Wir bleiben in Italien

Pic-nic in einer Pineta

Die Entscheidung ist gefallen, wir bleiben noch in Italien! Das Land, die Leute und das Wetter haben uns schlussendlich die Entscheidung leicht gemacht. Trotz Hochwasser in Venedig und starken Windböen in Apulien sind wir eigentlich gerade am besten Ort von Italien und im ganzen adriatischen Raum. Also fahren wir in Ancona nicht zum Hafen, sondern zur Via del Conero, die sich auf die Hügel und um den Monte Conero schlängelt. Da haben wir schon in der Stadt die ersten richtigen Steigungen, so steil, dass wir die Fahrräder schieben müssen und so richtig ins Schwitzen kommen. Dazu beginnt es noch zu regnen und kaum sind wir unter einem Baum im Trockenen, hört es schon wieder auf, wir fahren/stossen weiter, oben belohnt uns kurzer Sonnenschein, ein halber Regenbogen und die schöne Aussicht.

Die Tage sind kurz, schon müssen wir Ausschau halten für einen Schlafplatz, bei einem „Agriturismo“ sehen wir einen Mann und fragen ihn, leider ist er nicht zuständig, aber er gibt uns einen Tipp. Wir schauen uns diesen Tipp an, es ist ein Ferienhaus etwas abseits der Strasse, alles ist verriegelt und geschlossen, ein steiler Feldweg führt hinauf, kein Privato, kein geschlossenes Tor …rund ums Haus Gras, etwas verwildert, viel Laub am Boden und hinter dem Haus beginnt ein Dickicht, der perfekte Platz! Es ist zu verlockend, wir bleiben hier. Um diese Jahreszeit ist sicher niemand in diesem Haus in den Ferien! Beim Einnachten stellen wir unser Zelt auf, und beginnen zu kochen. In einem Blog von einem Velofahrer haben wir gesehen, dass man rotes Licht nicht so gut sieht von weitem, das probieren wir jetzt hinter dem Haus aus. Zuerst ist es etwas komisch, alles hat eine ähnlich orange Farbe, aber unsere Augen gewöhnen sich dran und wir geniessen unser Abendessen, ein Käuzchen ruft ganz in der Nähe, und es ist gar nicht kalt!
Es ist ja nicht so, dass wir einfach ohne Skrupel so auf einem Privatgelände unser Zelt aufstellen, wir besprechen das gerade im Dunkeln, da beleuchten plötzlich Scheinwerfer das Zelt und drei!!! Autos fahren vor das Haus! Martin geht sofort auf die Autos zu und versucht, mit einem der drei Fahrer zu sprechen, der aber kann oder will kein englisch sprechen und hat sofort das Handy in der Hand und sagt etwas von Proprietario….
Martin versucht es weiter, mit biccicleta, solo una notte,….aber der sagt, der Proprietario werde kommen. Sie steigen aus, machen Licht vor und im Haus und verschwinden drinnen. Und dann kommt der Besitzer, ein älterer Mann, Martin geht auf ihn zu und gibt ihm die Hand und erklärt, dass wir aus der Schweiz und mit dem Fahrrad da sind, und nur bis morgen dableiben und dann weiterfahren. Ich komme auch dazu, der Mann ist sehr freundlich, er geht zu den Männern ins Haus und erklärt ihnen die Lage, es tönt fast so, wie wenn er gewusst hätte, dass wir da sind. Uns erklärt er dann, die Männer hätten die Wohnung gemietet, sie arbeiten in der Gegend. Wir bedanken uns bei ihm für die Grosszügigkeit, dass wir bleiben dürfen, und auch bei den Männern, die uns nicht wegschicken.
Alles ist geklärt, er fährt wieder davon, das Ganze hat vielleicht 15 Minuten gedauert! Puh, da haben wir wirklich Glück gehabt. Das machen wir nicht so schnell wieder! Die drei Männer parken ihre drei genau gleichen Autos im Halbkreis vor die Türe, etwa eine halben Stunde später fahren sie weg, alle drei, (wahrscheinlich Abendessen) und als wir schon lange im Schlafsack liegen, kommen sie zurück.
Morgens um sieben stehen wir auf, wir wollen zeigen, dass es uns ernst ist mit dem Wegfahren, zum Glück war die Nacht so warm, dass das Zelt fast trocken ist. Und schon bald sind die drei Männer mit einem kurzen ciao davongefahren, zur Arbeit. Und wir machen uns jetzt noch einen Kaffee und frühstücken, schliesslich wollen wir gestärkt die nächsten Steigungen erklimmen.
Solche Momente kann ich mit keinem einzigen Foto dokumentieren, da denke ich nicht eine Sekunde daran, dass man die Situation mit Fotos festhalten könnte! Die bleiben auch so ganz klar im Gehirn eingraviert!

Das Wetter, beziehungsweise die Wetter-App, verursacht uns wieder zwei Hotelnächte, hier „dürfen“ wir die Velos ins Zimmer hinauf mitnehmen, in den zweiten Stock, mit Lift! Es ist dann gar nicht so nass wie gemeldet, dafür schlendern wir stundenlang herum, zuerst im Hafen, wo die Fischerboote in Reih und Glied auf besseres Wetter warten und danach über einen riesigen Markt, wo man wirklich alles kaufen könnte, was das Herz begehren würde. Wir begnügen uns mit ein paar Früchten, die ersten Mandarinen dieses Jahr! Es hat sehr viele Leute auf dem Markt, uns scheint, dass wir die einzigen Fremden sind. Nach einer langen Siesta und schreiben im Hotelzimmer  gehen wir abends in eine Osteria essen, italienisches Essen ist sehr lecker!

Und am nächsten Tag, als wir weiterfahren, regnet es in Strömen….wir lernen, ab jetzt buchen wir nicht mehr zwei Nächte, das Wetter kann sich über Nacht radikal ändern.
Während der Fahrt werden wir immer wieder angefeuert von Menschen, die auch unterwegs sind, meistens zu Fuss, aber auch von Velofahrern, die sich kurz unserem Tempo anpassen und ein wenig mit uns schwatzen, bevor sie uns „buon viaggo“ wünschen und dann davonradeln…Und wir sehen, was das Meer der Küste, den Stränden antun kann. Wir verstehen die hohen Sandmauern nun besser, die nützen aber nur kurzzeitig, werden von den Wellen während einem Unwetter weggewaschen.
Da sind all die Bagni, die während des Unwetters von den Wellen überrollt wurden, die Wege, die voller Sand, Holz und Steine zurückbleiben, wenn sich das Meer wieder etwas beruhigt hat. Da sind die Strasse und die Eisenbahn der ganzen Küste entlang, die in Mitleidenschaft gezogen werden. Hier ein paar Fotos von dem, was wir gesehen haben:

Aufräumarbeiten auf dem Veloweg
Da braucht es ein wenig mehr als aufräumen

Also die Radwege hat es fast überall, einzig bei den Brücken gibt es manchmal  Engpässe, vor allem wenn die Flüsse gerade auch Gemeindegrenzen sind, da müssen wir auf die vielbefahrene Nationalstrasse, die manchmal schon sehr voll ist, obschon es eine Autobahn gäbe, ein paar wenige Kilometer im Landesinnern. Leider ist diese in Privatbesitz und kostet, deshalb ziemlich leer…

Auch hier kann ich das nicht dokumentieren mit Fotos, die ganze Aufmerksamkeit muss sich dem Verkehr widmen, es darf uns kein Fehler passieren, es könnte verheerende Folgen haben! Links im Spiegel sehen wir die Autos, Lieferwagen und Lastwagen kommen, die Busse sind am schlimmsten, die nehmen kaum Abstand und brausen an uns vorbei, wie wenn es uns nicht geben würde.
Am Boden und rechts die anderen Tücken: die Gullis für das Wasser, die viel tiefer liegen als der Teer, all die Höcker, die die Lastwagen oder die Wurzeln der Bäume in den Teer gemacht haben, und all die Löcher und Risse im Teer, wer weiss was die verursacht hat. Nicht zu reden von den Gräben, die so nahe sind, dass bei einem Schwenker die Gefahr besteht, einen Sturz in den Graben zu machen. Wenn wir dann in eine Ortschaft kommen, sind da Kreuzungen und die Einbahnstrassen, die fast immer da sind, die wir, natürlich in der Gegenrichtung fahren wollten ….

Aber die Radwege sind wirklich gut, manchmal etwas holprig wegen den Wurzeln, die versuchen, sich einen Weg durch den Bodenbelag zu bahnen, manchmal aber super neu geteert und gut ausgeschildert, wenn man sich mal an das System gewöhnt hat. Manchmal sind sie ein wenig schmal…Ach nein, das war ja nur für Fussgänger, wenn man nicht aufpasst ist man plötzlich weg vom Radweg, oder es gibt ihn noch nicht.

Einige werden jetzt vielleicht sagen, warum fährt ihr denn der Küste entlang, etwas langweilig oder? Es wäre doch auch schön im Landesinnern, mehr Abwechslung? Ja, schon, aber da geht es schnell auf über 700 Meter ü.M. und da sinken die Temperaturen nachts ziemlich schnell unter 10 Grad, und das ist dann fürs zelten doch eher schon an der unteren Grenze. Und wir wollen lieber schneller richtig in den Süden kommen, wo es dann etwas höhere Temperaturen gibt. Und jetzt, von Pescara aus sieht man die Schneeberge schon ganz nah! Wir haben von verschiedenen Leuten gehört, dass es sehr schön ist, in den Bergen zu fahren, wenig Verkehr und wunderschöne Panoramas. Aber auch hier an der Küste gibt es immer wieder wunderschöne Momente!

Abendliche Ankunft in Pescara, mit einer tollen Velo- und Fussgängerbrücke!
An diesem Morgen war es sehr kalt, in den Bergen hat es geschneit!
und immer wieder mal ein Cappucino mit Beilage!

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