Wieder unterwegs!

Abschied nehmen ist nicht so schön. Aber langsam spüren wir das Kribbeln und wollen los. Die Temperaturen sind schon etwas gesunken und in der zweitletzten Nacht in der Jurte donnert ein Gewitter über uns, das uns zuerst weckt und dann ziemlich befeuchtet. Die Dachluke habe ich vorsorglich geschlossen, aber die eine Seitenwand ist noch offen, und da bläst der Wind den Regen hinein. Und weil es so lange nicht geregnet hat, kann der Boden die Menge Wasser nicht sofort aufnehmen. Mit der Zeit drückt es durch den Holzboden und bildet eine grosse Pfütze. Wir rücken an die Wand und können so verhindern, dass am Morgen alles nass ist.

Wegen diesem Gewitter haben wir unsere Abreise einen Tag verschoben. Abends essen wir dann noch ein feines Abendessen zusammen, und Paola hat uns ein wunderbares Tiramisu gemacht! Paola, vielen Dank für Deine Gastfreundschaft und das Vertrauen in uns. Wir waren sehr gerne bei euch!
Mit ein paar frisch gepflückten Auberginen, Zucchinis und Chilis verabschieden wir uns und fahren los, Richtung Taranto. Mal schauen wie weit wir kommen! Zuerst ein paar Kilometer auf der Ciclovia, und dann auf den schönen „weissen“ Strässchen, durch die Hügel auf und ab. Beim letzten Hügel hat man eine schöne, aber etwas dunstige Aussicht auf die Ebene von Taranto und auf die Stadt im Hintergrund. Überraschend gross ist sie! Nein, sogar riesig! Beim Flugplatz von Grottaglie geraten wir in den Mittagsverkehr vom grössten Arbeitgeber der Region, einem Zulieferer von grossen Teilen an Boeing.
Wir verdrücken uns in den nächsten Olivenhain und machen Mittagspause. Bis wir dann in Taranto sind, ist schon fast 17 Uhr und wir entscheiden uns für ein Zimmer in der Stadt, da die einzige Ausfahrt aus der Stadt über eine grosse, stark befahrene Nationalstrasse führt, die wir nicht im Abendverkehr fahren wollen.
Das Studio ist ein Glücksfall, mitten in der Stadt, im Erdgeschoss, ganz einfach mit den Fahrrädern! Wir begegnen dem Besitzer nur über das Telefon und Whatsapp, alles ist super eingerichtet. Als wir fürs Abendessen noch einmal rausgehen, donnert es wieder in der Ferne und wir sind froh, dass wir ein Dach über dem Kopf haben. Ein Restaurant zu finden wird aber in diesem Stadtteil etwas schwierig, vieles ist geschlossen oder ist (noch?) leer. Wir beschliessen, etwas einzukaufen und selber zu kochen, aber da sehen wir einen kleinen Laden, der zubereitetes Essen verkauft. Wir dürfen etwas aussuchen, die Frau war schon am Schliessen, holt für uns aber noch ein paar Gerichte hervor, so dass wir eine Auswahl treffen können. Glücklich verlassen wir den Shop mit Fischbällchen und einem Auberginenauflauf mit Tomaten, Mozzarella und Parmesan. Zurück im Studio wärmen wir den Auflauf und die Bällchen und geniessen gemütlich das Essen, während sich draussen das Gewitter austobt.
Die Nationalstrasse aus Taranto hinaus ist zwar sehr befahren, aber es hat einen breiten Streifen, so dass auch wir genug Platz haben. Irgendwann können wir dann wieder auf kleinere Strässchen abbiegen und es geht recht gut voran. Es hat eine Autobahn parallel zur Küste, wir haben die Hauptstrasse fast für uns allein. Die Dörfer sind alle ein paar Kilometer vom Meer entfernt, an der Küste hat es die Feriendörfer und Lidos, die aber jetzt schon wieder leer sind. Da wird nur in den Monaten Juli und August gelebt. Und den Rest des Jahres steht hier das Leben fast still, alles verriegelt, zugenagelt und tot. Zwischen diesen Marinas stehen die Pinienwälder am Meer, da gibt es kein Durchkommen mit den Fahrrädern, es ist viel zu sandig, und alle paar Kilometer hat es einen Bach, Fluss oder ein Rinnsal, je nach Regen, der in den Bergen gefallen ist.
Auch die Campingplätze sind am Meer, und da hat es noch einige, die noch offen sind. So machen wir einen Schwenker an die Küste zum Campieren. Wir erhalten einen besonderen Platz unter einem Dach, da sich die schwarzen Gewitterwolken wieder hoch auftürmen und das Grollen schon hörbar ist in der Ferne. Im Dorf ist sogar der Laden offen und da treffen wir auf eine Familie aus der Schweiz, die mit dem Wohnmobil hier in den Ferien sind. Ja und abends bekommen wir noch Zeltnachbarn, auch aus der Schweiz, mit Zelt und Auto in den Ferien. Ach ja, es ist Herbstferien-Zeit in der Schweiz.

Wir könnten ja mit dern Vespas weiterfahren….

Beim näheren Planen der Route für den nächsten Tag bemerke ich, dass nur die Autobahn und die Eisenbahn eine Brücke über den nächsten Fluss hat, die nächste normale Brücke ist etwa 20 km landeinwärts, landaufwärts, heisst 40km Umweg für uns! Die Autobahn und die Eisenbahn sind Hindernisse in unserem Weg, die wir nicht so einfach umgehen können. Ich lasse Mapsme eine Strecke suchen für uns als Fussgänger, und siehe da, die App findet einen Fussweg über eine alte Brücke, die schon lange aus dem Verkehr gezogen wurde. Auf dem Satellitenbild von Google finde ich die Brücke und sehe, dass sie für uns schon in Frage kommen könnte, je nach Zufahrt. Auf dem gleichen Satellitenbild sehe ich auch, dass es viele Feldwege hat, durch die Reben und Kirschbäume. Also, wir versuchen es einfach. Der lange Umweg kommt erst als letztes in Frage.

Und wir haben ja so ein Glück, in den Reben sind Leute, die Trauben ernten und die erklären uns bereitwillig, wie wir über die Felder kommen, super. Ein paar hundert Meter weiter rennt ein Traktorfahrer auf uns zu und erklärt uns, dass wir falsch fahren, aber nachdem ich ihm erklärt habe, wo wir hinwollen, lässt er uns den Kirschbäumen entlang fahren, wo er noch nicht gepflügt hat und der Boden noch schön hart ist. Am Ende des riesigen Feldes hat es eine Barriere zum Strässchen. Wir laden alles Gepäck ab und auf der anderen Seite wieder auf. Ist ja nur eine Barriere! Na, wir haben 40km gespart! Im nächsten Dorf fragt Martin ein paar Jungs an der Bushaltestelle ob die alte Brücke passierbar ist. Sie drucksen ein wenig herum, ja schon aber,… jaja wir wissen, es ist verboten, sie ist baufällig, aber geht es trotzdem? Ja schon, es geht. Mit dieser Auskunft fahren wir guten Mutes bis zur Kurve und da oben steht die Brücke, unmittelbar neben der Autobahn: wir müssen nur ein paar Meter die Räder gemeinsam hochschieben und können dann rüberfahren. Nochmals 30km gespart!

Die Gewitterserie ist noch nicht zu Ende, wir versuchen einen Couchsurfer zu kontaktieren in Policoro, leider sind wir etwas spät und er schaut auch nicht gerade auf seine Mails…so fahren wir zum Friedhof, füllen unseren Wassersack und fahren da  zum Pinienwald am Meer, wo wir ein hübsches Plätzchen finden. Nachts leuchtet und donnert und regnet es, aber Wind aber macht uns am meisten Sorgen, so mitten im Wald. Wir sind froh, als es Morgen wird! Wieder etwas Wichtiges gelernt! Wir packen und machen dass wir rauskommen aus dem Wald.

berreit zur Abfahrt!

Den ganzen Tag ziehen die Wolken regenschwanger über uns hinweg, mal tröpfelt es, mal scheint wieder die Sonne. Wir kommen flott voran, trotz ziemlichem Gegenwind. Und trotz einmal die Fahrräder abladen und alles über Betonblöcke tragen, die einen Feldweg von der Strasse trennen, und das zweite Mal wieder alles abladen und übers Geländer heben, weil ein rostiges Tor den Feldweg von einer Brücke über einen Kanal trennt. Genau in diesem Moment frischt der Wind auf und es beginnt zu regnen. Schon das zweite Mal ziehen wir heute unsere Regenjacken an. Aber schon nach 10 Minuten ist der Spuk vorbei. Im nächsten Dorf wärmen wir uns mit einem Cappuccino auf!

der nächste Regenguss ist im Anmarsch
nur passierbar, wenn es fast kein Wasser hat! Oben rechts die Autobahnbrücke!
Da muss halt alles runter vom Fahrrad , und drüben wierder aufgeladen…und die Räder hinten übers Geländer gehievt!

Irgendeinmal nach der Mittagspause mit  Sonne und am Meer, überholt uns ein Auto mit einem Schiff auf dem Dach, mit deutschen Kennzeichen. Er hält weiter vorne an. „Sucht ihr noch einen Platz zum Übernachten?“ fragt er. Ja klar, wieso nicht. Ich zeige euch ein superschönes Plätzchen! Und er erklärt uns, wie wir nach dem nächsten Dorf zum einsamen Strand mit Pinienwald kommen.

Auf der Karte ist nichts zu finden, aber nach den letzten Häusern des Dorfes, am Strand entlang, hat es einen Kies- und Sandweg, und da finden wir ihn etwa einen Kilometer weiter mit seinem Auto unter den Bäumen stehen.

Es ist wirklich ein traumhaft schöner Ort, abgesehen vom Abfall und dem vielen Toilettenpapier, das die Besucher einfach liegengelassen haben. Wir suchen uns ein windgeschütztes Plätzchen, noch immer könnte es regnen. Dann setzen wir uns zusammen mit Felli aus Berlin, kochen, essen, trinken und quatschen bis spät in den Abend hinein. In der Nacht regnet es ein wenig aber der nächste Tag beginnt mit blauem Himmel. Wir packen zwar unser Zelt zusammen, aber dann bleiben wir so lange beim Frühstück sitzen, dass wir noch eine Nacht hier anhängen. Dank Fellis 20 Liter Kanister Wasser, und einer Kiste voller Esswaren ist das locker möglich!

Morgenstimmung

Am nächsten Tag ziehen wir weiter, wir wollen ja mal nach Sizilien kommen! Die letzten Gewitter haben an den geeigneten Orten grosse Pfützen gebildet. Natürlich müssen wir da durch, und kommen sogar trockenen Fusses auf die andere Seite. Wir steuern nach drei Nächten wild zelten nun einen Camping an, wieder mal warm Duschen und die Velokleider waschen ist angesagt. Den Ganzjahresplatz den wir ausgesucht haben, will uns nur zelten lassen, wenn wir eine Woche da bleiben! Echt jetzt? Ja, die Direzione habe das so entschieden, wegen Covid 19. Und der Nachbarcamping? Frage ich. Der macht es anders und hat auch noch offen. Gut dann fahren wir hinüber, durch den Wald, (hier hat es sonst auch schöne Plätzchen für uns) und dann durch eine Hotelanlage, die zum Glück die Tore geöffnet hat.
Als wir vor das Tor des Campings Onda Azzurro kommen, trauen wir unseren Augen kaum: Da stehen schon etwa 8 Camper an zum Einchecken! Alles Deutsche und Österreicher. Die Damen des Empfangs beginnen gerade ihre Arbeit, es ist 16 Uhr. Weil wegen des Virus immer nur eine Partei ins Büro darf, macht die zweite Frau ein Fenster auf und nimmt auch die Anmeldungen auf, die hier sehr kompliziert sind, mit all den Formularen. Nach einer halbe Stunde kommen wir auch an die Reihe und bekommen einen Platz hinten im Wäldchen, ganz für uns, zwischen den für den Winter eingemummten Wohnwagen von Sommer-Urlaubern.
Nach dem Duschen gehen wir auf ein Bier ins Restaurant und bleiben hängen, es riecht so gut und wir haben plötzlich keine Lust mehr zu kochen… Da tritt eine Frau zu unserem Tisch und fragt, ob sie kurz an unseren Tisch sitzen darf, sie möchte uns ihre Bewunderung ausdrücken, dass wir mit den Fahrrädern unterwegs sind! Falls wir nach Irland kommen, sollen wir sie besuchen. Es wird uns warm ums Herz, wenn wir auf Menschen treffen, die uns so bewundern, aber auch ein bisschen verlegen, da wir ja einfach nur ein wenig anders unterwegs sind wie die anderen.

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