, selten verirrt sich wahrscheinlich ein Tourist hierher.
Tickets für die Fähre kaufen wir zwei Tage zum Voraus, im Hafen schauen wir alles genau an, damit ich weiss, wo wir hinmüssen, denn im Internet habe ich ziemliche Horrorgeschichten über den Hafen von Bari gelesen, dass das Personal gar nicht hilfsbereit ist, man von A nach B geschickt wird, lange Warte-Schlangen beim Check-in,….
Aber jetzt, in dieser Jahreszeit hat es kaum Leute, ja klar die Lastwagenfahrer, von denen hat es eine Menge, die stehen da im Hafen herum, rauchen draussen und palavern drinnen, da bekomme ich das irrationale Gefühl, dass ich dann vielleicht die einzige Frau auf dem ganzen Schiff bin???
Klar, es geht bei uns ja auch darum, die Kosten nicht in die Höhe zu treiben, und eine Überfahrt kostet 65€, Eine Kabine aber gerade mal 100€ mehr! Pro Person!
Aber, ich bin nicht mehr zwanzig und muss nicht irgendwo auf einer Bank auf Deck in den Schlafsack gehüllt übernachten, oder? Ich werde ja nächstes Jahr auch schon sechzig, da darf man sich doch eine Kabine leisten, oder?! (könnt ihr euch vorstellen, wie Martin und ich da in der Tickethalle, voller Lastwagenfahrer, diskutieren?)
Lieber Martin, du hast dich gefügt, mir das Abenteuer einer Nacht ohne Kabine auf dem Schiff erspart, Herz-Dank!
Und so können wir am 6. Dezember, dem Samichlaus-Tag, Bari verlassen, die Stadt des heiligen St. Nikolaus, wo heute Abend Prozessionen mit Musik stattfinden, die beleuchtete Nikolaus-Kirche viele Menschen anzieht, die ganze Stadt in Feststimmung ist.
Und wir fahren zum Hafen, es ist 18 Uhr, dunkle Nacht, wir holen unsere Tickets, keine Schlange beim Check-in, aber wieder viele Lastwagenfahrer, und dann dürfen wir mit den Lastwagen zum Schiff fahren…Wir haben unsere Leuchtwesten an, ich bin froh um unser helles Licht am Velo vorne und hinten, die Lastwagen sind einfach alle sooo gross! Aber es wird vorsichtig gefahren, die Angestellten wissen, dass wir kommen, wir werden durchgewunken, an den Lastwagen vorbei, dort, diese Rampe hinauf und dann in diese Ecke, wo noch niemand ist.
Wir befestigen die Velos, nehmen die zwei Taschen, die wir brauchen und überlassen die Velos ihrem Schicksal, ein Schiffsarbeiter hat sie noch mit zwei Seilen gut festgezurrt, die fahren nirgendwo hin!
Wir werden oben auf dem Schiff in unsere Kabine geführt, alles ist ruhig, noch…
Wir gehen auf Deck die Aussicht „geniessen“! Da können wir zuschauen, wie diese Lastwagenfahrer ihre 40Tönner parkieren, zum Teil rückwärts die Rampe hochfahren, mit Anhänger, vollgeladen, die Männer auf dem Schiff wissen genau, welcher wohin muss, es hört nicht auf, die Decks des Schiffes füllen sich, Zentimeter-genau wird einer nach dem anderen parkiert, sodass kaum ein Mann zwischendurch gehen kann. Und da kommen zwei Lastwagen langsam hochgefahren, es stellt mir fast den Atem ab: vollgepackt mit lebenden, jungen Kühen oder Stieren, zweistöckig! Diese armen Viecher! Mir tut das Herz weh für diese Kreaturen. Was müssen die für eine Angst aushalten! Wir können nicht sehen, was für eine Nationalität die Lastwagen haben, es hatte schon albanische und griechische und türkische. Wo diese Tier wohl hingekarrt werden?
Diese Bilder werde ich nicht so schnell vergessen und sie werden mir helfen, weniger Fleisch zu essen!
Genau in diesem Moment kommen zwei junge Leute mit Rucksäcken auf Deck, wir fragen nach dem wohin und woher, sie ist Schwedin, und war bis Venedig auch mit dem Velo unterwegs! Und er ist Schweizer, aha, was? sogar aus Burgdorf! Etwa im Alter, wie unsere Kinder, und wir tauschen nur kurz aus, dann wissen wir, dass er und Tom sich kennen! Zwar nicht von Burgdorf, aber sie waren zusammen im Militär! Schnell mache ich ein Foto und schicke es unserem Sohn, ach ist die Welt doch klein!
Als wir in das Schiff hineinkommen, wimmelt es nur so von jungen Leuten! In den Lounges räkeln sie sich und schwatzen, im Restaurant geht es hoch zu und her, und in den Gängen bei den Kabinen ist ein Kommen und Gehen, Lachen und Palavern. Das muss eine ganze Schule sein, die da einen Ausflug nach Italien gemacht hat und nun auf der Rückreise ist…
Von wegen einzige Frau auf dem Schiff!!!
Ich habe trotz dem Lärm der Schüler recht gut geschlafen. Die Schüler haben nämlich das Schiff in Igoumenitsa verlassen, das heisst sie mussten um sieben parat sein, Sieben Uhr griechische Zeit, also um sechs, heisst, etwa um fünf ging der Lärm los, Türen schlagen, Toilettenspülungen, Gelächter und Geschrei auf den Gängen, und dann der Stewart, der an die Türe klopfte und sich bei uns vergewissert, ob wir nach Patras fahren!!!! Dann wurde es aber wieder ruhiger. Wir wollten eigentlich frühstücken auf dem Schiff, aber die saftigen Preise lassen uns nur zu einem Kaffee und Croissant greifen. Wir haben ja auch noch ein paar Knabbereien in unseren Taschen. Als wir auf Deck kommen, sehen wir, dass das Deck fast leer ist, fast alle sind in Igoumenitsa schon raus, auch die Lastwagen mit den Kälbern sind nicht mehr da.
Die Fahrt geht ruhig und bei warmem und sonnigem Wetter durch die Inseln bis nach Patras, wo wir mit den restlichen Lastwagenfahrern (jetzt sind wir nur noch drei Frauen) zu den Fahrzeugen und dann an Land gehen. Die Velos packen und losgefahren, wir sind in Griechenland! Fast 700km weiter südlich als noch gestern! Schön!
Wir wollen etwas essen, das geht am besten mitten in der Stadt, in einem Beizli, wo wir bei Essen und Bier das Treiben beobachten können.
In Griechenland wird es schwieriger, bei Warmshower Gastgebern zu übernachten, da es fast keine hat! Auf dem ganzen Peloponnes hat es etwa 10 Menschen, die Velofahrern eine warme Dusche und eine Couch oder den Garten zum Zelten anbieten. Und keiner davon ist in Patras. Wir versuchen es bei Couchsurfing, leider etwas zu kurzfristig, und niemand kann uns aufnehmen. Aber eine Frau haben wir getroffen und ein Stündchen geplaudert mit ihr und ihren Kollegen und Kolleginnen. Sie haben einen Markt für Kunsthandwerker organisiert, mit Live Musik und einer Performance Acro Yoga. Es gibt sie auch hier, die kleine alternative Szene!
Wir haben dann ein Hotel gebucht, etwas ausserhalb des Zentrums, dafür mit Meerblick! Ich kann sogar ein Stündchen auf dem Balkon sitzen, die Sonne und die Aussicht geniessen und richtig Ankommen!
Gargano
Lange nichts gehört? ja hmh, wir sind eigentlich schon in Griechenland! Aber da habe ich noch ein paar schöne Fotos vom Gargano, die ich euch zeigen möchte, ohne Worte sozusagen ;-)
Wir haben Zeit über die Weihnachtstage zum Schreiben! Während dem Fahren sind die Tage einfach zu kurz. Also schaut bald wieder rein, der nächste Blog ist auch schon am Entstehen!
Wild zelten
Oft ist es gar nicht so wild, sondern einfach etwas aufregend, wenn wir wieder einen Platz suchen zum Übernachten. Da war einmal dieser Picnic Platz, neben einem kanadischen Gedenkfriedhof, auf einem Hügel, einsam (denken wir), mit Aussicht auf das Meer. Da geht an einem gewöhnlichen Dienstag niemand hin. Wir tanken noch Wasser beim Friedhof und fahren hin. Von wegen niemand: da spazieren ein paar Leute mit ihren Hunden, es ist ein etwa 1 Kilometer langer Weg durch die Pinien, abgesperrt für Autos und wirklich sehr schön, ab und zu hat es einenTisch und Bänke, dann eine kleine Aussichtsplattform mit Spielgeräten aus Holz, recht neu, aber trotzdem schon ziemlich überwachsen mit Gras und Unkraut. Es ist erst kurz nach 16 Uhr, es fehlt noch eine knappeStunde bis es finster wird.
Wir setzen uns an einen der Tische, schauen, wie die Sonne sich dem Horizont zuneigt, da kommt eine Gruppe Frauen, alle im Fitness Dress, mit Walking Stöcken, es wird palavert und gewalkt, was das Zeug hält! Dreimal hin und her laufen die Frauen, mit der Instruktorin voraus, dann verschwinden sie wieder mit ihren Autos. Auch ein Mann läuft hin und her. Es sieht gemütlich aus, und wenn er vorbeikommt wechselt er jedes Mal ein paar Worte mit uns: er komme oft hierher zum Gehen, so drei bis vier Kilometer könne er noch machen, jetzt will er aber nach Hause, es wird ihm zu kühl. Zwei Frauen mit ihrem Hund plaudern auch noch mit uns, dann kommt ein Vater mit seiner kleinen Tochter zum Spielen… Wir überlegen jetzt schon mal, wo wir das Zelt hinstellen könnten, es hat ziemlich Wind und die Hunde, die wir bellen hören, sind nicht so weit weg.
Windgeschützt und unsichtbar sollte der Platz sein, flach und unter den Bäumen, damit das Zelt nicht zu nass wird, aber am liebsten mit Morgensonne…Endlich, es dämmert schon, begeben sich auch Vater und Tochter auf den Heimweg, und wir sind allein. Ganz hinten hat es einen Platz, der bis auf die Morgensonne alles erfüllt, naja, Wind haben wir auch, so dass wir dann im Zelt drinnen essen. Unser rotes Lämpli erhellt unser Schnipseln des Gemüses und das Kochen, die Hunde bellen sich in die Nacht, sicher nicht wegen uns! Aber es ist schon so, wir lauschen auf ungewöhnliche Geräusche, Autos oder Schritte, das Krächzen eines Nachtvogels lässt uns innehalten und horchen. Wenn wir uns Mühe geben und ganz langsam sind mit Kochen, Essen und Abwaschen, (Ja das machen wir immer!) dann ist es vielleicht halb acht Uhr bis wir fertig sind. Für uns schon ewig Nacht, finster und kühl, deswegen verkriechen wir uns in den Schlafsack, der ist schnell schön warm. Ich lese meistens noch ein wenig auf dem Handy und Martin schläft schon bald.
Ich habe einen leichten Schlaf, mehrmals wache ich auf, lausche den Hunden zu, die armen Kerle, die da Nacht für Nacht allein irgendwo am Bellen sind! Oder ich höre irgendwo eine Strasse oder das Brummen der Maschinen vom Hafen der nahen Stadt. Und manchmal denke ich, es wird nie mehr Tag, immer wieder, wenn ich die Augen öffne, ist es noch dunkel, aber endlich, ein Vogel zwitschert, das ist ein untrügliches Zeichen, dass der neue Tag erwacht!
So zwischen 6 und 7 Uhr wird es hell, wir stehen auf, packen zusammen, und machen Kaffee und Frühstück, oder wie diesmal, suchen uns zuerst einen Platz an der Sonne, es ist kalt, sehr kalt! Wir finden den Platz an der Sonne und wie wir so herumschauen, sehen wir die nahen Berge voll verschneit! Aha, deshalb ist es so kalt, eine klare Nacht so nahe am Schnee. Aber die Sonne und der Kaffee wärmen uns und das Zelt trocknet im Nu.
Oder in einer Pineta, wir sind schon etwas spät dran, der Weg dahin war ziemlich holprig, dafür fast verkehrsfrei, an Feldern und Bauernhöfen mit freilaufenden, bellenden und Velofahrer jagenden Hunden vorbei…Wir landen auf einem sandigen Weg, müssen die Velos stossen, da plötzlich hinter mir aus dem Nichts ein riesiger schwarzer Hund, dann noch ein zweiter, weisser, langhaariger. Sie bellen nicht, sie begleiten uns und schnüffeln herum, wie wenn sie zu uns gehören würden. Es dunkelt schon, da finden wir ein flaches Plätzchen unter einer Piniengruppe, stellen schnell das Zelt auf bevor wir nichts mehr sehen. Wo die nächsten Häuser sind? keine Ahnung! Wo die nächste Strasse, die für Autos zugänglich ist? keine Ahnung!
„Unsere“ Hunde sind immer noch da, sie spielen miteinander, wir hören, wie sie sich raufen. Etwas ausgepowert sitzen wir im Zelt, machen eine kleine Pause vor dem Kochen. Da fangen die Hunde an zu bellen, wütend, scheint mir, wir hören Schritte und lautes Schnaufen, auch wütend. Ich schaue mal vorsichtig hinaus und sehe in der letzten Abenddämmerung die Silhouette eines Stieres, knapp 15-20 Meter von unserem Zelt entfernt! Die beiden Hunde geben alles, wie verrückt bellen sie, und der Stier verzieht sich langsam auf die andere Seite, immer noch wütend schnaufend, und da plötzlich, schreit laut und durchdringend ein Esel! Das tönt ja auch sehr ungeheuerlich, so in der Nacht und unerwartet! Der Stier muht zurück, zum Glück sind wir nicht gerade dazwischen, sondern etwas abseits.
Was jetzt? Weggehen geht nicht, keine Ahnung wo wir einen besseren Platz finden könnten, und auf dem sandigen Weg, nachts? Nein,wir bleiben hier, die Hunde beschützen uns ja! Aber wir wollen jeden Lärm vermeiden, deshalb verzichten wir aufs Kochen, unser Benzinkocher ist einfach etwas zu laut. Wir haben wir noch Tee in der Thermoskanne, der wärmt uns. Und dazu gibt es alles, was wir dabei haben und kalt essen kann: Brot, Käse, Oliven, Mandeln und Rosinen, und zum Dessert haben wir sogar noch etwas Schokolade und Guetzli!
Klar, diese Nacht wache ich noch etwa 5x mehr auf, die Hunde sind da, einmal muss wieder ziemlich geknurrt und gebellt und dann weggerannt werden, aber etwas später sind sie wieder bei uns, immer in einer Entfernung von 10-.20 Metern. Erst als es hell wird und die Vögel zwitschern, höre ich, wie sich der eine schüttelt, (der hat ein Halsband!) und als ich zum Zelt rauskomme, ist keiner mehr da! Danke ihr Hunde, dass ihr uns beschützt habt!!!
Wir sind am zusammenpacken, es ist gerade 7Uhr, da höre und sehe ich weiter vorne den Kehrichtlastwagen, zwei orange gekleidete Männer, die dort einen Container leeren, ein wenig rundum etwas zusammenwischen und dann wieder wegfahren. Oh, da bei uns in der Nähe hat es auch einen Abfallkübel, den haben wir gestern im Halbdunkel gar nicht mehr gesehen,…zum Glück kamen die nicht noch hierher. Da hätten wir uns erklären müssen. So früh am Morgen hier draussen?!
Obschon, es ist paradox, wir müssen uns erklären, wir nehmen unseren Müll immer mit, von uns sieht man nichts mehr, wenn wir weg sind. Wir finden aber immer überall Abfall, und zwar Glas und Plasticflaschen, Papier und Karton… Hier hatten ein paar Leute ein Essen veranstaltet und Bierflaschen, Teller, Becher und Besteck, alles liegen gelassen…wir können gar nicht alles mitnehmen und müssen das Zeugs liegenlassen, obwohl es im Herz weh tut.
Nach ein paar verregneten und windigen Nächten, die wir in einer tollen Wohnung verbringen, geht’s weiter mit wilden Nächten. Der Gargano, der Sporen in der Mitte der Adriaküste lockt uns mit seinen Wäldern und der schönen Küstenstrasse, die zum Teil kaum mehr befahren wird, da eine bessere Strasse durchs Landesinnere führt. Das Wetter will schön und warm, super. Los geht’s. Es hat zwar Städtchen hier und da, aber die Preise für die B&B oder Hotels sind recht hoch, im Vergleich zu der letzten Wohnung. Mitten in der Woche und so in der Nebensaison könnte man meinen, aber wir merken schon, es ist sehr touristisch und im Sommer muss es hier extrem viele Leute haben, und die Menschen hier sind etwas Touristenmüde. Oder wollen halt einfach Geld verdienen.
Die Strecke ist sehr schön, wir geniessen die Herausforderung, jetzt geht es doch etwas auf und ab, mit toller Aussicht. Die Platzsuche wird etwas schwierig, die Buchten sind eingezäunt, Alles im Privatbesitz von Campingplätzen und Feriendörfern? Hügelwärts hören wir Glockengeläute, da sind Ziegen und Kühe unterwegs, die sehen wir dann auch ab und zu. Ein Stier pro Monat reicht mir!
Aber mal in der Nähe von einem Strand möchte ich schon zelten. Das Strässchen, wo wir es vesuchen wollen, ist aber wirklich eine riesige Pfütze, und es fährt gerade ein Auto runter, wir wollen aber nicht, dass uns jetzt jemand sieht, dass wir da hinunter fahren. Weiter also, und da in einer Kurve, der Zaun ist weg und wir können einen kleinen Pfad nehmen. Zuerst zu Fuss, ohne Velo, findet Martin einen schönen und geeigneten Platz, gut um mit den Velos hinzukommen und noch einigermassen rechtzeitig, kein Stress also. Wir inspizieren die Umgebung, eine Gebäuderuine steht da, völlig überwachsen mit Bäumen und Efeu, keine Autospuren, es hat zwar wieder Abfall rumliegen, Bauschutt vor allem. Wir bleiben da. Eine Ziegenherde zieht später am Hügel oben vorbei, bei dem Gebimmel kommt es uns vor wie mindestens 400 Ziegen, mit ihren Hütehunden, aber die können sich nicht um uns kümmern. Es wir ruhig, dunkel, wir beginnen mit Kochen, essen im roten Licht, (ist immer noch gewöhnungsbedürftig) sitzen da und hören das Meer, leider wieder etwas in der Ferne. Etwa um 19Uhr fährt plötzlich ein Auto ganz nahe unten über ein Kiessträsschen und stoppt vorne am Strand. Ein Fischer? Oder hat es ein Haus dort?
Ich schlafe wieder besser hier und als das Zwitschern der Vögel beginnt, war die Nacht nicht endlos lang gewesen.
Für die nächste Nacht haben wir dann den perfekten Platz gefunden. Eine Mauer verhindert den Zugang von Autos, ein Weg führt neben der Mauer in den Wald, er ist gerade breit genug für unsere Velos. An der Mauer steht zwar der Durchgang ist verboten, wegen Erdrutschen wenn es regnet, aber heute und morgen regnet es nicht. Dahinter führt der Weg zuerst noch ein wenig flach, (es ist die Toilette der Autofahrenden), aber nach 50 Metern zwischen den Bäumen hindurch auf ein schön flaches Plätzchen. Ideal, ausser dass es keine Sonne haben wird! Der Weg geht dann ziemlich steil hinunter zu einem Strand, das geht für uns gar nicht. Wir entscheiden uns für diesen Ort und richten uns gemütlich ein. Es ist aussergewöhnlich warm, die ganze Nacht, der Sternenhimmel leuchtet durch die Äste, wir können ganz lange draussen sitzen und den Abend geniessen, einfach wunderbar. Trotz Spuren von irgendeinem Tier, das in der Erde gewühlt hatte, bleibt es ruhig, wir hören gerade mal zwei Autos, die ganze Nacht lang. Dann am Morgen hat es ein paar mehr, die sehen uns aber nicht.
Am Strand können wir erst ein paar Tage später übernachten, aber dann sind wir wirklich nur eine kleine Sanddüne davon entfernt, auf einem Campingplatz, der das ganze Jahr geöffnet hat. Es hat ein paar Camper, sogar aus der Schweiz. Ein Paar wohnt seit der Pensionierung im Wohnwagen und ist schon längere Zeit hier, weil es Ihnen so gut gefällt! Das ist Freiheit, die wir auch geniessen! Wir bleiben auch ein paar Tage, machen Pause, Waschtag, Schreibtag, Sonnenaufgang geniessen vom Schlafsack aus, Strandspaziergang, Muscheln sammeln, Mittagsschläfchen machen, mit den Leuten plaudern,…
Wir bleiben in Italien
Die Entscheidung ist gefallen, wir bleiben noch in Italien! Das Land, die Leute und das Wetter haben uns schlussendlich die Entscheidung leicht gemacht. Trotz Hochwasser in Venedig und starken Windböen in Apulien sind wir eigentlich gerade am besten Ort von Italien und im ganzen adriatischen Raum. Also fahren wir in Ancona nicht zum Hafen, sondern zur Via del Conero, die sich auf die Hügel und um den Monte Conero schlängelt. Da haben wir schon in der Stadt die ersten richtigen Steigungen, so steil, dass wir die Fahrräder schieben müssen und so richtig ins Schwitzen kommen. Dazu beginnt es noch zu regnen und kaum sind wir unter einem Baum im Trockenen, hört es schon wieder auf, wir fahren/stossen weiter, oben belohnt uns kurzer Sonnenschein, ein halber Regenbogen und die schöne Aussicht.
Die Tage sind kurz, schon müssen wir Ausschau halten für einen Schlafplatz, bei einem „Agriturismo“ sehen wir einen Mann und fragen ihn, leider ist er nicht zuständig, aber er gibt uns einen Tipp. Wir schauen uns diesen Tipp an, es ist ein Ferienhaus etwas abseits der Strasse, alles ist verriegelt und geschlossen, ein steiler Feldweg führt hinauf, kein Privato, kein geschlossenes Tor …rund ums Haus Gras, etwas verwildert, viel Laub am Boden und hinter dem Haus beginnt ein Dickicht, der perfekte Platz! Es ist zu verlockend, wir bleiben hier. Um diese Jahreszeit ist sicher niemand in diesem Haus in den Ferien! Beim Einnachten stellen wir unser Zelt auf, und beginnen zu kochen. In einem Blog von einem Velofahrer haben wir gesehen, dass man rotes Licht nicht so gut sieht von weitem, das probieren wir jetzt hinter dem Haus aus. Zuerst ist es etwas komisch, alles hat eine ähnlich orange Farbe, aber unsere Augen gewöhnen sich dran und wir geniessen unser Abendessen, ein Käuzchen ruft ganz in der Nähe, und es ist gar nicht kalt!
Es ist ja nicht so, dass wir einfach ohne Skrupel so auf einem Privatgelände unser Zelt aufstellen, wir besprechen das gerade im Dunkeln, da beleuchten plötzlich Scheinwerfer das Zelt und drei!!! Autos fahren vor das Haus! Martin geht sofort auf die Autos zu und versucht, mit einem der drei Fahrer zu sprechen, der aber kann oder will kein englisch sprechen und hat sofort das Handy in der Hand und sagt etwas von Proprietario….
Martin versucht es weiter, mit biccicleta, solo una notte,….aber der sagt, der Proprietario werde kommen. Sie steigen aus, machen Licht vor und im Haus und verschwinden drinnen. Und dann kommt der Besitzer, ein älterer Mann, Martin geht auf ihn zu und gibt ihm die Hand und erklärt, dass wir aus der Schweiz und mit dem Fahrrad da sind, und nur bis morgen dableiben und dann weiterfahren. Ich komme auch dazu, der Mann ist sehr freundlich, er geht zu den Männern ins Haus und erklärt ihnen die Lage, es tönt fast so, wie wenn er gewusst hätte, dass wir da sind. Uns erklärt er dann, die Männer hätten die Wohnung gemietet, sie arbeiten in der Gegend. Wir bedanken uns bei ihm für die Grosszügigkeit, dass wir bleiben dürfen, und auch bei den Männern, die uns nicht wegschicken.
Alles ist geklärt, er fährt wieder davon, das Ganze hat vielleicht 15 Minuten gedauert! Puh, da haben wir wirklich Glück gehabt. Das machen wir nicht so schnell wieder! Die drei Männer parken ihre drei genau gleichen Autos im Halbkreis vor die Türe, etwa eine halben Stunde später fahren sie weg, alle drei, (wahrscheinlich Abendessen) und als wir schon lange im Schlafsack liegen, kommen sie zurück.
Morgens um sieben stehen wir auf, wir wollen zeigen, dass es uns ernst ist mit dem Wegfahren, zum Glück war die Nacht so warm, dass das Zelt fast trocken ist. Und schon bald sind die drei Männer mit einem kurzen ciao davongefahren, zur Arbeit. Und wir machen uns jetzt noch einen Kaffee und frühstücken, schliesslich wollen wir gestärkt die nächsten Steigungen erklimmen.
Solche Momente kann ich mit keinem einzigen Foto dokumentieren, da denke ich nicht eine Sekunde daran, dass man die Situation mit Fotos festhalten könnte! Die bleiben auch so ganz klar im Gehirn eingraviert!
Das Wetter, beziehungsweise die Wetter-App, verursacht uns wieder zwei Hotelnächte, hier „dürfen“ wir die Velos ins Zimmer hinauf mitnehmen, in den zweiten Stock, mit Lift! Es ist dann gar nicht so nass wie gemeldet, dafür schlendern wir stundenlang herum, zuerst im Hafen, wo die Fischerboote in Reih und Glied auf besseres Wetter warten und danach über einen riesigen Markt, wo man wirklich alles kaufen könnte, was das Herz begehren würde. Wir begnügen uns mit ein paar Früchten, die ersten Mandarinen dieses Jahr! Es hat sehr viele Leute auf dem Markt, uns scheint, dass wir die einzigen Fremden sind. Nach einer langen Siesta und schreiben im Hotelzimmer gehen wir abends in eine Osteria essen, italienisches Essen ist sehr lecker!
Und am nächsten Tag, als wir weiterfahren, regnet es in Strömen….wir lernen, ab jetzt buchen wir nicht mehr zwei Nächte, das Wetter kann sich über Nacht radikal ändern.
Während der Fahrt werden wir immer wieder angefeuert von Menschen, die auch unterwegs sind, meistens zu Fuss, aber auch von Velofahrern, die sich kurz unserem Tempo anpassen und ein wenig mit uns schwatzen, bevor sie uns „buon viaggo“ wünschen und dann davonradeln…Und wir sehen, was das Meer der Küste, den Stränden antun kann. Wir verstehen die hohen Sandmauern nun besser, die nützen aber nur kurzzeitig, werden von den Wellen während einem Unwetter weggewaschen.
Da sind all die Bagni, die während des Unwetters von den Wellen überrollt wurden, die Wege, die voller Sand, Holz und Steine zurückbleiben, wenn sich das Meer wieder etwas beruhigt hat. Da sind die Strasse und die Eisenbahn der ganzen Küste entlang, die in Mitleidenschaft gezogen werden. Hier ein paar Fotos von dem, was wir gesehen haben:
Also die Radwege hat es fast überall, einzig bei den Brücken gibt es manchmal Engpässe, vor allem wenn die Flüsse gerade auch Gemeindegrenzen sind, da müssen wir auf die vielbefahrene Nationalstrasse, die manchmal schon sehr voll ist, obschon es eine Autobahn gäbe, ein paar wenige Kilometer im Landesinnern. Leider ist diese in Privatbesitz und kostet, deshalb ziemlich leer…
Auch hier kann ich das nicht dokumentieren mit Fotos, die ganze Aufmerksamkeit muss sich dem Verkehr widmen, es darf uns kein Fehler passieren, es könnte verheerende Folgen haben! Links im Spiegel sehen wir die Autos, Lieferwagen und Lastwagen kommen, die Busse sind am schlimmsten, die nehmen kaum Abstand und brausen an uns vorbei, wie wenn es uns nicht geben würde.
Am Boden und rechts die anderen Tücken: die Gullis für das Wasser, die viel tiefer liegen als der Teer, all die Höcker, die die Lastwagen oder die Wurzeln der Bäume in den Teer gemacht haben, und all die Löcher und Risse im Teer, wer weiss was die verursacht hat. Nicht zu reden von den Gräben, die so nahe sind, dass bei einem Schwenker die Gefahr besteht, einen Sturz in den Graben zu machen. Wenn wir dann in eine Ortschaft kommen, sind da Kreuzungen und die Einbahnstrassen, die fast immer da sind, die wir, natürlich in der Gegenrichtung fahren wollten ….
Aber die Radwege sind wirklich gut, manchmal etwas holprig wegen den Wurzeln, die versuchen, sich einen Weg durch den Bodenbelag zu bahnen, manchmal aber super neu geteert und gut ausgeschildert, wenn man sich mal an das System gewöhnt hat. Manchmal sind sie ein wenig schmal…Ach nein, das war ja nur für Fussgänger, wenn man nicht aufpasst ist man plötzlich weg vom Radweg, oder es gibt ihn noch nicht.
Einige werden jetzt vielleicht sagen, warum fährt ihr denn der Küste entlang, etwas langweilig oder? Es wäre doch auch schön im Landesinnern, mehr Abwechslung? Ja, schon, aber da geht es schnell auf über 700 Meter ü.M. und da sinken die Temperaturen nachts ziemlich schnell unter 10 Grad, und das ist dann fürs zelten doch eher schon an der unteren Grenze. Und wir wollen lieber schneller richtig in den Süden kommen, wo es dann etwas höhere Temperaturen gibt. Und jetzt, von Pescara aus sieht man die Schneeberge schon ganz nah! Wir haben von verschiedenen Leuten gehört, dass es sehr schön ist, in den Bergen zu fahren, wenig Verkehr und wunderschöne Panoramas. Aber auch hier an der Küste gibt es immer wieder wunderschöne Momente!
Jetzt ans Meer!
La Selvatica ist ein Ort, wo wir bleiben könnten, alles passt für uns bei Enrico. Zusammen kochen, essen, trinken, spielen, diskutieren,…Das Haus ist uralt, war jahrelang unbewohnt und verfiel, aber mit viel Arbeit und Behutsamkeit hat Enrico es wieder bewohnbar gemacht. Es strahlt eine Atmosphäre der Ruhe und Wohnlichkeit aus, wir fühlen uns sehr wohl.
Aber das Meer zieht…
Meine Offline-Karte zeigt verschiedene Strassenntypen an: Rot – Autobahn, Orange – National und wichtige Provinzialstrassen, Gelb – meistens nicht so stark befahrene, Weiss – da gibt’s dann geteerte und Naturstrassen bis zum grasbewachsenen Feldweg einfach alles. Dann sind da noch die braunen Striche und die gestrichelten braunen und die ganz dünnen gepunkteten…das sind dann die Wege, die viele Überraschungen bereithalten, zB. Bäche oder viele grosse Steine, so dass man nicht mehr mit dem Velo durchkommt. Und Achtung, es gibt noch die lila gestrichelten, das sind aber keine Wege sondern Gemeindegrenzen!!!
Bei Recherchen auf Google Earth mit Street View, da sind vor allem die blauen Punkte in Naturschutzgebieten sehr interessant geworden! Ich finde einige Vogel-Beobachtungshütten und Türme, die uns vielleicht mal zum Übernachten dienen könnten. Auf der Fahrt besuchen wir so eine Hütte und lassen den nächsten Regenguss an uns vorbeiziehen, während wir im Trockenen einige Enten in einem ehemaligen Reisfeld beobachten. Es gibt ein paar wenige solche Vogelschutzgebiete in der Po-Ebene, und dann natürlich das ganze Delta des Po.
Schlafen in so einer Hütte möchte ich aber nur im Notfall, es hat nämlich immer noch ziemlich viele Mücken. Oder wir müssten schauen, wie wir das Zelt in dem Hüttchen aufstellen könnten.
Später gegen Abend kommen wir zu einem anderen Schutzgebiet, hier gibt es ein Besucherzentrum, mit Ausstellungen und Veranstaltungen, heute Nachmittag ist es aber abgeschlossen und auf einem kleinen Blatt steht, dass das Zentrum im November am Sonntag geöffnet ist. Wir laufen rund um die Häuser, es stehen ein paar Autos da, und in einem Gebäude läuten wir, eine Frau erklärt uns, sie wohne nur hier. Da kommt ein Mann aus dem Wald, mit dem schwatzen wir auch und fragen ihn dann, ob wir hier zelten könnten. Er sagt uns, dass er noch seine Frau fragen will, und geht zu der Wohnung, wo wir vorher geläutet haben…Die Frau hat demnach doch ein wenig Einfluss hier. Er zeigt uns dann den Platz, direkt vor dem Haus unter den Bäumen, wo wir unser Zelt aufstellen können. Wir wären ja lieber etwas hinter dem Haus, aber so haben sie uns gut im Blick!
Wir stellen unser Zelt auf, es wird schon bald dunkel, es ist 17 Uhr! Ja, das ist manchmal schon etwas lästig, dieses frühe Einnachten, aber hier dürfen wir Licht machen, die Leute wissen ja, dass wir hier sind. Aber dann gehen überall Laternen an, das ganze Besucherzentrum ist gut beleuchtet, die ganze Nacht! Wir haben also genug Licht und köcheln unser Abendessen mit heller Beleuchtung ;-)
Der Mond scheint hell, es ist kühl geworden, aber trotzdem noch angenehm, und wir machen noch einen schönen Nachtspaziergang um 20 Uhr, bevor wir uns ins Zelt verkriechen und noch ein wenig auf dem Handy lesen. Die Sonne geht etwa um 7.20 Uhr auf, der Himmel ist blau, ein wunderschöner Morgen! Wir kochen Kaffee und frühstücken. Da, kurz vor 8 Uhr, fahren zwei Autos aufs Gelände und parken hinter dem Haus. Die drei Personen winken uns zu, sind dann aber geschäftig rund um das Besucherzentrum, öffnen Türen und Gitter und ein paar Minuten später fährt ein Bus auf den Parkplatz voll mit Kindern, die fröhlich aussteigen und direkt an uns vorbei zum Haus laufen. Einige werfen uns neugierige Blicke zu, die meisten laufen vorbei ohne hinzuschauen.
Wir packen unsere Sachen zusammen, das Zelt steht noch in der Sonne zum Trocknen, da fahren nacheinander etwa 10 Autos auf den Platz, in jedem sind zwei bis vier Leute drin und der Platz bevölkert sich. Wer hätte das gestern Abend gedacht, dass hier noch so viel los ist?
Das Wetter wird langsam etwas schwieriger, immer wieder sind Regen und Gewitter angesagt, manchmal trifft die Vorhersage zu, manchmal nicht. So wird das Zelten etwas mühsamer, Durch die tieferen Temperaturen in der Nacht ist das ganze Zelt und auch die Schlafsäcke am Morgen feucht bis tropfnass, und wenn es regnet, müssen wir alles tropfnass zusammenpacken. Wenn es den ganzen Tag keinen Sonnenschein gibt, stellen wir dann alles wieder nass auf und so wird auch das Innenzelt immer feuchter,…so suchen wir immer wieder mal einen Gastgeber, bei dem wir übernachten und alles trocknen können. Dann haben wir aber den Druck, abends dort zu sein.
Und genau an so einem Tag, wir haben noch viele Kilometer vor uns, gibt es in einem Kreisel einen lauten Knall und ein Pfffffiiitt und Martins Vorderrad steht auf dem Felgen! Zum Glück sind wir in einem ländlichen Gebiet und es hat nur wenig Verkehr, so können wir das Velo entladen und alles in die Mitte bringen, wo wir den Schaden begutachten können. Kein Nagel oder Draht, nein, der Pneu hatte einen kleinen Riss, und der wurde immer grösser, bis dann eben der Schlauch geplatzt ist.
Martin sagt: Ich habe so ein Geräusch am Rad gehört, ich dachte, da ist ein Steinchen eingeklemmt in einer Rille vom Pneu oder so etwas, aber das war eben der Schlauch, der da so langsam zum Riss herausgequollen ist. Martin ist gut gewappnet für solche Fälle, er hat einen faltbaren Ersatzpneu und natürlich Schläuche dabei, und so wechseln wir Pneu und Schlauch, dort mitten auf dem Kreisel.
Die Zeit läuft uns davon, es ist schon Mittag als wir endlich weiterfahren, und es sind noch sicher mehr als 60 Kilometer. Jetzt heisst es, die schnellste Route zu nehmen, also los auf eine Orange Strasse. Wir montieren auch die Leuchtwesten, die nützen wirklich gut, die Autofahrer sind zum grössten Teil rücksichtsvoll. Wir rechnen, etwa um 19 Uhr anzukommen, das heisst, zwei Stunden im Finstern fahren. Die Abschnitte in der SP3 sind sehr unterschiedlich, die neueren haben einen schmalen Streifen am Rand, auf dem wir fahren können, die älteren Teile sind enger und wir fahren auf dem weissen Strich am Strassenrand. Der Gegenwind macht den Gegenverkehr recht spürbar, vor allem die grossen Lastwagen haben eine richtige Sogwirkung auf uns. Aber es hat nicht zuviel Verkehr, und es ist nicht sooo stressig. Sogar als es dunkel wird, geht es recht gut. Als wir um halb acht ankommen sind wir sehr froh, dass wir in die Wärme in ein Haus können, eine warme Dusche nehmen und dann Abendessen kochen dürfen. Christian, unser Gastgeber macht uns einen heissen Tee und wir plaudern, bis er noch weg muss. Am nächsten Morgen muss er früh zur Arbeit und lässt uns den Schlüssel fürs Haus, so können wir Ravenna besuchen, und vor allem einen neuen Pneu und Schlauch kaufen. Der faltbare Ersatzpneu kommt wieder ins Gepäck, hoffentlich brauchen wir ihn nicht mehr! Wieder regnet es und wir sitzen in Ravenna vor allem im Kaffee und geniessen dazu die feinen Sachen, die es da gibt.
Abends kochen und essen wir dann zusammen bis spät in die Nacht. Da Christian auch am nächsten Tag arbeiten muss, lässt er uns die Schlüssel, die wir dann einfach in der Küche deponieren, wenn wir fertig gepackt haben. Es ist wunderbar solches Vertrauen zu spüren!
Der Radweg von Ravenna nach Ciervo ist sehr schön, er führt durch einen riesigen Wald, es hat viele Wege und Brücken, Kanäle und Sumpfgebiete, und bei einem Beobachtungsplatz sehen wir ein paar Flamingos im Wasser. Es ist Samstag und es hat viele Mountain-Biker, die da durch den Wald rasen und johlen. Gut so, da hört man wenigstens, dass sie kommen, die Wege sind nämlich manchmal schmal und unübersichtlich.
Am Meer ist es dann etwas enttäuschend, der Strand ist vollständig verbaut mit den Bagni. Das sind die kleinen Häuschen, die im Sommer als Bar, Depot für Sonnenschirme und Liegestühle etc. genutzt werden, und natürlich kosten,… Diese Ferienorte, die im Sommer sicher voller Touristen sind, wirken auf uns verschlafen und leer, am Strand entlang wurde eine grosse künstliche Sanddüne aufgeschüttet und die Bagni sind verbarrikadiert. Dann wieder eine kilometerlange Strasse unter den Pinien, die Häuser, Hotels, Bars und Restaurants links und rechts alle geschlossen, bis wir uns wieder einem Städtchen nähern, wo auch im Winter Leute leben und arbeiten.
So fahren wir also südwärts, auf einem der letzten Campingplätze, der hier noch offen hat übernachten wir, fast ganz allein, nur ein paar ältere Leute sind da, die ihre Wohnwagen für den Winter einpacken. Sie kommen vorbei zu einem Schwatz, es ist einfach schön, wie die Leute ihre Neugier zulassen und kommen und fragen. Die Dame an der Reception hat Erbarmen mit uns und macht uns einen Spezialpreis, wir bräuchten ja keinen Strom und sowieso, es sei doch einfach zu kalt! Wir schmunzeln, klar es ist schon etwas kühl, die warme Unterwäsche ziehen wir schon an, aber es ist immer noch schön, abends draussen zu sitzen und das Abendrot im Himmel zu schauen.
Aber die Wetter-App will richtig Regen und kälter für die nächsten Tage, ja die ganze Woche! Wir finden wirklich gute Plätzchen zum Schlafen, mal ein Hotel das mit einem Frühstücksbuffet glänzt, wie wir noch nie gesehen haben! Da können wir sogar bei Regenwetter voller Energie fahren!
So kommen wir in Pesaro an, kurz bevor es dunkel wird, wir wollen durch das Zentrum fahren, aber da hat es so viele Menschen, sie flanieren, spazieren mit Kindern und Hunden, es herrscht eine fröhliche Atmosphäre. Wir steigen ab und spazieren mit all den Menschen durch die Gassen. Diese Leute wohnen hier und schlendern jetzt durch ihre Stadt. Es tut gut, nach all diesen leeren Strandsiedlungen eine lebendige Stadt anzutreffen.
Und jetzt haben wir ein Zimmer in einer Wohnung mit Küchenbenützung, und es regnet in Strömen! Zwei Pausentage, wir haben Kleider gewaschen, der Vermieter hat uns extra einen Wäsche-Ständer gebracht und die Heizung läuft.
Die nächste Entscheidung steht nun an: wollen wir in Italien weiterfahren? Oder wollen wir die Fähre in Ancona nehmen und nach Patras?
Ciclovia del Po
Weiter geht’s bei milden Temperaturen und Sonnenschein, auf den verschiedenen Dämmen des Po, den vielen Windungen entlang, dann wieder über kleine Nebenstrassen ohne viel Verkehr. Wir sehen viele eingefallene Bauernhäuser, mitten in den bewirtschafteten Feldern. Es waren mal stattliche Höfe, mit grossen und kleinen Gebäuden, die da langsam verfallen, mit offenen Dächern, wo das Buschwerk und sogar ganze Bäume herauswuchern.
Es hat vor allem Maisfelder und Pappelplantagen, die Felder meist schon abgeerntet, manchmal weidet eine Herde Schafe auf den Feldern, was sehr malerisch aussieht im Morgennebel. Die Pappeln stehen in Reih und Glied, kaum Büsche oder Gras dazwischen, richtige Monokulturen. Wir sehen wenig Vögel, vor allem Raben und Elstern, weder Mäusebussard, Milan oder die vielen kleinen Wald-und Wiesenvögel. „Richtige“ Wälder, so wie wir sie kennen gibt es hier kaum.
Ab und zu haben wir aber Glück:
In einem „Urwald“, zwischen Feldern von Gestrüpp, auf einem Streifen Gras, gerade breit genug, schlagen wir unser Zelt auf. Wir schlafen richtig gut diese Nacht, nur die Nachtvögel hören wir mal von da und dort. Am Morgen, beim Aufwachen, raschelt es plötzlich und etwas zwängt sich zwischen unserem Zelt und dem Gestrüpp durch. Ich bin natürlich sofort hellwach, öffne das Zelt und sehe gerade noch den dunklen Umriss eines Mannes der sich schnell entfernt, …der hat wohl einen grösseren Schrecken bekommen!
Ja, es gibt die Pilzsammler und Jäger, die sich frühmorgens in den Wäldern und Feldern tummeln, aber wir schauen doch sehr drauf, dass da, wo wir Übernachten die Schilder stehen mit „Divieto la Caza“. Damit wir nicht plötzlich mit irgendwelchen Fasanen verwechselt werden!!!!
Die wir übrigens auch schon gesehen haben und sogar fotografieren konnten.
Während den Mittagspausen ist Trocknen angesagt, das Zelt, die Schlafsäcke, die Mätteli und auch die Daunenjacken, alles ist feucht bis tropfnass von der Nacht und dem Nebel am Morgen.
Ein richtig schönes Gewitter ist laut Wetter App angesagt, so gegen Abend. Wir haben uns vorsorglich bei einer Warmshower-Gastgeberin angemeldet, treffen die Frau aber erst gegen 18.00 Uhr. Den ganzen Tag haben wir noch in der Sonne pedalen können, erst gegen 16 Uhr hat es den Himmel mit grauen Wolken überzogen und die ersten Tropfen fallen. Wir müssen nur noch über eine grosse Brücke hinüber ins Städchen fahren. Das erste Mal montieren wir Regenhosen und Regenjacke, damit wir dann nicht mitten im Verkehr auf der Brücke uns plötzlich noch umziehen müssen. Sie ist fast 1 Kilometer lang, und natürlich brausen sehr grosse Traktoren mit Anhängern und noch grössere Lastwagen über die Strasse. Es hat zwar ein Trottoir, aber das ist zu schmal für uns mit den Taschen, wir müssen auf der weissen Seitenlinie fahren. Das erlaubte Tempo wäre 50, aber die Autos fahren mit sicher 80km/h an uns vorbei, die meisten zum Glück mit gutem Abstand. Dank unserem Rückspiegel können wir sehen, wenn ein Lastwagen nahe kommt und den Lenker ganz fest zu halten, damit uns der Sog micht zu sehr durchschüttelt. Alles in allem eine stressige Sache, natürlich geben wir Gas, damit wir da schnell durch sind, und entsprechend sind wir schweissgebadet in unseren Regenklamotten, als wir nach der Brücke auf die erste Nebenstrasse abbiegen! Natürlich ist kein Tropfen Regen gefallen…
Aber das Gewitter kommt, der Himmel ist unterdessen fast schwarz und wir suchen uns eilig einen Unterstand, wo wir vielleicht etwas trinken können. Der Chino hat einen Baldachin vor dem Haus, wir gehen rein, bestellen etwas zu trinken, und da hat die Frau gar nichts dagegen, dass wir unsere Fahrräder unters Dach stellen. Wir sind ja die einzigen Gäste. Der Himmel ist gelbschwarz und in der Ferne donnert es schon gewaltig. Ein paar Minuten später trommelt das Wasser auf den Baldachin. Zusammen mit den Getränken erhalten wir ein Schüsselchen mit Chips und ein Tellerchen mit Pizza -Küchlein! Es wird ja ein Weilchen dauern, bis der Regen aufhört, hat sich die Frau wohl gedacht. Es ist so dunkel geworden, dass plötzlich die Strassenbeleuchtung der Stadt angeht.
Und plötzlich hält der Baldachin die Regenmasssen nicht mehr aus. Wie ein Wasserfall sprudelt und spritzt es in der Mitte des Daches zwischen die Tische, auf unsere Fahrräder und die Stühle. Die Menschen unterwegs hasten entweder mit oder ohne Schirm durch den Regen oder stehen irgendwo im Halbtrockenen, wahrscheinlich mit der Hoffnung auf ein schnelles Ende. Ein Rennradfahrer hat gegenüber Schutz gesucht und steht in kurzen Hosen und Leibchen da, mit dem Handy in der Hand. Ob er wohl jemanden findet, der ihn abholt? Wir sehen nämlich auf unsere App, dass das so weitergehen wird bis spät in die Nacht hinein. Zwar hellt es langsam wieder auf, die Strassenbeleuchtung geht wieder aus, aber immer wieder kommt ein Guss, in dem man lieber nicht unterwegs sein möchte.
Unterdessen hat sich Alessandra, unserer Gastgeberin erkundigt, wo wir sind und wie es uns geht. Sie erklärt mir, dass sie am Abend nicht mit uns zusammen sein könne, ob sie noch etwas für uns einkaufen könne?
Ich erkläre ihr, dass wir immer ein Menu kochen können ohne einzukaufen, kein Problem.
Als wir uns in der Bar die Regenkleider anziehen, kommt die junge Frau heraus, mit einer Papiertasche und ihrem Handy in der Hand, die Tasche schenkt sie mir, es sind 2 Croissants drin. Das Handy hält sie Martin hin, damit er lesen kann, dann deutet sie ihm, er solle die Antwort ins Handy sprechen. Sie drückt anschliessend einige Tasten und liest (chinesisch) seine Antwort, nickt und bedankt sich mit Grazie für unseren Besuch! Dabei hat sie doch uns beschenkt mit den Tapas und mit den Croissants!!
Bei Alessandra zuhause die nächste Überraschung, sie überlässt uns ihre ganze Wohnung die ganze Nacht, eigentlich wohnt sie bei ihrem Freund im Nachbarort und heute haben sie beide keine Zeit, um mit uns zu plaudern und zu essen.Nach 15 Minuten sind wir allein, noch etwas verdutzt, aber draussen regnet es in Strömen und wir sind sehr froh, im Trockenen zu sein. Duschen, Kochen, Essen und Schlafen, und am Morgen ist der Himmel wieder blau und die Sonne scheint! Wir packen, tragen alle unsere Sachen zu den Velos und hinterlegen den Schlüssel am abgemachten Ort und senden Alessandra ein Foto und ein grosses Dankeschön für ihr Vertrauen!
Wir planen, in zwei bis drei Tagen in Ferrara auf dem Camping zu sein, es ist einer der wenigen, die noch offen haben. Aber, daraus wird nichts! Bei der Mittagspause fährt ein Traktor an uns vorbei, dann ein Kleinbus, als der zurückkommt stoppt er, die Scheibe schon unten, beginnt zu fragen: Woher? Wohin? Wieviele Kilometer? Wieviel Zeit? Wo schläft ihr? Und diese Frage beantworte ich nur zögernd, wir wollen es den Leuten nicht unter die Nase reiben, dass wir wild campen, es ist ja eigentlich auch verboten…und das alles auf italienisch!
Er lässt mich aber gar nicht ausreden sondern lädt uns in sein Haus ein, er sei Bauer, habe 100 Kühe, mache Milch für den Käse, den Parmiggiano Reggiano,… schlussendlich steige ich in sein Auto ein, er zeigt mir sein Haus ein paar Kilometer entfernt und bringt mich wieder zurück, damit wir mit den Velos dahinfahren können. Als wir ankommen ist seine Tochter schon informiert, wir dürfen duschen und unsere Taschen im Esszimmer deponieren, da steht ein Sofa, wo wir dann drauf schlafen können. Ich frage seine Tochter, ob ihr Vater oft Leute mit nach Hause bringt, lachend antwortet sie: oh ja, immer wieder!
Wir besuchen die Farm, Mauro erklärt uns alles über die Kühe, die Milchroboter, die strengen Regeln für die Produktion des Käses. Nebenbei erklärt er uns, dass seine Frau erst spätabends nach Hause kommt, und wir zusammen nach Mantua fahren werden, wenn wir wollen.
Er zeigt uns die Stadt und dann gehen wir Pizza essen. Es wird ein ganz gemütlicher Abend.
Nach dem Frühstück um 7.30 verabschieden wir uns, packen unsere Velos und fahren los, so früh waren wir noch selten schon unterwegs. Die Sonne scheint und es wird schnell warm.
Bei der Mittagspause passiert wieder etwas Ungewöhnliches: ein Porsche fährt über die kaum befahrene Strasse, der Mann winkt, hält an, fährt 20 Meter zurück, steigt aus, öffnet die Hintertür und bringt uns ein Packet, wickelt es aus und streckt es uns entgegen: ein riesiges Stück Parmiggiano Reggiano! Mindestens 1 Kilo! OH, was machen wir mit dem? frage ich ganz überrascht. Da lacht er und sagt: MANGARE! Dreht sich um steigt in sein Auto ein und weg ist er!!! Wir sind sprachlos, es ist unglaublich, was da gerade passiert ist!
Kurz darauf merke ich beim Einpacken, dass meine langen Velohosen nicht da sind! Kurz überlegen, wo habe ich die ausgezogen? Nicht mit dem Gummizug angemacht??!! Ohje!!!, wahrscheinlich etwa vor 10 Kilometern habe ich sie verloren…….. Nach kurzer Diskussion entscheiden wir, auf der Hauptstrasse zurück zu fahren, dann wieder auf den Damm, da sparen wir ein paar Kilometer, aber die Hosen holen wir wieder! Und wirklich, ganz in der Nähe wo ich am Morgen die Jacke und die Hosen ausgezogen hatte liegt sie! Der Umweg hat uns Zeit geraubt, wir müssen den Plan ändern. Auf der Karte sehen wir Ferrara immer noch in weiter Ferne, dafür ist Modena etwas näher und da hat es auch zwei WS-Gastgeber, die wir anschreiben könnten.
Auf der Suche nach der besten Route stosse ich auf ein „Agriturismo“, das probieren wir jetzt auch einmal aus! Wie ein Schlaf im Stroh? Oder ein B&B? oder? Das wollen wir jetzt wissen.
Bei der Ankunft werden wir vom Bauern freundlich begrüsst, er werkelt an seinem laufenden Traktor. Es entpuppt sich als für unser Budget etwas teures Zimmer, sieht etwas heruntergekommen aus, deshalb fragen wir den Bauern, ob wir vielleicht irgendwo auf dem Hof das Zelt aufstellen könnten? Und die Toilette benützen dürfen? Wir würden schon etwas bezahlen? Er versteht uns, seine Frau kommt jetzt auch raus und sagt etwas von keine sauberen Zimmer, geht nicht, die hat aber schlechte Laune! Aber er zeigt uns ein Plätzchen, das Badezimmer, das wir benützen dürfen, und verzieht sich wieder hinter seinen Traktor. Unter den neugierigen Blicken der drei Ziegen die da weiden stellen wir unser Zelt auf und während wir kochen, müssen wir sie energisch wegweisen, bis der Bauer sie dann in ihren Stall bringt.
Wir geniessen es, Licht zu machen und draussen zu sitzen, es ist nämlich gar nicht kalt und ausser ein paar Mücken stört uns niemand.
Enrico hat uns geschrieben dass er uns erwartet, super, die nächste Nacht also wieder mal in einem Haus schlafen. Unterwegs fällt uns ein Städtchen auf, wo eine ganze Gasse mit alten Häusern auf einmal renoviert wird. Da fragen wir uns schon, haben die wohl im Lotto gewonnen? Später etwas ausserhalb sehen wir dann so komische Maschinen, wie die Ölförderkräne die so auf- und abnicken, dann Leitungen, die vom Gelände wegführen, sind das etwa Pipelines? oder Gasleitungen? Machen die etwa Fracking?
Wir werden versuchen, Antworten zu finden, Enrico kann uns vielleicht weiterhelfen. Ölfirmen in der Gegend würde den Renovationsboom im Städtchen erklären….
Schon zwei Wochen?!
Nun sind es schon zwei Wochen die wir unterwegs sind! Wir haben schon so viel erlebt, dass ich fast nicht weiss, wie ich anfangen soll.
Mit dem Anfang natürlich! Der erste Tag, gemütlich durchs Emmental bis ins Entlebuch, wo wir freundlichst empfangen und bekocht werden von einem „Warmshower-Gastgeber-Paar“. Sie wohnen in einem wunderschönen Haus mit einem wunderschönen Garten und Schwimmteich, den Martin ausprobieren muss, trotz nur 13 Grad! Ich schaue lieber nur zu,….
Der nächste Tag bis Luzern, wieder um die 40km auf dem Velo, dann nehmen wir einen Zug nach Bellinzona. Warum denn? Martin wollte doch über den Gotthard? Naja, da hat es schon wieder geschneit und die nächsten Tage versprechen Kälte und Schnee, da mache ich lieber nicht mit! Die Gewitter in der ersten Nacht auf dem Camping in Bellinzona genügen mir völlig! Aber dann geht es bei blauem Himmel Richtung Lago Maggiore und Italien!!!
Auch die nächste Nacht sind wir auf einem Zeltplatz, zum Angewöhnen ans Reisen mit dem Velo eine feine Sache. Wir haben Glück, der letzte Platz auf dem Camping ist für uns gerade gross genug. Das ist ja schon verrückt: vor ein paar Jahren waren wir hier, etwa zur gleichen Zeit, und der Platz war fast leer, und jetzt übervoll, und der zweite Camping im Dorf hat auch alle Plätze besetzt! Nur etwas ist gleich: wir sind die einzigen im Zelt!!!
In Luino fahren wir am nächsten Tag ins Landesinnere, wo uns eine schöne ausgeschilderte Fahrradstrecke Richtung Varese führt. Zuerst aber wollen wir unser Talent fürs wild zelten etwas fördern und machen uns nach dem Einkauf in einem Supermarkt auf die Suche nach einem geeigneten Platz. Ich habe natürlich schon recherchiert und einen Wald mit Wiesen und einigen Sportfeldern rundum ausgesucht. Auf dem Weg müssen wir schon durch einen Bach waten, sehr gut, da kommen die Hundespaziergänger schon mal nicht durch. Am Ort schauen und horchen wir, ob nicht doch ein Haus (mit Hund) in der Nähe ist, und die teilweise abgemähten Maisfelder wollen wir auch meiden, man weiss nie, ob der Bauer heute Abend oder morgen früh wiederkommt um weiter zu mähen. Auf einem sehr kleinen grasigen und sumpfigen Weg stossen wir unsere Räder etwa 100 Meter in ein Waldstück, das man vom Weg aus nicht sieht. Schön flach und ideal für unser Zelt.
Einzig was fehlt, ist die Ruhe, eine Autobahn ist auf der anderen Seite des Waldes, und erfüllt den Wald die ganze Nacht mit dem Brummen der Motoren. Wir sind halt doch recht nahe von Mailand und die Gegend ist durchzogen von Strassen und ist auch sehr besiedelt.
An so einem Ort wollen wir nicht auffallen, wir haben gekocht, gegessen, stellen dann unser Zelt in der Dämmerung auf und so um 19.45 Uhr haben wir die Zähne geputzt und liegen auf der Matratze. Da sind wir schon froh haben wir Bücher und Podcasts auf unseren Handys und können noch etwas tun. Obschon, ich bin so müde, dass ich schon bald alles weglege und einschlafe.
Es ist ausser dem fernen Rauschen der Autobahn nichts zu hören, man würde jedes Näherkommen eines Tieres oder Menschen hören, es hat so viele trockene Äste rundum. Der Schlaf kommt sehr schnell, ist aber sehr leicht, ich träume viel und schrecke ein paarmal auf, aber nichts passiert. Nachts im Finstern auf die „Toilette“? Das geht an so einem Ort nicht, da muss meine Blase ihr ganzes Fassungsvermögen zeigen, was nach ein wenig Training schon wieder besser gehen wird.
Und als es endlich hell wird, so um 7.30 Uhr, sind wir froh, dass wir aufstehen können. Es ist ja noch nicht kalt, zum Glück! Kaffee machen wir etwas später, an einem Plätzchen in der Sonne, nach dem Zusammenpacken des Zeltes und Verlassen des Schlafplatzes. Es geht uns gut, wir haben schon zum ersten Mal einen sehr schönen Platz gefunden.
Wir wollen es ja nicht übertreiben mit dem wilden, und wollen eine Nacht wieder auf einen Camping, solange es noch einige hat, die offen sind.
Wir steuern also einen kleinen Platz an einen See in der Region von Varese an.
Ab 15 Uhr soll das Tor wieder offen sein, es
steht da WE ARE OPEN! Nach einer Pause am See, wo wir uns mit einem deutschen
Paar auf Mountainbikes ein wenig austauschen, wollen wir uns auf dem Camping
anmelden. Aber das Tor geht nicht auf, erst nach ein paarmal läuten dann aber
doch, ein Mann kommt von der Strasse her und hat das Tor geöffnet, aber nicht
für uns. Die Dame des Hauses hat sich nun doch bequemt, zu uns rauszukommen und
uns zu erklären, dass seit Ende September der Platz geschlossen ist, das stehe
auch auf der Webseite! Nun, hier
draussen aber steht, dass sie offen haben. Vielleicht sollte sie mal ein
anderes Schild z.B. „we are closed“ aufstellen?
Wir fahren weiter, dann suchen wir halt ein einsames Plätzchen irgendwo an einem der kleinen Seen. Aber das wird etwas schwierig, es ist sehr viel Privat und eingezäunt, oder dann eben sehr öffentlich und mit vielen Spaziergängern. Es ist warm, später Freitagnachmittag, ideal um sich etwas in der Natur zu bewegen. Einer der Spaziergänger fragt uns interessiert, woher und wohin, wir plaudern ein wenig, er kommt nämlich auch aus der Schweiz aus Freiburg. Und er hilft uns, eine Unterkunft zu finden, sogar mit einer Küche zum Benützen, telefoniert mit einer Bekannten und reserviert für uns ein B&B, einige Kilometer von hier. Da freuen wir uns doch auf die warme Dusche, einem privaten Zimmer und freiem WLan! Die Dame ist sehr nett, zeigt uns das Zimmer, das sogar private Dusche und Toilette hat, was für ein Luxus! Den wir in vollen Zügen geniessen nach diesen paar Tagen on the Road.
DA wir die grossen Strassen so gut wie möglich meiden, fahren wir manchmal etwas kreuz und quer, diesmal geht es durch einen Wald auf einer kleinen Strasse, die ich ausgewählt habe, leider ist sie nicht so leer wie ich erhofft habe, aber sie ist schmal und es kommt ein paarmal zu etwas gefährlichen Überhol-Manövern von den Autofahrern. Und dann sehen wir auch den Grund für den Verkehr: Da sitzen doch sehr knapp bekleidete, meist dunkelhäutige Frauen am Strassenrand!!! Wir grüssen freundlich, aber eigentlich finde ich es haarsträubend, dass sie hier „arbeiten“, müssen. Ich dachte auch, dass wir vielleicht wieder einen Platz finden könnten zum übernachten, aber nachdem wir so viele Frauen hier gesehen haben, habe ich keine Lust mehr, mich in diesem Wald zu verstecken.
So gibt es dann eben den ersten Ruhetag in Montafor, etwa 10km von Como entfernt, auf einem richtig italienischer Ganzjahres-Camping. Und da Wochenende ist, ist er sogar belebt, es wird gesägt, genagelt und natürlich gekocht und gegrillt. Wir geniessen die erste Pizza mit einem guten italieníschen Wein und freuen uns über das Cheminee-Feuer und den geschenkten Limoncello zum Schluss. Erholt und gestärkt fahren wir in die zweite Woche!
Es geht den kleinen Seen entlang Richtung Lecco, hier hat es einen Camping am See, wo Martin ein abendliches Bad geniesst. Ich hingegen gehe eine Dusche „geniessen“: An der Bar habe ich ein Plastic-Kärtchen gekauft, damit kann ich die Dusche in Gang bringen. Eine Dusche=1Euro. Alles gut? Die Maschine steht draussen vor dem Gebäude, ich muss da die Nummer der Dusche wählen, finde aber drinnen keine Nummer an den Türen. Macht nichts, ich kann ja dann die nehmen, die läuft. Wohlweislich entkleide ich mich zuerst, dann, nur mit Tüechli um den Körper, stecke ich das Kärtchen in den Schlitz und wähle eine Nummer. Und da höre ich drinnen das Waser rauschen! Schnell rein, Tüechli weg und rein in die Dusche….aber die spritzt so in der Gegend rum, dass ich kaum hineinkomme, der Gang wird nass, die Türe und die Wände, nur ich noch nicht. Wie lange habe ich noch Wasser??? Schnell versuche ich mich zu benetzen, einzuseifen und schnell wieder Seife wegspülen, weil, wenn das Wasser abstellt, gibt’s gar keines mehr!!! Nass und nackt gehe ich aber nicht nochmals das Kärtchen reinstecken! Das Bad im See war sicher gemütlicher! Noch am nächsten Morgen ist der Boden im Gang nass….
Abendessen bei Laternenlicht ist romantisch und da es nicht kalt ist, beginnen wir sogar erst nach dem Sonnenuntergang zu kochen.
Nun fahren wir Südwärts, dem Fluss Adda entlang, da hat es eine Pista Cyclabile, die geht bis zum Po. Bis wir aber da sind, müssen wir über ein paar ziemlich befahrene Kreisel fahren, da eine kleine Brücke die wir eigentlich nehmen wollten, eingestürzt ist. Wir erleben die Autofahrer aber sehr rücksichtsvoll, sie lassen uns in unserem Tempo durchfahren.
Bei einem Warmshower-Host dürfen wir übernachten, besichtigen zuerst noch eine Brücke, die der gleiche Ingenieur gebaut hat, wie die Kirchenfeldbrücke in Bern. Sie wird gerade repariert, Pablo erklärt uns, dass momentan in Italien viele Brücken repariert werden, seit in Genua die grosse Brücke eingestürzt ist.
Bald haben wir nun Mailand umfahren und können wirklich Richtung Süden fahren, Die Adda schlängelt sich zum Po, wir ihr nach, über Feldwege, Fusswege und auch mal durch kleine Flüsschen, Wälder und Felder, bis wir dann nach zwei Tagen den Po Cycle-Path erreichen!
In der Nähe von Cremona dürfen wir uns bei einem Warmshower Paar ausruhen und endlich mal Wäsche waschen. Enrico arbeitet fast das gleiche wie Martin und es gibt viel zu reden und wir lernen das Leben in einer Stadt wie Cremona kennen. Es gibt Cooperativas, Kitas auf dem Bauernhof, Leute, die sich für Radwege und weniger Autos einsetzen, Menschen, die sich verändern wollen dem Klima zuliebe!
Am Sonntag können wir eine Stradivari- Geige anhören, im Museo del Violino werden nämlich einige Exemplare gehütet und die müssen jeden Tag gespielt werden! Deshalb kann man im Auditorium des Museums fast täglich eine halbe Stunde zuhören gehen!
Reisevorbereitungen
Zelt, Isomatten und Schlafsack
Das Zelt hat ja schon einiges hinter sich, es sieht etwas ausgewaschen und verbleicht aus. Aber nach einigen Recherchen, Gesprächen mit anderen Langzeitreisenden haben wir uns entschlossen, die Reise noch einmal mit unserem alten Zuhause zu machen. Einige Elastic vom Innenzelt wurden ersetzt, da sie gar nicht mehr elastisch und sehr ausgeleiert waren. Die Reisverschlüsse und Schlitten hat Martin sorgfältig revidiert. Ansonsten erfüllt das Zelt unsere Anforderungen immer noch perfekt.
Schlafen ist nach dem Velofahren fast genau so wichtig, deshalb haben wir für uns die besten Matten ausgesucht. Und da wir jetzt im Herbst starten, zwar südwärts, können die Nächte kühl oder sogar kalt werden, haben wir uns zwei neue Daunenschlafsäcke gekauft!
Karten, GPS, Apps …
Die letzte Reise haben wir mit einer Offline-Karte auf dem IPad und dem GPS EdgeTouring geplant, gefahren und aufgezeichnet. Wie wollen wir diesmal???
Die Akku Laufzeit des GPS ist etwas kürzer geworden, wir hoffen, dass es noch einen Tag lang ohne Aufladen durchkommt. Planen damit ist aber zu kompliziert, Garmin und seine Software ist da (für mich) nicht genug Benutzerfreundlich, und Velofreundlich schon gar nicht!!!!
DIe Offlinekarte PocketEarth (App) haben wir auf unseren IPhones synchronisiert, es ist immer noch die beste Karte die wir kennen. Vielleicht kommt Gurumaps ihr am nächsten, wir haben diese auch geladen, zum Vergleichen.
Dann die Apps zum Finden von geeigneten Plätzen zum Schlafen: von booking über Hostelworld und ACSI Camping, couchsurfing und warmshower bis zu IOverlander und park4night haben wir so allerhand auf den Handys. Wie diese dann zum Zug kommen, werden wir sehen. Die besten Erfahrungen haben wir mit Warmshower gemacht, leider wird die App nicht mehr unterstützt und man muss über die Homepage seine Gatgeber suchen und anschreiben.
Elektrizität
Solarpanel mit zwei Akkus zum Aufladen, dazu die Nabendynamos, mit denen wir die Akkus auch laden können, sollten unseren Stromverbrauch für Handys, GPS, Lampe und unser Musikböxli abdecken. Das Notebook müssen wir an einer Steckdose anschliessen, wenn es nach 6-7 Stunden meldet, es sei am Absterben….Ach ja und die Kamera auch, die braucht ab und zu eine Nachladung per Steckdose.
Rückkehr in die Schweiz
Wir haben auf dem Camping ein holländisches Paar getroffen das den gleichen Weg fährt wie wir, sie wollen aber bis an die Quelle der Rhone und dann über den Pass an die Quelle des Rheins und diesem Fluss entlang nach Holland fahren. Am frühen Morgen verlassen wir den noch schlafenden Platz, nur diese Beiden sind auch am Aufbrechen. Denn die letzte Etappe in die Schweiz verlangt Kraft und Ausdauer, einige Höhenmeter sind zu überwinden, vor allem am Anfang geht es in die Höhe. Aber für die Gegenrichtung ist es auch kein Zuckerschlecken, wir fahren nämlich später eine sehr lange Strecke hinunter, und begegnen da einem Tourenfahrer, der ziemlich schwitzt beim Hinauffahren.
Ganz unspektakulär überqueren wir die Grenze in einem Wald, wir merken es erst im nächsten Dorf, der rote Wegweiser, ein IP-Plakat an einer Holzwand, die „generell 50“ Geschwindigkeitstafel,….
Und das GPS zeigt uns eine weisse Landschaft ohne Srassen und Zeichen…! In der Mittagspause, die wir im Schatten bei einer Waldhütte machen, gelingt es uns, die Schweizerkarte vom Laptop auf das GPS zu laden. Aber es ist eine reine Openstreetmap, keine Velokarte, sehr schlecht, ohne Höhenkurven, Campings und andere für uns wichtige Sachen drauf. Wir haben gar nicht daran gedacht, dass wir die Schweizerkarte brauchen werden!!! Es gibt Schlimmeres, aber in den nächsten Tagen merken wir, wie oft uns ein Blick auf das Gerät die richtige Richtung bestätigen würde, ohne das Tablet hervornehmen zu müssen. Denn, die Velo-Wegweiser, zwar schön rot, sind in der Schweiz oft versteckt irgendwo an der Kreuzung, weit unten oder sehr hoch oben, aber sicher nicht bei den anderen Wegweisern. Das macht es zum Suchspiel: wer findet zuerst das rote Schildchen? Mit dem Verkehr ist das oft nicht gerade einfach, anhalten und suchen ist dann die Devise. So kommt das Tablet wieder vermehrt zum Zug, was aber jedes Mal heisst, einen Schattenplatz suchen, absteigen, Tasche öffnen, die Karte aufrufen und studieren. Ich habe ja schon ein gutes Gedächtnis, aber eine Strecke von 60km mit allen Abzweigungen im Kopf zu behalten, geht dann doch ein bisschen zu weit.
Es ist heiss, die Pause wird etwas länger, wir sitzen da und plaudern. Als dann die beiden Holländer vorbeikommen, checken wir gemeinsam die Campings rund um Genf. Der nächste Platz ist noch 20km entfernt, die anderen 30-40km, am Ufer des Genfersees Richtung Frankreich, die falsche Richtung für uns. Wir werden sicher beim Nächsten bleiben, auch wenn der Flughafen sehr nahe ist!
Sie fahren sofort weiter, wir bleiben noch ein wenig und lassen uns Zeit. Im nächsten Dorf verfahren wir uns natürlich schon wieder, ärgerlich! Ach ja, und Geld sollten wir noch haben! Wir haben ja nur Euro dabei! Am Bahnhof versucht Martin an einem Automaten Bargeld zu beziehen, erfolglos. Ein Mann fährt mit seinem Rad heran, ich quatsche ihn an, ob er wisse, wo es eine Post mit Geldautomat hat? Die Post wurde geschlossen, es hat hier nichts mehr, auch am Bahnhof nicht. Wir sollen doch den Zug nehmen, dann sind wir in 10 Minuten mitten in der Stadt Genf. Ach nein, das wollen wir doch nicht, das wäre viel zu schnell für uns! Wir wollen der Rhone und der Veloroute entlang an den See kommen! In unserem Tempo, das uns jetzt schon viel zu schnell vorkommt. Wir lachen viel, erzählen von uns und er von sich, dann macht er noch ein Foto, bevor der Zug kommt und ihn nach Genf bringt. Wir fahren ohne Schweizer Franken weiter, im schlimmsten Fall haben wir ja die Euros und die Kreditkarte.
Der Rhone entlang geht es idyllisch durch ein kleines Naturschutzgebiet, bei einem Wasserkraftwerk hat es unter den Bäumen Picknickplätze, man glaubt es kaum, dass wir nahe einer grossen Stadt sind.
Die Zufahrt zum Camping geht dann mitten durch ein sehr geschäftiges und vielbefahrenes Industriegebiet. Der Platz liegt in der hintersten Ecke, gerade wo ein Wald beginnt und wäre eigentlich noch schön, aber, der Fluglärm ist sehr penetrant. Manchmal im 2-Minutentakt starten die Maschinen über unsere Köpfe hinweg. Man kann buchstäblich die Abgase riechen! Beim Eingang ist niemand, die Rezeption ist erst ab 17 Uhr besetzt. An der Türe hängt aber ein Plan, wo die Wiese für die Zelte leuchtend grün bezeichnet ist. Wir fahren also rein und richten uns neben den Holländern ein, die schon etwas früher eingetroffen sind. Die Bungalows sehen sehr bewohnt aus, wir vermuten, dass hier Flüchtlingsfamilien eine Unterkunft bekommen haben, ein paar fremdsprachige kleine Kinder laufen neugierig herbei und gucken uns beim Zelt aufstellen zu.
Um 17.25 erscheint dann endlich die Dame der Rezeption, wir sind schon ein paar Leute, die auf sie warten. Sie tut furchtbar kompliziert um uns aufzunehmen, muss Fotokopien von ID und ACSI Ausweis machen(beide Seiten, pro Seite ein Blatt), ein Formular ausfüllen mit Geburtsort und allem drum herum! Ob wir das immer machen, uns auf fremden Grundstücken einfach einzurichten?? Ja, hätten wir warten sollen in der Hitze vor der Rezeption, bis sie, nach zwei Stunden und mit 25 Minuten Verspätung, erscheint? Ich bestätige ihr, ja das machen wir öfters, es würde manchmal sogar gewünscht, dass man sich wohl fühle, das Geschäftliche könne man dann abends abwickeln. Und der Plan an der Türe könne ja schon als eine Aufforderung für Velofahrer angesehen werden, sich zu installieren, wenn zwischen 12-17 Uhr niemand da sei. Ich darf mit der Karte bezahlen, SFR 32.-, aber das Bier, das ich auch noch kaufen möchte, kann ich nur bar bezahlen. Dann kaufe ich eben keines, ich habe keine Franken! Wir müssen uns sowieso an das Preisniveau der Schweiz gewöhnen!
Wir planen die Weiterfahrt und entschliessen uns, die ausgeschilderten Route Nr 1 durch Genf durch zu fahren, besser als selber mit dieser Karte auf dem GPS einen eigenen Weg zu suchen. Auch so ist es schwierig genug, nicht an jeder Kreuzung anhalten zu müssen (um das rote Schild zu suchen). Wir verabschieden uns im Morgengrauen von den Holländern, sie wollen heute bis nach Lausanne, wir wahrscheinlich bis Rolle, da hat es einen kleinen Camping-Platz am See!
Die Fahrt durch Genf wird wirklich zum Suchspiel, es hat in der Stadt einige Baustellen und die Wegweiser sind unauffindbar, oder an einer unsichtbaren Stelle. Am Bahnhof können wir, nach einiger Wartezeit, endlich etwas Geld beziehen. Und wir finden auch den See und machen ein Foto vom „Jet d’eau“.
Der Verkehr ist hektisch und als wir auf einer Busspur fahren, wo explizit auch Velofahrer fahren dürfen, überholt uns ein Bus sehr schnell und kommt Martin gefährlich nahe, da er viel zu früh wieder rechts hält. Bei der nächsten roten Ampel ruft ihm Martin noch zu, dass er besser aufpassen sollte! Und am Strassenrand meint ein Mann, der alles beobachtet hat, dass die Buschauffeure in Genf wie die Teufel fahren! Erst nachdem wir die Stadt verlassen haben, wird es ruhiger, es gibt Velostreifen und die Strässchen ins Hinterland, weg von der N1, die trotz Autobahn stark befahren ist. Die Mittagspause machen wir in einem kleinen Dorf wo wir beobachten, wie nach 12 Uhr die Handwerker zum Mittagessen fahren. Es kommt uns vor, als wenn die, die oben im Dorf gearbeitet haben, an den See hinunter wollen und umgekehrt! Nach Nyon wird es uns zu heiss, alle die vielen Aufstiege und Umwege in die Hügel zu machen, wir nehmen die vielbefahrene Hauptstrasse, aber die hat bis Rolle fast durchgehend einen Velostreifen! Das ist gut für die Alltagsvelofahrer, zur Arbeit will man ja nicht schweisstreibende Umwege durch die Dörfer machen! Auf dem Camping beziehen wir ein Plätzchen unter einem Baum und stürzen uns in den See! Das tut gut!
Die Stimmung hier gefällt uns, man hört zwar auch ab und zu ein Flugzeug, aber die Entfernung ist so gross, dass es nicht mehr störend ist. Die Aussicht auf die Berge, die Wolken und der Sonnenuntergang sind wunderschön.
In Morges ist Markt, wir spazieren mitsamt den Rädern durch die Gassen, kaufen Käse und Gemüse und ein Stückchen Fleisch, Martin stellt es fast die Haare auf von dem Preis, den wir dafür bezahlen. Alles ist mindestens 50% höher als in Frankreich. Von Spanien wollen wir gar nicht sprechen.
Vor Lausanne biegen wir ab, nehmen die Veloroute 5, die Mittellandroute, die uns an den Neuenburger- und Bielersee führen wird. In dieser Gegend verbrachten wir Ferien mit den Kindern, fuhren mit den Fahrrädern dem Flüsschen Venoge entlang, bis nach Lausanne. Diesmal geht’s in die andere Richtung, fast alles durch den schattenspendenden Wald. Bei einer Hütte machen wir Rast, hier hat es sogar einen Brunnen, wo wir unsere Flaschen mit kühlem Wasser auffüllen können. Dann, etwas später, mitten auf dem Waldweg liegt ein grosser Baum, gefallen wahrscheinlich im letzten Gewitter. Martin muss zuerst schauen, ob es ein Durchkommen gibt für uns. Wir müssen alles abladen, die Taschen und die Velos einzeln hinüberhieven und wieder beladen. Aber da haben wir ja schon Übung und schaffen das locker.
Es wird schwül und Wolken ziehen auf, ein Gewitter ist angekündigt für die zweite Hälfte des Nachmittags. Die Venoge schlängelt sich durch eine Schlucht, die keinen Weg hat, das heisst für uns, überwinden von knapp 100 Höhenmetern, natürlich nicht durch den Wald, sondern durch Wiesen und Felder, da läuft bei mir der Schweiss nur so runter. Zum Glück bestehe ich auch noch ein wenig aus Haut und Knochen, sonst hätte ich mich in der Hitze völlig aufgelöst….
Der Camping, den wir ansteuern, ist auf dem nächsten Hügel, aber als wir oben ankommen, werden wir sehr unfreundlich begrüsst und über die (sehr hohen) Preise informiert. Das ärgert uns und wir entscheiden uns, weiterzufahren, obschon wir wissen, dass Yverdon noch 40km entfernt ist, wir schon über 40km in den Beinen haben und die Gewitterwolken über uns sich bedrohlich auftürmen und man das Grummeln schon hören kann. Noch eine halbe Stunde, dann wird’s ungemütlich nass auf dem Velo! Wir verlassen den Ort und beginnen sofort mit der Suche nach einem trockenen Plätzchen. Und wir haben enormes Glück: Wir finden den perfekten Platz um das Zelt sofort aufzustellen und alles ins trockene Innere zu befördern, bevor es zu schütten beginnt. Das Gewitter dreht ein paar Runden über unseren Köpfen, wir haben uns gemütlich eingerichtet und lesen, während es stürmt und draussen alles nass wird. Gerade richtig zur Kochenszeit klart der Himmel auf und wir können unser Abendessen ohne Schirm über dem Kocher zubereiten. Dazu beobachten wir zwei Füchse, die in der Nähe unter den Bäumen am Spielen oder Jagen sind. Es ist einer der ganz schönen Plätze auf dieser Reise, die Morgenstimmung mit dem Gemisch von Nebel, Wolken und Sonne ist sehr eindrucksvoll!
Kurz nachdem wir am nächsten Tag losfahren, bemerke ich, dass ich fast keine Luft mehr habe in meinem Vorderreifen, Flicken ist angesagt! Auf einem Feldweg vor einem Bauernhof laden wir ab und reparieren den Schlauch.
Dann, kurz vor Yverdon gibt es plötzlich einen Knall-und Pfffff! Und der Hinterreifen von Martin ist geplatzt! Aber da ist nicht nur der Schlauch kaputt gegangen, sondern auch der Reifen ist gerissen auf einer Länge von 5cm. Er hattte gehofft, dass dieser abgefahrene Reifen bis nach Hause noch halten würde,…Er flickt den Schlauch und Reifen, kann aber nicht genug Luft reinpumpen, sonst hätte der Schlauch sich durch den Riss im Reifen gedrückt.
Es reicht gerade, um das Gepäck auf das Velo zu laden und es zu schieben. Martins Gewicht dazu, hätte zu einem erneuten Kollaps des Reifens geführt. Etwa einen Kilometer müssen wir schieben, dann sind wir in der Stadt und eine Frau zeigt uns, wo ein Fahrradladen ist. Dort müssen wir einen Reifen kaufen, der nicht ganz den Anforderungen eines Tourenrades entspricht, aber um in ein paar Tagen nach Hause zu kommen, ist er gut genug. Vor dem Laden wechselt Martin Reifen und Schlauch damit wir weiterfahren können. Am See machen wir dann eine ausgedehnte Mittagspause auf einer Wiese am See, wir müssen nicht mehr weit, unser Ziel heute ist la Corbiére, ein Bauernhofcamping in Estavayer le Lac, den wir schon vor knapp 20 Jahren zum ersten Mal per Velo mit den Kindern besucht haben. Die Strecke ist schön und führt durch das Naturschutzgebiet!
Langsam, mit schönen Erinnerungen verknüpfend, nähern wir uns unserem Zuhause. Es fällt uns noch schwer, das definitive Ende dieser Reise ins Auge zu fassen.
Auf der nächsten Etappe beschliessen wir mitten im Wald, Freunde anzurufen und zu fragen, ob sie Hilfe bei ihrem Umzug in ein neues Haus brauchen könnten. Und sie können! So fahren wir nicht Richtung Bern, sondern Biel, wo wir die letzte Nacht im Zelt auf einem Bauernhofcamping verbringen! Wir fahren durch altbekannte Gegenden, mit Entzücken bleiben wir fast eine halbe Stunde neben diesen Tieren und schauen zu, wie sie ihr Leben geniessen! Die haben echt Schwein gehabt!
Wir kaufen frische süsse Erdbeeren vom Feld und schmausen sie umgehend, so gut sind sie! Die Sicht ist heute unwahrscheinlich klar und wir können die schönen schneebedeckten Alpen bewundern, obschon wir noch weit weg sind. Da kommen in mir Gefühle auf, die wohl mit dem Begriff Heimat zu tun haben!
Und schon bald sind wir beim neugekauften Haus unserer Freunde angekommen, sie begrüssen uns freudig und wir verbringen plaudernd den Abend im noch wilden, ungepflegten Garten.
Wir helfen, die Wände eines Zimmers weiss zu malen, nehmen grosse Möbel auseinander, packen Kisten und dann, ein paar Tage später, mit vielen anderen Helfern zusammen, die ganze Haushaltung zu zügeln.
Voller Freude treffen wir unsere Kinder, die Familie, Freunde. Und der ganze administrative Kram kommt auf uns zu, überflutet uns, es ist unvermeidlich, wenn man nach zwei Jahren aus dem Ausland wieder nach Hause kommt.
So gehen wir langsam an das Leben hier heran, versuchen, seinen Rhythmus zu spüren und uns daran zu gewöhnen. Es ist nicht einfach! Das „Normale“ ist noch sehr ungewohnt, wie Fremde fühlen wir uns, sind aber doch nicht so fremd.
ViaRhôna
Ein paar Tage fahren wir im Rhônetal aufwärts, meistens dem Fluss oder seinen Nebenarmen entlang, die Veloroute ist gut ausgeschildert und fast ohne Verkehr! Dass es hier viel Industrie hat, wissen wir, ein AKW sehen wir in der Ferne und gegen Abend fahren wir an vier Kühltürmen vorbei, sehen und hören, wie das Wasser rauscht. Auch diesmal ist es, wie in Spanien, ein eigenartiges Gefühl, so nahe an einem so gefährlichen Ding zu stehen, nur geschützt durch einen Zaun, der ganz einfach zu übersteigen wäre… Wo sind da die Überwachungskameras? Wie ist das für die Leute, die gerade nebendran wohnen? Blendet man mit der Zeit die Gefahr einfach aus? Glaubt man an die Sicherheit, die vorgegaukelt wird? Nun ja, das AKW Mühleberg ist auch nicht so weit weg von Burgdorf und wir haben uns diesbezüglich kaum Gedanken gemacht über unsere Sicherheit.
Am ersten Abend, gerade als wir anfangen wollen zu kochen, ziehen dicke schwarze Wolken auf, es grummelt bedrohlich da oben. Schnell räumen wir alle unsere Sachen wieder ins Zelt, mitsamt Tisch und Stühlen, es ist wie letztes Jahr in England, rein mit uns bevor wir nass sind. Da fallen schon die ersten dicken Tropfen auf das Zelt! Noch ein paar Windstösse , dann beginnt es zu schütten wie aus Kübeln! Wir haben zum Glück einen grossen Einkauf gemacht, nachdem wir von der Ardéche ins Rhônetal eingebogen sind. So können wir uns ein wunderbares kaltes Menu zusammenstellen: wir machen einen Maissalat mit Zwiebeln und Peperoni, dazu Ziegenkäse und frisches Brot und zum Dessert ein Joghurt mit Crème de Marrons de l’Ardéche aus der Tube! Köstlich! Und dazu von oben als musikalische Begleitung das Trommeln des Regens und das Donnern.
Via RhônaEin neues Teilstück der ViaRhôna wird eingeweiht, wir begegnen vielen Radfahrern, von Veteranen bis zu ganzen Familien, die den Weg mit dem Wind südwärts fahren, der bläst uns heute wieder mal ärgerlich stark ins Gesicht. Aber wir haben schöne Begegnungen, Gespräche am Wegrand und an einem der Stände, wo gratis Kuchen, Kaffee oder andere Getränke ausgeschenkt werden. Fast wie ein Slow-Up (Fahrrad-Event in der Schweiz), nur viel kleiner und persönlicher. Bei einer Mittagspause fahren Tourenfahrer an uns vorbei, wir grüssen einander freundlich, aber anhalten mag niemand. Die Leute haben nicht viel Zeit zum Plaudern auf dem Weg. Und wir fahren eindeutig in die falsche Richtung, gegen den Wind, gegen den Strom! Aber doch, da fährt ein Mann daher, bremst ab und freut sich, mit uns zu plaudern, stellt sein Zelt auf, das nach dem Gewitter gestern noch nicht ganz trocken ist und erzählt uns von seinen Reisen und wir von unseren! Er kocht seine Mahlzeit am Mittag, und abends stellt er sein Zelt auf, wo es ihm gerade gefällt. So fährt er schon seit ein paar Jahren in Europa herum und lebt sein Leben auf diese Weise!
Die Vegetation verändert sich in diesen Tagen, langsam verschwinden die Olivenbäume, Palmen und Reben, immer häufiger tauchen Kirschen-, Aprikosen-, Pfirsich- und Nektarinen-Plantagen auf. Weizen, Roggen, Hafer, Mais und Kartoffeln werden auf den Feldern angepflanzt, fast wie zuhause. Neu sind die vielen grossen lichten Wälder aus Nussbäumen, die immer häufiger werden. Les noix de Grenoble! Hinten erheben sich die ersten Berge der Alpen und als wir hinter Valence abbiegen, um der Isère entlang zu fahren, nähern wir uns ihnen schnell.
Noch eine kleine Episode im Zusammenhang mit dem GPS! Bei der Planung am Morgen habe ich einen Camping kurz nach Valence ausgesucht, ca. 60km auf der Veloroute zu fahren, dann kurz vorher rechts auf ein kleines Strässchen abbiegen, das uns direkt zum Platz führt. Da ich aber das GPS so eingestellt habe, dass die Entfernung relativ gross ist, sieht man nicht so genau, welche Strassen sich wirklich berühren und wo vielleicht noch ein Kanal dazwischen liegen könnte! So fahren wir diese grosse Schlaufe auf einem Damm, links der Fluss und rechts ein Kanal und keine Abzweigung oder Brücke weit und breit. Wir haben schon fast 70 km hinter uns, es ist schon 18 Uhr gewesen, so langsam haben wir Hunger. Schon sage ich zu Martin, dass wir sehr wahrscheinlich einen Umweg von etwa 8km machen müssen, bis zur nächsten Brücke, da sehe ich plötzlich einen kleinen Steg über den Kanal. Da könnte man vielleicht hinüber! Zu Fuss gehe ich mal das steile Bord hinunter und erkunde die andere Seite, ob da ein Weg irgendwo hinführen könnte. Es hat ein Zaun, aber das GPS zeigt mir nun, nachdem ich herangezoomt habe, dass nach ein paar hundert Metern ein Fussweg abzweigt und auf die Strasse, die zum Camping geht, führt. Also runter mit den Fahrrädern, über das Brücklein und dem Waldweg entlang-hier könnte man auch wild campen….
Als wir ankommen, steht an der Türe der Rezeption: Complet! Das kann doch nicht möglich sein! Aber wirklich, als ich eintrete, schickt die Dame gerade ein Paar weg, die mit einem Camper-Van angekommen sind. Der nächste Platz sei nur 20km entfernt, das sei nicht weit. Kehren wir jetzt zum Fussweg am Kanal zurück? Ich hoffe, dass sie uns nicht wegschicke, sage ich zur Begrüssung, wir bräuchten nur ein kleines Plätzchen! Und wir dürfen in einer Kurve unter zwei Aprikosenbäumchen unser Zelt aufstellen, das ist zwar kein offizieller Platz (jedoch mit offiziellem Preis), aber wir sind froh, dass wir die Duschen benützen können! Etwas komisch finden wir nur, dass zwei Plätze gerade auf der anderen Seite frei sind und bis am anderen Morgen nicht besetzt werden.
Durch Weizenfelder und immer wieder einmal runter an die Isère, über eine Brücke und auf der anderen Seite wieder hinauf, haben wir den ganzen Tag die nahenden Berge vor den Augen.
Das Gewitter am nächsten Tag erwischt uns zum Glück nicht, wir haben gerade das Zelt verlassen und stehen bei den Toiletten unter dem Dach, als es beginnt zu schütten! Aber schon nach einer halben Stunde ist es vorbei und wir können im nahen Dorf einkaufen, auf der anderen Seite der Isére, runter und wieder rauf! Das machen wir heute ausnahmsweise mal ohne Gepäck! In einer grossen Schleife des Flusses, wo er sich Richtung Grenoble wendet, verlassen wir die Veloroute und nehmen wieder einmal eine normale Strasse, auf der wir über einige Hundert Höhenmeter hinauf zum Lac de Paladru schwitzen. Es kommt uns immer mehr vor wie im Kanton Freiburg, oder im Emmental?
Nur die Häuser sehen etwas anders aus als in der Schweiz. Von da geht’s dann wieder hinunter, Richtung Rhône, wo sie sich von Norden her Richtung Lyon wendet, wir werden nordwärts Richtung Genf fahren. Oh, jetzt sind wir schon nahe der Schweiz! Ab hier hat es wieder mehr Tourenfahrer, Deutsche und Schweizer! Aber das Paar, das sich neben unserem Platz niederlässt ist aus der Türkei! Wir freuen uns, mit ihnen zu plaudern, sie erzählen uns, dass sie nur drei Monate Zeit haben, wegen dem Visum! Dann gehen sie zurück, erneuern das Visum und fahren wieder los! Am Morgen, bevor sie früh losfahren, machen sie uns einen türkischen Kaffee!
Die Hitze macht uns nun zu schaffen, es wird über 30°, wir stehen um 6 Uhr auf und um 8 Uhr geht’s los. Dazu kommt, dass wir uns nicht beeilen müssen, wir wollen ja erst so gegen den 20. Juni zuhause eintrudeln. Wir fahren kürzere Etappen, damit wir die Mittagshitze im Schatten, am Pool oder Fluss verbringen können. Und einmal in Ruhe dem Stress der Sportfischer zuschauen.
Dann sitzen wir mal gemütlich auf der Terrasse eines Cafés am Fluss, und geniessen ein Eis, da sehen wir auf der anderen Seite Polizeimotorräder mit Blaulicht und Sirene über die Brücke und fast am Café vorbeibrausen. Was ist da los? Eine Suchaktion? Frankreich ist in höchster Alarmbereitschaft, die Polizisten sehen wir mit der Schussweste bekleidet in ihren Autos sitzen, und nun plötzlich hier, weit weg von einer Stadt so viel Polizei? Wir verlassen die Terrasse, und da sieht Martin auf der anderen Seite des Flusses ein paar Radfahrer mit einigen Motorrädern und Autos in Begleitung. Und dann brummt ein Helikopter über unsere Köpfe. Hei, das ist ein Velo-Rennen! Die Tour de France?! Schnell, an die Strasse, das müssen wir sehen!
Ich nehme die Kamera aus der Tasche und mache ein Foto vom Haupt-Feld, als sie auf der anderen Seite auftauchen – die sind aber sehr schnell! Und soooo viele Autos und Motorräder fahren vorne und hinten mit! Das ist ja verrückt!
An der Strasse habe ich gar keine Zeit, die Kamera einzustellen, es rauscht und im Nu sind die Radfahrer vorbei, dann die Motorräder und all die Autos der verschiedenen Equipen, mit Rädern auf dem Dach, oben der Helikopter, dann ein Pannenfahrzeug, eine Ambulanz und zum Schluss noch einmal ein paar Polizeimotorräder mit Blaulicht. Dann ist der Spuk vorbei und plötzlich wieder gespenstisch still! Ich muss lachen, na so etwas, da sitzt man ahnungslos auf einer Terrasse und plötzlich flitzt die Tour de France vorbei! Andere Leute gehen extra hin, warten stundenlang, um ja nichts zu verpassen,….
Am „See des Bettes des Königs“ machen wir wieder Halt. Die Campingplätze sind an dieser Strecke einfach sehr schön, mit Aussicht auf die Rhone und recht velofreundlichen Preisen. Gegen Abend fährt ein Berner Camping-Bus auf einen Platz in unserer Nähe. Wir kommen mit dem Paar ins Gespräch, es sind spannende Leute und wir plaudern lange miteinander, am Abend und dann auch wieder am nächsten Morgen! Vielleicht treffen wir uns einmal in der Schweiz! Machen zusammen ein Feuer oder eine Kanufahrt und diskutieren weiter!
Und in Seyssel verbringen wir unsere letzte Nacht in Frankreich, es geht endgültig in die Schweiz. Da sind gemischte Gefühle, wieder nach Hause zu kommen!