Jetzt ans Meer!
La Selvatica ist ein Ort, wo wir bleiben könnten, alles passt für uns bei Enrico. Zusammen kochen, essen, trinken, spielen, diskutieren,…Das Haus ist uralt, war jahrelang unbewohnt und verfiel, aber mit viel Arbeit und Behutsamkeit hat Enrico es wieder bewohnbar gemacht. Es strahlt eine Atmosphäre der Ruhe und Wohnlichkeit aus, wir fühlen uns sehr wohl.
Aber das Meer zieht…
Meine Offline-Karte zeigt verschiedene Strassenntypen an: Rot – Autobahn, Orange – National und wichtige Provinzialstrassen, Gelb – meistens nicht so stark befahrene, Weiss – da gibt’s dann geteerte und Naturstrassen bis zum grasbewachsenen Feldweg einfach alles. Dann sind da noch die braunen Striche und die gestrichelten braunen und die ganz dünnen gepunkteten…das sind dann die Wege, die viele Überraschungen bereithalten, zB. Bäche oder viele grosse Steine, so dass man nicht mehr mit dem Velo durchkommt. Und Achtung, es gibt noch die lila gestrichelten, das sind aber keine Wege sondern Gemeindegrenzen!!!
Bei Recherchen auf Google Earth mit Street View, da sind vor allem die blauen Punkte in Naturschutzgebieten sehr interessant geworden! Ich finde einige Vogel-Beobachtungshütten und Türme, die uns vielleicht mal zum Übernachten dienen könnten. Auf der Fahrt besuchen wir so eine Hütte und lassen den nächsten Regenguss an uns vorbeiziehen, während wir im Trockenen einige Enten in einem ehemaligen Reisfeld beobachten. Es gibt ein paar wenige solche Vogelschutzgebiete in der Po-Ebene, und dann natürlich das ganze Delta des Po.
Schlafen in so einer Hütte möchte ich aber nur im Notfall, es hat nämlich immer noch ziemlich viele Mücken. Oder wir müssten schauen, wie wir das Zelt in dem Hüttchen aufstellen könnten.
Später gegen Abend kommen wir zu einem anderen Schutzgebiet, hier gibt es ein Besucherzentrum, mit Ausstellungen und Veranstaltungen, heute Nachmittag ist es aber abgeschlossen und auf einem kleinen Blatt steht, dass das Zentrum im November am Sonntag geöffnet ist. Wir laufen rund um die Häuser, es stehen ein paar Autos da, und in einem Gebäude läuten wir, eine Frau erklärt uns, sie wohne nur hier. Da kommt ein Mann aus dem Wald, mit dem schwatzen wir auch und fragen ihn dann, ob wir hier zelten könnten. Er sagt uns, dass er noch seine Frau fragen will, und geht zu der Wohnung, wo wir vorher geläutet haben…Die Frau hat demnach doch ein wenig Einfluss hier. Er zeigt uns dann den Platz, direkt vor dem Haus unter den Bäumen, wo wir unser Zelt aufstellen können. Wir wären ja lieber etwas hinter dem Haus, aber so haben sie uns gut im Blick!
Wir stellen unser Zelt auf, es wird schon bald dunkel, es ist 17 Uhr! Ja, das ist manchmal schon etwas lästig, dieses frühe Einnachten, aber hier dürfen wir Licht machen, die Leute wissen ja, dass wir hier sind. Aber dann gehen überall Laternen an, das ganze Besucherzentrum ist gut beleuchtet, die ganze Nacht! Wir haben also genug Licht und köcheln unser Abendessen mit heller Beleuchtung ;-)
Der Mond scheint hell, es ist kühl geworden, aber trotzdem noch angenehm, und wir machen noch einen schönen Nachtspaziergang um 20 Uhr, bevor wir uns ins Zelt verkriechen und noch ein wenig auf dem Handy lesen. Die Sonne geht etwa um 7.20 Uhr auf, der Himmel ist blau, ein wunderschöner Morgen! Wir kochen Kaffee und frühstücken. Da, kurz vor 8 Uhr, fahren zwei Autos aufs Gelände und parken hinter dem Haus. Die drei Personen winken uns zu, sind dann aber geschäftig rund um das Besucherzentrum, öffnen Türen und Gitter und ein paar Minuten später fährt ein Bus auf den Parkplatz voll mit Kindern, die fröhlich aussteigen und direkt an uns vorbei zum Haus laufen. Einige werfen uns neugierige Blicke zu, die meisten laufen vorbei ohne hinzuschauen.
Wir packen unsere Sachen zusammen, das Zelt steht noch in der Sonne zum Trocknen, da fahren nacheinander etwa 10 Autos auf den Platz, in jedem sind zwei bis vier Leute drin und der Platz bevölkert sich. Wer hätte das gestern Abend gedacht, dass hier noch so viel los ist?
Das Wetter wird langsam etwas schwieriger, immer wieder sind Regen und Gewitter angesagt, manchmal trifft die Vorhersage zu, manchmal nicht. So wird das Zelten etwas mühsamer, Durch die tieferen Temperaturen in der Nacht ist das ganze Zelt und auch die Schlafsäcke am Morgen feucht bis tropfnass, und wenn es regnet, müssen wir alles tropfnass zusammenpacken. Wenn es den ganzen Tag keinen Sonnenschein gibt, stellen wir dann alles wieder nass auf und so wird auch das Innenzelt immer feuchter,…so suchen wir immer wieder mal einen Gastgeber, bei dem wir übernachten und alles trocknen können. Dann haben wir aber den Druck, abends dort zu sein.
Und genau an so einem Tag, wir haben noch viele Kilometer vor uns, gibt es in einem Kreisel einen lauten Knall und ein Pfffffiiitt und Martins Vorderrad steht auf dem Felgen! Zum Glück sind wir in einem ländlichen Gebiet und es hat nur wenig Verkehr, so können wir das Velo entladen und alles in die Mitte bringen, wo wir den Schaden begutachten können. Kein Nagel oder Draht, nein, der Pneu hatte einen kleinen Riss, und der wurde immer grösser, bis dann eben der Schlauch geplatzt ist.
Martin sagt: Ich habe so ein Geräusch am Rad gehört, ich dachte, da ist ein Steinchen eingeklemmt in einer Rille vom Pneu oder so etwas, aber das war eben der Schlauch, der da so langsam zum Riss herausgequollen ist. Martin ist gut gewappnet für solche Fälle, er hat einen faltbaren Ersatzpneu und natürlich Schläuche dabei, und so wechseln wir Pneu und Schlauch, dort mitten auf dem Kreisel.
Die Zeit läuft uns davon, es ist schon Mittag als wir endlich weiterfahren, und es sind noch sicher mehr als 60 Kilometer. Jetzt heisst es, die schnellste Route zu nehmen, also los auf eine Orange Strasse. Wir montieren auch die Leuchtwesten, die nützen wirklich gut, die Autofahrer sind zum grössten Teil rücksichtsvoll. Wir rechnen, etwa um 19 Uhr anzukommen, das heisst, zwei Stunden im Finstern fahren. Die Abschnitte in der SP3 sind sehr unterschiedlich, die neueren haben einen schmalen Streifen am Rand, auf dem wir fahren können, die älteren Teile sind enger und wir fahren auf dem weissen Strich am Strassenrand. Der Gegenwind macht den Gegenverkehr recht spürbar, vor allem die grossen Lastwagen haben eine richtige Sogwirkung auf uns. Aber es hat nicht zuviel Verkehr, und es ist nicht sooo stressig. Sogar als es dunkel wird, geht es recht gut. Als wir um halb acht ankommen sind wir sehr froh, dass wir in die Wärme in ein Haus können, eine warme Dusche nehmen und dann Abendessen kochen dürfen. Christian, unser Gastgeber macht uns einen heissen Tee und wir plaudern, bis er noch weg muss. Am nächsten Morgen muss er früh zur Arbeit und lässt uns den Schlüssel fürs Haus, so können wir Ravenna besuchen, und vor allem einen neuen Pneu und Schlauch kaufen. Der faltbare Ersatzpneu kommt wieder ins Gepäck, hoffentlich brauchen wir ihn nicht mehr! Wieder regnet es und wir sitzen in Ravenna vor allem im Kaffee und geniessen dazu die feinen Sachen, die es da gibt.
Abends kochen und essen wir dann zusammen bis spät in die Nacht. Da Christian auch am nächsten Tag arbeiten muss, lässt er uns die Schlüssel, die wir dann einfach in der Küche deponieren, wenn wir fertig gepackt haben. Es ist wunderbar solches Vertrauen zu spüren!
Der Radweg von Ravenna nach Ciervo ist sehr schön, er führt durch einen riesigen Wald, es hat viele Wege und Brücken, Kanäle und Sumpfgebiete, und bei einem Beobachtungsplatz sehen wir ein paar Flamingos im Wasser. Es ist Samstag und es hat viele Mountain-Biker, die da durch den Wald rasen und johlen. Gut so, da hört man wenigstens, dass sie kommen, die Wege sind nämlich manchmal schmal und unübersichtlich.
Am Meer ist es dann etwas enttäuschend, der Strand ist vollständig verbaut mit den Bagni. Das sind die kleinen Häuschen, die im Sommer als Bar, Depot für Sonnenschirme und Liegestühle etc. genutzt werden, und natürlich kosten,… Diese Ferienorte, die im Sommer sicher voller Touristen sind, wirken auf uns verschlafen und leer, am Strand entlang wurde eine grosse künstliche Sanddüne aufgeschüttet und die Bagni sind verbarrikadiert. Dann wieder eine kilometerlange Strasse unter den Pinien, die Häuser, Hotels, Bars und Restaurants links und rechts alle geschlossen, bis wir uns wieder einem Städtchen nähern, wo auch im Winter Leute leben und arbeiten.
So fahren wir also südwärts, auf einem der letzten Campingplätze, der hier noch offen hat übernachten wir, fast ganz allein, nur ein paar ältere Leute sind da, die ihre Wohnwagen für den Winter einpacken. Sie kommen vorbei zu einem Schwatz, es ist einfach schön, wie die Leute ihre Neugier zulassen und kommen und fragen. Die Dame an der Reception hat Erbarmen mit uns und macht uns einen Spezialpreis, wir bräuchten ja keinen Strom und sowieso, es sei doch einfach zu kalt! Wir schmunzeln, klar es ist schon etwas kühl, die warme Unterwäsche ziehen wir schon an, aber es ist immer noch schön, abends draussen zu sitzen und das Abendrot im Himmel zu schauen.
Aber die Wetter-App will richtig Regen und kälter für die nächsten Tage, ja die ganze Woche! Wir finden wirklich gute Plätzchen zum Schlafen, mal ein Hotel das mit einem Frühstücksbuffet glänzt, wie wir noch nie gesehen haben! Da können wir sogar bei Regenwetter voller Energie fahren!
So kommen wir in Pesaro an, kurz bevor es dunkel wird, wir wollen durch das Zentrum fahren, aber da hat es so viele Menschen, sie flanieren, spazieren mit Kindern und Hunden, es herrscht eine fröhliche Atmosphäre. Wir steigen ab und spazieren mit all den Menschen durch die Gassen. Diese Leute wohnen hier und schlendern jetzt durch ihre Stadt. Es tut gut, nach all diesen leeren Strandsiedlungen eine lebendige Stadt anzutreffen.
Und jetzt haben wir ein Zimmer in einer Wohnung mit Küchenbenützung, und es regnet in Strömen! Zwei Pausentage, wir haben Kleider gewaschen, der Vermieter hat uns extra einen Wäsche-Ständer gebracht und die Heizung läuft.
Die nächste Entscheidung steht nun an: wollen wir in Italien weiterfahren? Oder wollen wir die Fähre in Ancona nehmen und nach Patras?