Ionische Küste ohne Ende

Täglich fahren wir nun so um die 40 km, alles etwas langweilig, aber trotzdem anstrengend, weil wir total konzentriert fahren müssen auf der Nationalstrasse, wo auch viele grosse Lastwagen fahren, da es kaum mehr Autobahn hat. Manchmal hat es einen schönen Streifen für uns am Rand, manchmal sind wir einfach ein Hindernis.
Der eine Camping ist ziemlich heruntergekommen, verglichen mit dem Empfangsgebäude und dem Restaurant weiter hinten, da hat es sogar einen Swimmingpool mit Bar, alles ist schön gepflegt, aber menschenleer. Aber das stört die Frau an der Rezeption nicht so sehr, wir sind ja nur Camper. Es wird nicht geputzt, die Müllcontainer stinken zum Himmel, es hat kein Desinfektionsmittel,… aber für uns sind das Schlimmste die kugeligen und stacheligen Samen von einem Gras, das hier überall wächst! Sie stecken sich in den Sohlen der Flipflops und in den Reifen der Fahrräder fest. Aber wir haben ja gute, dicke Reifen, da gibt es nicht mehr so schnell einen platten Reifen! Und, zum Glück habe ich vor dem Aufblasen der Matratzen den Boden getestet und gespürt, dass da viele dornige Kügelchen rumliegen. Wir zügeln unser Zelt vom Grasplatz aufs Kies, wo wir zuerst alle Stacheln wegräumen, damit wir nicht plötzlich ohne Luft auf den Matratzen liegen! Wir müssen uns nach dem Wetter richten, und wir bleiben ein paar Tage und warten, dass sich der Wind wieder beruhigt, 50-60km/h Windböen wollen wir auf dieser Strasse  nicht erleben.

Aber als wir dann weiterfahren, haben wir tollen Rückenwind und kommen flott voran, es ist Sonntag und hat wenig Verkehr, ein super Tag. Bei einem Dorf gehen wir am Friedhof unsere Flaschen und den Wassersack füllen, in der Nähe ist eine Pineta, wo wir einen schönen Platz finden. Zuerst kochen wir unser Abendessen bei einem Picknickplatz, wo es Tische und Bänke hat. Dazwischen versuchen wir, uns mit dem Wassersack zu duschen, es gibt sporadische Besuche von Italienern, die hierherkommen um ein wenig zu spazieren. Und kurz nach Sonnenuntergang verschwinden wir ins Wäldchen, wo keine Autos hinfahren können, suchen uns ein Plätzchen hinter ein paar Büschen, stellen das Zelt auf und um 19.15 Uhr sitzen wir da auf unseren Stühlen im Dunkeln und warten auf den Mond! Es ist ja wunderschön, dann den Mond zu betrachten, den Geräuschen des Waldes zu lauschen, aber schlafen um 20 Uhr ist halt schon etwas früh! So wird das wild campen immer etwas schwieriger, je später im Jahr wir unterwegs sind.

Morgens um 6.45 Uhr hören wir die ersten Stimmen, zwei „Walker“ sind unterwegs auf dem Waldweg. Sie sehen uns aber nicht, und noch während wir unser Zelt abbauen, kommen nochmals ein Jogger und zwei Grüppchen Leute vorbei, auch die sehen uns alle nicht. Wir verlassen unseren Schlafplatz, und bei einer anderen Picknickstelle im Wald kochen wir unseren Kaffee und machen Frühstück. Eine tolle Nacht und ein schöner Morgen! Für die nächsten paar Nächte ist wieder Wind und Regen angesagt, wir haben uns in Crotone eine kleine Wohnung reserviert. Wäsche waschen, Blog schreiben, vielleicht einen Film schauen…. Wir geniessen es, ein paar Tage in das Stadtleben einzutauchen, Crotone gefällt uns sehr gut. Auf der Weiterfahrt besuchen wir Capo Colonna, da war mal vor zigtausend Jahren eine wichtige griechische Stadt, vom Tempel steht eine einzige Säule da, deshalb wohl auch der Name?

Mit Rückenwind geht’s weiter, Isola di Capo Rizzuto, ein Städtchen, wo wir unseren Vorrat auffüllen, dann nach Le Castella, ein verschlafenes Küstendorf mit imposanter Burg am Meer. Fast alles ist geschlossen, es ist ein Touristenstädchen. Die ganze Küste hier ist eine Riserva Marina, die Zone ist so geschützt, dass der Besuch von Buchten und Stränden untersagt ist! Und auch der Bootsverkehr ist verboten in einigen Gebieten. Was wollen wir also da? Leider ist auch der Camping geschlossen, und in einer verbotenen Zone wollen wir nicht wild campieren. Also steuern wir ein offenes Restaurant an, das aussieht, wie wenn es auch einige Zimmer zu vermieten hätte, und siehe da, wir bekommen ein schönes Zimmer, alles tipptopp.
Die nächsten Tage wollen wir Kilometer „fressen“, vorwärts kommen, es ist wirklich nicht so lustig auf der Nationalstrasse. Wir übernachten einmal auf einem geschlossenen Camping, der Besitzer hat uns aber trotzdem reingelassen! So nett!
Ein Abschnitt der Strasse wird zur Zerreissprobe, wir müssen durch einen langen Tunnel, der erst noch aufwärts geht, und es hat viel Verkehr, die Autos fahren so nahe an uns vorbei und ich bekomme schon bald Panik, ich trete in die Pedale, damit ich so schnell wie möglich raus komme, dadurch bekomme ich fast keinen Atem mehr, und dann fährt Martin mir noch davon, weil auch er hier nur noch raus will! Ein paar Hundert Meter weiter können wir dann auf eine kleine Nebenstrasse abbiegen, die alte Strasse war das, die Nationalstrasse wird zur Autobahn! Und führt über gigantische Viadukte über die Buchten und durch Tunnels durch die Felsen. Ich huste mir fast die Seele aus dem Leib, das war gerade etwas zu viel für meine Lunge! Eine Frau schaut von ihrem Balkon zu uns herunter und ich kann förmlich sehen, was sie denkt: Covid 19! Den ganzen Tag spüre ich ein Kratzen im Hals, ich weiss aber, das waren die Abgase im Tunnel!

Eine Weile können wir dem Meer entlang fahren, aber dann hat es wieder Brücken über Flüsse, zwar sind einige ausgetrocknet, aber manchmal geht der Weg nicht weiter als bis zum Flussbett. So wechseln wir wieder auf die Nationale. Zum Mittagessen steuern wir dann das Meer an, und finden einen Lungomare, der etwas verwahrlost ist. Büsche wachsen zwischen den Bodenplatten, den Bänken fehlen ein paar Latten, aber für uns ideal zum Kochen. Wir haben in den letzten Tagen angefangen, am Mittag zu kochen, dann ist es einfacher, abends ein Plätzchen zu suchen. Für ein Picknick müssen wir den Kocher nicht auspacken, haben auch keinen Abwasch zu machen, brauchen also viel weniger Zeit vor dem Eindunkeln…Dass wir dann aber auf der Suche nach dem geeigneten Platz (hier hat es soviele, dass es bald schwierig wird) einen offenen Camping finden, ist ja auch schön. Wieder ein Abend mit Licht!

Die Kilometerangaben nach Reggio Calabria werden nun endlich immer weniger, es braucht nur noch ein paar Tage! Aber da ist ein Unwetter im Anzug, mit viel Wind und Gewittern, da wollen wir irgendwo unterkommen und abwarten. Und an diesem letzten Tag vor dem Regen, treffen wir mitten in einem Dorf einen Weltenbummler, mit Trike und Anhänger, in dem sein Hund mitfährt! Martin Hutchinson und sein portugiesischer Hund Starsky sind schon seit vielen Jahren unterwegs, er zuerst allein zu Fuss, dann mit dem Fahrrad und seit sechs Jahren noch mit dem Hund. Seine Mission: ökologisch unterwegs sein, und das auch allen mitteilen, in Schulen und Interviews! Er sucht sich immer kostenlose Schlafplätze, mal bei der Feuerwehr, mal in verlassenen Fabrikhallen oder Ruinen von Bauernhöfen, da hat er ja eine grosse Auswahl. Und trotzdem möchte ich nicht mit ihm tauschen.
Wir plaudern wohl fast zwei Stunden miteinander, tauschen Erfahrungen und Meinungen aus, mitten im Verkehr am Strassenrand!

Und dann verbringen wir ein paar Tage in Caulonia, auf dem Zeltplatz Afrodite. Ein paar Tage sind wir nicht allein, es hat 4-5 Camper und ein junges Paar, das mit dem Zug unterwegs ist und wir. Nach zwei sehr windigen und regnerischen Tagen und Nächten ist noch der Gewittertag auszustehen, alle anderen sind abgefahren. Aber Bruno, der Chef hier, hat Erbarmen mit uns, er offeriert uns einen alten Wohnwagen zum drin schlafen, und dann drückt er mir einen Föhn in die Hand, mit den Worten, dann musst du nicht mit nassen Haaren draussen sitzen! So lieb! Es ist zwar ein ganz einfacher Platz, es wird kaum geputzt, aber der Mann ist so zuvorkommend und nett! Ein Plus hier ist auch das Restaurant, das abends geöffnet ist und wir gehen uns zweimal verwöhnen, im Pizzaofen knistert das Feuer und das Essen ist sehr gut. Den Regentag verbringen wir unter einem Dach von einem für den Winter verbarrikadierten Wohnwagen, der steht gerade richtig gegen den Wind. So brauchen wir den alten Wohnwagen gar nicht.

Sizilien wir kommen!

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