Ciclovia del Po
Weiter geht’s bei milden Temperaturen und Sonnenschein, auf den verschiedenen Dämmen des Po, den vielen Windungen entlang, dann wieder über kleine Nebenstrassen ohne viel Verkehr. Wir sehen viele eingefallene Bauernhäuser, mitten in den bewirtschafteten Feldern. Es waren mal stattliche Höfe, mit grossen und kleinen Gebäuden, die da langsam verfallen, mit offenen Dächern, wo das Buschwerk und sogar ganze Bäume herauswuchern.
Es hat vor allem Maisfelder und Pappelplantagen, die Felder meist schon abgeerntet, manchmal weidet eine Herde Schafe auf den Feldern, was sehr malerisch aussieht im Morgennebel. Die Pappeln stehen in Reih und Glied, kaum Büsche oder Gras dazwischen, richtige Monokulturen. Wir sehen wenig Vögel, vor allem Raben und Elstern, weder Mäusebussard, Milan oder die vielen kleinen Wald-und Wiesenvögel. „Richtige“ Wälder, so wie wir sie kennen gibt es hier kaum.
Ab und zu haben wir aber Glück:
In einem „Urwald“, zwischen Feldern von Gestrüpp, auf einem Streifen Gras, gerade breit genug, schlagen wir unser Zelt auf. Wir schlafen richtig gut diese Nacht, nur die Nachtvögel hören wir mal von da und dort. Am Morgen, beim Aufwachen, raschelt es plötzlich und etwas zwängt sich zwischen unserem Zelt und dem Gestrüpp durch. Ich bin natürlich sofort hellwach, öffne das Zelt und sehe gerade noch den dunklen Umriss eines Mannes der sich schnell entfernt, …der hat wohl einen grösseren Schrecken bekommen!
Ja, es gibt die Pilzsammler und Jäger, die sich frühmorgens in den Wäldern und Feldern tummeln, aber wir schauen doch sehr drauf, dass da, wo wir Übernachten die Schilder stehen mit „Divieto la Caza“. Damit wir nicht plötzlich mit irgendwelchen Fasanen verwechselt werden!!!!
Die wir übrigens auch schon gesehen haben und sogar fotografieren konnten.
Während den Mittagspausen ist Trocknen angesagt, das Zelt, die Schlafsäcke, die Mätteli und auch die Daunenjacken, alles ist feucht bis tropfnass von der Nacht und dem Nebel am Morgen.
Ein richtig schönes Gewitter ist laut Wetter App angesagt, so gegen Abend. Wir haben uns vorsorglich bei einer Warmshower-Gastgeberin angemeldet, treffen die Frau aber erst gegen 18.00 Uhr. Den ganzen Tag haben wir noch in der Sonne pedalen können, erst gegen 16 Uhr hat es den Himmel mit grauen Wolken überzogen und die ersten Tropfen fallen. Wir müssen nur noch über eine grosse Brücke hinüber ins Städchen fahren. Das erste Mal montieren wir Regenhosen und Regenjacke, damit wir dann nicht mitten im Verkehr auf der Brücke uns plötzlich noch umziehen müssen. Sie ist fast 1 Kilometer lang, und natürlich brausen sehr grosse Traktoren mit Anhängern und noch grössere Lastwagen über die Strasse. Es hat zwar ein Trottoir, aber das ist zu schmal für uns mit den Taschen, wir müssen auf der weissen Seitenlinie fahren. Das erlaubte Tempo wäre 50, aber die Autos fahren mit sicher 80km/h an uns vorbei, die meisten zum Glück mit gutem Abstand. Dank unserem Rückspiegel können wir sehen, wenn ein Lastwagen nahe kommt und den Lenker ganz fest zu halten, damit uns der Sog micht zu sehr durchschüttelt. Alles in allem eine stressige Sache, natürlich geben wir Gas, damit wir da schnell durch sind, und entsprechend sind wir schweissgebadet in unseren Regenklamotten, als wir nach der Brücke auf die erste Nebenstrasse abbiegen! Natürlich ist kein Tropfen Regen gefallen…
Aber das Gewitter kommt, der Himmel ist unterdessen fast schwarz und wir suchen uns eilig einen Unterstand, wo wir vielleicht etwas trinken können. Der Chino hat einen Baldachin vor dem Haus, wir gehen rein, bestellen etwas zu trinken, und da hat die Frau gar nichts dagegen, dass wir unsere Fahrräder unters Dach stellen. Wir sind ja die einzigen Gäste. Der Himmel ist gelbschwarz und in der Ferne donnert es schon gewaltig. Ein paar Minuten später trommelt das Wasser auf den Baldachin. Zusammen mit den Getränken erhalten wir ein Schüsselchen mit Chips und ein Tellerchen mit Pizza -Küchlein! Es wird ja ein Weilchen dauern, bis der Regen aufhört, hat sich die Frau wohl gedacht. Es ist so dunkel geworden, dass plötzlich die Strassenbeleuchtung der Stadt angeht.
Und plötzlich hält der Baldachin die Regenmasssen nicht mehr aus. Wie ein Wasserfall sprudelt und spritzt es in der Mitte des Daches zwischen die Tische, auf unsere Fahrräder und die Stühle. Die Menschen unterwegs hasten entweder mit oder ohne Schirm durch den Regen oder stehen irgendwo im Halbtrockenen, wahrscheinlich mit der Hoffnung auf ein schnelles Ende. Ein Rennradfahrer hat gegenüber Schutz gesucht und steht in kurzen Hosen und Leibchen da, mit dem Handy in der Hand. Ob er wohl jemanden findet, der ihn abholt? Wir sehen nämlich auf unsere App, dass das so weitergehen wird bis spät in die Nacht hinein. Zwar hellt es langsam wieder auf, die Strassenbeleuchtung geht wieder aus, aber immer wieder kommt ein Guss, in dem man lieber nicht unterwegs sein möchte.
Unterdessen hat sich Alessandra, unserer Gastgeberin erkundigt, wo wir sind und wie es uns geht. Sie erklärt mir, dass sie am Abend nicht mit uns zusammen sein könne, ob sie noch etwas für uns einkaufen könne?
Ich erkläre ihr, dass wir immer ein Menu kochen können ohne einzukaufen, kein Problem.
Als wir uns in der Bar die Regenkleider anziehen, kommt die junge Frau heraus, mit einer Papiertasche und ihrem Handy in der Hand, die Tasche schenkt sie mir, es sind 2 Croissants drin. Das Handy hält sie Martin hin, damit er lesen kann, dann deutet sie ihm, er solle die Antwort ins Handy sprechen. Sie drückt anschliessend einige Tasten und liest (chinesisch) seine Antwort, nickt und bedankt sich mit Grazie für unseren Besuch! Dabei hat sie doch uns beschenkt mit den Tapas und mit den Croissants!!
Bei Alessandra zuhause die nächste Überraschung, sie überlässt uns ihre ganze Wohnung die ganze Nacht, eigentlich wohnt sie bei ihrem Freund im Nachbarort und heute haben sie beide keine Zeit, um mit uns zu plaudern und zu essen.Nach 15 Minuten sind wir allein, noch etwas verdutzt, aber draussen regnet es in Strömen und wir sind sehr froh, im Trockenen zu sein. Duschen, Kochen, Essen und Schlafen, und am Morgen ist der Himmel wieder blau und die Sonne scheint! Wir packen, tragen alle unsere Sachen zu den Velos und hinterlegen den Schlüssel am abgemachten Ort und senden Alessandra ein Foto und ein grosses Dankeschön für ihr Vertrauen!
Wir planen, in zwei bis drei Tagen in Ferrara auf dem Camping zu sein, es ist einer der wenigen, die noch offen haben. Aber, daraus wird nichts! Bei der Mittagspause fährt ein Traktor an uns vorbei, dann ein Kleinbus, als der zurückkommt stoppt er, die Scheibe schon unten, beginnt zu fragen: Woher? Wohin? Wieviele Kilometer? Wieviel Zeit? Wo schläft ihr? Und diese Frage beantworte ich nur zögernd, wir wollen es den Leuten nicht unter die Nase reiben, dass wir wild campen, es ist ja eigentlich auch verboten…und das alles auf italienisch!
Er lässt mich aber gar nicht ausreden sondern lädt uns in sein Haus ein, er sei Bauer, habe 100 Kühe, mache Milch für den Käse, den Parmiggiano Reggiano,… schlussendlich steige ich in sein Auto ein, er zeigt mir sein Haus ein paar Kilometer entfernt und bringt mich wieder zurück, damit wir mit den Velos dahinfahren können. Als wir ankommen ist seine Tochter schon informiert, wir dürfen duschen und unsere Taschen im Esszimmer deponieren, da steht ein Sofa, wo wir dann drauf schlafen können. Ich frage seine Tochter, ob ihr Vater oft Leute mit nach Hause bringt, lachend antwortet sie: oh ja, immer wieder!
Wir besuchen die Farm, Mauro erklärt uns alles über die Kühe, die Milchroboter, die strengen Regeln für die Produktion des Käses. Nebenbei erklärt er uns, dass seine Frau erst spätabends nach Hause kommt, und wir zusammen nach Mantua fahren werden, wenn wir wollen.
Er zeigt uns die Stadt und dann gehen wir Pizza essen. Es wird ein ganz gemütlicher Abend.
Nach dem Frühstück um 7.30 verabschieden wir uns, packen unsere Velos und fahren los, so früh waren wir noch selten schon unterwegs. Die Sonne scheint und es wird schnell warm.
Bei der Mittagspause passiert wieder etwas Ungewöhnliches: ein Porsche fährt über die kaum befahrene Strasse, der Mann winkt, hält an, fährt 20 Meter zurück, steigt aus, öffnet die Hintertür und bringt uns ein Packet, wickelt es aus und streckt es uns entgegen: ein riesiges Stück Parmiggiano Reggiano! Mindestens 1 Kilo! OH, was machen wir mit dem? frage ich ganz überrascht. Da lacht er und sagt: MANGARE! Dreht sich um steigt in sein Auto ein und weg ist er!!! Wir sind sprachlos, es ist unglaublich, was da gerade passiert ist!
Kurz darauf merke ich beim Einpacken, dass meine langen Velohosen nicht da sind! Kurz überlegen, wo habe ich die ausgezogen? Nicht mit dem Gummizug angemacht??!! Ohje!!!, wahrscheinlich etwa vor 10 Kilometern habe ich sie verloren…….. Nach kurzer Diskussion entscheiden wir, auf der Hauptstrasse zurück zu fahren, dann wieder auf den Damm, da sparen wir ein paar Kilometer, aber die Hosen holen wir wieder! Und wirklich, ganz in der Nähe wo ich am Morgen die Jacke und die Hosen ausgezogen hatte liegt sie! Der Umweg hat uns Zeit geraubt, wir müssen den Plan ändern. Auf der Karte sehen wir Ferrara immer noch in weiter Ferne, dafür ist Modena etwas näher und da hat es auch zwei WS-Gastgeber, die wir anschreiben könnten.
Auf der Suche nach der besten Route stosse ich auf ein „Agriturismo“, das probieren wir jetzt auch einmal aus! Wie ein Schlaf im Stroh? Oder ein B&B? oder? Das wollen wir jetzt wissen.
Bei der Ankunft werden wir vom Bauern freundlich begrüsst, er werkelt an seinem laufenden Traktor. Es entpuppt sich als für unser Budget etwas teures Zimmer, sieht etwas heruntergekommen aus, deshalb fragen wir den Bauern, ob wir vielleicht irgendwo auf dem Hof das Zelt aufstellen könnten? Und die Toilette benützen dürfen? Wir würden schon etwas bezahlen? Er versteht uns, seine Frau kommt jetzt auch raus und sagt etwas von keine sauberen Zimmer, geht nicht, die hat aber schlechte Laune! Aber er zeigt uns ein Plätzchen, das Badezimmer, das wir benützen dürfen, und verzieht sich wieder hinter seinen Traktor. Unter den neugierigen Blicken der drei Ziegen die da weiden stellen wir unser Zelt auf und während wir kochen, müssen wir sie energisch wegweisen, bis der Bauer sie dann in ihren Stall bringt.
Wir geniessen es, Licht zu machen und draussen zu sitzen, es ist nämlich gar nicht kalt und ausser ein paar Mücken stört uns niemand.
Enrico hat uns geschrieben dass er uns erwartet, super, die nächste Nacht also wieder mal in einem Haus schlafen. Unterwegs fällt uns ein Städtchen auf, wo eine ganze Gasse mit alten Häusern auf einmal renoviert wird. Da fragen wir uns schon, haben die wohl im Lotto gewonnen? Später etwas ausserhalb sehen wir dann so komische Maschinen, wie die Ölförderkräne die so auf- und abnicken, dann Leitungen, die vom Gelände wegführen, sind das etwa Pipelines? oder Gasleitungen? Machen die etwa Fracking?
Wir werden versuchen, Antworten zu finden, Enrico kann uns vielleicht weiterhelfen. Ölfirmen in der Gegend würde den Renovationsboom im Städtchen erklären….
Hallo zäme. Herzdank für alle eure Geschichten. Irgendwie bin ich so mittendrin und werde sowieso dabei bleiben. Ich freue mich immer, über eure grossen und kleinen Abenteuer zu lesen, von Gastfreundschaft und Menschlichkeit zu erfahren. Mille grazie e tanti auguri – der Onkel wird wohl auch irgendwo sein. Äbe… roll on, bis die Tage. Grüsse aus dem gruusig-kalt-nassen Bärn.