nach Leonidio
Die Wetterprognosen werden jetzt immer schlechter, für die Nacht werden sogar Minustemperaturen vorausgesagt, das macht uns etwas Sorgen. Zelten ist wirklich nicht mehr lustig so! Nach Leonidio führt unsere Route uns bald in die Berge, zwar nur 1200müM. aber es hat Schnee dort, wir können ihn sehen!
Die 77 km bis ins Städtchen Leonidio, einem Paradies für Kletterer, gedenken wir in einem Tag zu fahren. Es ist eine Küstenstrasse wie wir sie auch schon gefahren immer etwas rauf und runter. Irgendeinmal nach einer Kurve kommt uns ein Touren-Radfahrer entgegen! Ich freue mich auf einen Schwatz, aber der grüsst nur und fährt weiter. Schade! Und schon kommt uns seine Frau entgegen, sie muss sich beeilen um ihren Mann einzuholen und grüsst auch nur kurz… Wir schmunzeln ein wenig, und im Spass sagen wir, das waren sicher Schweizer, die haben einen fixen Fahrplan!
Kaum haben wir uns „erholt“ von dieser Begegnung, kommen uns schon wieder zwei Tourenfahrer entgegen! Und diesmal passiert, was eigentlich immer passieren sollte! Wir steigen ab, begrüssen uns wie alte Freunde, tauschen uns aus, lachen über die kleinen Begebenheiten, die einem so passieren! Und wirklich, schon fast als Freunde verabschieden wir uns eine halbe Stunde später, wir haben abgemacht, in Kontakt zu bleiben und im Frühling werden wir die Beiden in Athen besuchen!
Gemütlich fahren wir weiter, die Strasse windet sich um die Hügel, die Aussicht ist immer superschön trotz aufziehenden Wolken und auffrischendem Wind.
Im Lauf des Tages machen sich aber ganz ungewohnt, schleichend, stechende Schmerzen im rechten Knie bemerkbar. Zuerst versuche ich diese Seite etwas zu entlasten, keinen Druck damit auszuüben, aber es wird immer schwieriger, und natürlich gibt es jetzt gerade noch ein paar ganz mühsame Steigungen! Nach 60 km geht es nicht mehr, wir müssen in einem ziemlich leeren Dorf ein Zimmer suchen, und da komme ich kaum mehr die Treppe zum Zimmer hoch. Dazu kommen seit kurz nach dem Mittagessen noch diffuse Magenschmerzen. Weiss der Kuckuck, was heute los ist mit mir?
Das Zimmer ist gefühlte 2° warm, ich schlüpfe in die Daunenjacke und unter die Decke, Martin versucht, die Klimaanlage in Gang zu bringen, aber die bläst zuerst nur kalte Luft ins Zimmer. Nach Rücksprache mit der Besitzerin gelingt es ihm dann, der Maschine etwas Wärme zu entlocken. Der heisse Tee aus unserem Thermos hilft auch, gegen die Kälte und die Magenschmerzen. Martin geht die Velos abschliessen und kommt zurück mit der Nachricht, dass es in Strömen regnet! Da haben wir ja Glück gehabt!
Nach drei Stunden im warmen Bett ist mein Magen zur Ruhe gekommen. Unten im Restaurant, das zwar geschlossen hat, knistert ein Feuer im Cheminee, die ganze Familie ist da versammelt, wir dürfen uns zu Ihnen setzen. Die Frau erklärt uns, was sie für uns zu essen machen könnte: Souflaki, (das sind Fleischspiesschen, die mit Salat, Fladenbrot und Pommes frites serviert werden), Saganaki (frittierter oder gebratener Käse), Feta mit Tomaten vom Grill und Pommes Frites. Und die sind aus Kartoffeln, die von Hand geschnitten sind! Mein Magen macht nach der Mahlzeit keinen Mucks mehr, es war sehr gut! Wie ein dreijähriges Kind muss ich Stufe um Stufe mit dem linken Fuss voran zu unserem Zimmer hinauf, das Knie erholt sich nicht so schnell wie der Magen. Das wird wahrscheinlich etwas länger dauern…
Die restlichen 20 Kilometer bis Leonidio fahre ich am nächsten Tag mit der Kraft des linken Beins. Dank der Klickpedale geht das einigermassen. Bei der Pause am Strassenrand erleben wir noch eine Überraschung: Da kommen doch zwei junge Leute auf einem vollbepacktem Tandem mit Anhänger daher!!! Sie halten an und wir laden sie ein zu Kaffee und Tee, den wir gerade zubereitet haben. Die beiden sind in Frankreich gestartet, über Korsika, Sardinien, Sizilien und ganz Süditalien bis nach Brindisi, von dort mit der Fähre nach Igoumenitsa bis hierher gefahren, in der Gegenrichtung wie wir um den Peloponnes und jetzt auf dem Weg nach Athen. Die Weihnachtstage haben sie mit dem anderen französischen Paar verbracht, das wir in Nafplion getroffen hatten! Es sind also doch auch andere Velofahrer unterwegs! Martin fragt sich nämlich ab und zu, wo denn alle diese Fahrer sind, die da auf Facebook und Co. „posten“, wie sie unterwegs sind… Nach dem Kaffee wollen sie weiter, sie wollen bis nach Korinth, das sind sicher fast 90 Kilometer, und am Nachmittag will es ja vielleicht regnen….Also dann, Bon Voyage!!
In Leonidio angekommen genehmigen wir uns zuerst einen Cappuccino in einem warmen Kaffee, checken dort im Internet ein paar Unterkünfte, und suchen uns eine Bleibe, wieder für ein paar Tage, wegen dem Knie, aber auch wegen dem Wetter. Der Camping wäre ja offen, aber es ist einfach zu kalt!
Wir wählen ein Hotel, das Zimmer hat, die mit einer kleinen Küche ausgestattet sind, das passt uns sehr gut. Aber noch besser ist die Zentralheizung, die jeden Abend das Zimmer wirklich warm und bewohnbar macht! Die Wahl ist gut, die Leute sind sehr freundlich. Die Hotelbesitzerin füllt uns unsere 3dl Olivenölflasche mit ganz frisch gepresstem Öl auf, an einem anderen Tag schenkt uns ihre Mutter Weihnachtsgebäck und Kuchen, der hier am 1.Januar zum Frühstück gegessen wird.
In der Apotheke kaufen wir eine Salbe fürs Knie, jetzt wird eingeschmiert! Schon nach zwei Tagen ohne Anstrengung wird es besser. Wir spazieren täglich in das langgestreckte Dorf, da hat es wirklich ziemlich viele Kletterer, man erkennt sie an den sportlichen, farbigen Jacken und Hosen…
Eine Kooperative mit Laden und Bar-Kaffee ist der Treffpunkt dieser Leute. Wir lernen ein Paar aus Deutschland kennen, sie sind schon das dritte Mal hier seit letztem Sylvester. Sie erzählen uns vom Aufschwung des Wintertourismus im Dorf, den es seit etwa 2013 dank den Kletterern gibt. Seitdem wurden für über 1000 Routen Haken in die Felsen der Umgebung gebohrt! Jährlich findet ein Kletterfestival statt, das jedes Jahr immer mehr Menschen anzieht.
Zuvor war vor allem der Sommertourismus eine Einnahmequelle neben den Oliven, Orangen, Mandarinen und dem Gemüseanbau. Die Olivenernte ist momentan in vollem Gang, überall sind die Bauern in den Bäumen am Ablesen und Schneiden. Wir können von unserem Fenster aus die Ölmühle beobachten, wo Tag und Nacht der Kamin raucht und die Bauern mit ihren Pickups volle Säcke herbringen, den Tanklastwagen, der das Öl abholt, und die ausgepressten Überreste der Oliven in einem grossen Container vor sich hindampfen und einen etwas säuerlichen Duft ausströmen.
Wir machen einen Ausflug mit den Velos zum Hafen des Nachbarortes, ich will wissen, ob das Knie noch schmerzt. Nach 16 km ist gerade genug, also noch nicht gut für den Aufstieg auf 1200m in knapp 30 Kilometern!
Am ersten Januar wandern wir zum Fuss einer Felswand hinauf, da, wo die Kletterer starten, aber heute ist niemand hier. Es hat ja eben über 1000 Routen wo man klettern kann. Leider verzieht sich die Sonne schnell, der kalte Wind vertreibt uns wieder ins Dorf in die warme Stube hinunter. Auch bei diesem Ausflug merke ich, dass das Knie die Belastung noch nicht lange durchhalten würde!
Aber, wir finden auch für dieses „Problem“ eine Lösung! Wir werden uns einen Transport nach Kosmas organisieren, dort ist der höchste Punkt, von dort aus können wir dann selber fahren. Wir warten also die kalten, windigen und regnerischen Tage ab, am nächsten sonnigen Tag werden wir starten!