bis nach Lyon…Avignon
Bei wunderschönem Wetter verlassen wir unser Bungalow, der Weg führt uns durch sehr schönes Gebiet, alles der Saône oder einem der vielen Kanäle entlang.
Es wird immer wärmer, und kurz nach dem Mittag passiert es: plötzlich will mein Vorderrad nach links ausscheren und ich spüre, da ist etwas nicht in Ordnung! Ich rufe Martin, ich müsse anhalten etwas stimmt nicht und da sehe ich, die Luft ist raus aus dem Vorderrad! Zum Glück hat Martin alles dabei, wie immer, und der Schlauch ist recht schnell ausgewechselt. Mein erster platter Reifen, seit über einem Jahr!
Im späteren Nachmittag kommen wir an einem Garten vorbei aus dem lautes reden und Lachen tönt-Hei, das ist doch Schweizerdeutsch! Wir halten an, gucken durchs Gebüsch und sehen junge Leute, die da Zelte aufstellen und anderes ausgebreitet haben. Kurzentschlossen gehen wir hinein und fragen ob wir ev. auch hier zelten könnten? Wir kommen ins Gespräch mit den Leuten, sie waren in Südfrankreich am Kite-Surfen, mussten aber am letzten Tag wegen dem schlechten Wetter vom Camping evakuiert werden. Jetzt sind sie da bei den Eltern von einem, um alles zu trocknen und richtig einzupacken. Der Vater erklärt uns, dass es in der Nähe ein ganz ruhiges Plätzchen gebe, wo wir ungestört zelten könnten, hier gebe es wahrscheinlich eine ziemlich laute Party.
Wir dürfen unsere Wasserflaschen füllen und er unsere Weinflasche, dann ziehen wir etwas weiter und finden wirklich ein wunderschönes Plätzchen, wo wir gemütlich den Sonnenuntergang geniessen, dann kochen und den Wein geniessen, und später den Mondaufgang bestaunen können. So gefällt uns das, deshalb sind wir immer noch unterwegs, weil wir so nahe an den schönen Momenten der Natur sind.
Die Nacht wird zwar wieder ziemlich kalt, das Zelt ist morgens tropfnass, innen und aussen, aber die Nebelschwaden die über der Wiese wallen und die Kühe ganz in einer mystische Stimmung erscheinen lassen, versöhnen uns mit der Kälte. Und der Kaffee und Porridge helfen uns, sie zu überwinden, bis die Sonne sich langsam durch den Nebel kämpft.
Und wieder empfängt uns dann Vicki ganz herzlich, sie und ihr Mann Jacky haben spanische Wurzeln, ganz in der Nähe einer Via Verde die wir auch gefahren sind letztes Jahr. Wir können mit ihnen spanisch sprechen, was vor allem Martin Spass macht. (und ich beim Abendessen etwas mehr zum Essen komme, da auch er erzählen kann.) Wir finden heraus, dass uns die spanische Geschichte alle sehr interessiert, vor allem der Bürgerkrieg. (das Buch, das Martin seit Holland dabei hat)
Wir dürfen eine Nacht länger dableiben, und besuchen Dole. Der Tag ist zwar etwas grau, aber der Abend mit Jacky ist wieder sehr spannend. Wir lernen eine Spezialität der Gegend kennen, den Käse Mont d’Or, der warm aus dem Ofen, mit Kartoffeln zusammen genossen wird. Wir hoffen sehr, dass wir uns vielleicht wieder einmal treffen, in Spanien, oder vielleicht einmal in der Schweiz?
Dank Jacky geht die Weiterfahrt querfeldein, nicht den vielen Windungen der Saône entlang, dafür durch viele kleine Dörfer und die typischen Alleen, die sich schön herbstlich verfärben. Dann erreichen wir den Zusammenfluss von Doubs und Saône, jetzt wird der Fluss richtig breit. Im Feierabend-Verkehr müssen wir durch Chalon sur Saône fahren, zum Glück ist die Veloroute sehr gut ausgeschildert und das GPS hat sie auch drauf, dann noch einige Kilometer einer Voie verte entlang. Bei Benoît und Anne-Sophie finden wir diese Nacht Unterkunft, eine Familie, deren Kinder viel Energie und Freude an unserem Besuch haben. Das Paar hat mit einem Spezial Tandem (hinten normaler Velosattel, vorne bequemer Liegeradsessel) eine Veloreise in Südamerika gemacht. Wir haben uns viel zu erzählen und die Nacht wird kurz. Morgens müssen alle früh raus, Arbeit, KIndergarten und Krippe, wir dürfen noch etwas bleiben, in Ruhe unsere Sachen packen und verlassen dann das Haus durch die Veranda.
Den ganzen Tag fahren wir auf der Voie Verte, es wird eine lange Strecke, auf dem ehemaligen Bahngleis durch hügeliges Hinterland, mit einer Umleitung über einen kleinen Pass, da der Tunnel geschlossen ist wegen der Fledermäuse, die drinnen überwintern. Wir begegnen zwei Velofahrern mit Hund, die nach Santiago de Compostela fahren, mit einfacher Ausrüstung, und sehr schweren Anhängern. Da ich an meiner Lenkertasche auch eine Muschel angehängt habe, meint der eine, ob wir auch nach Santiago unterwegs sind. Ich erkläre ihm, dass wir nur zum Teil den Camino fahren, da greift er unter seine Decke und schenkt mir eine grüne Muschel aus Glas und Messing, und wünscht uns viel Glück.
In Mâcon übernachten wir in einem Fasthotel, das fast an der Veloroute liegt, aber auch an der Autobahn. Es ist ein Elementbau der billigen Art, die Duschen sind so Plastik-Einbaukabinen und Isolation ist nicht gerade seine Stärke. Aber für uns genug, hat es doch vier Wände und eine Heizung. Das Restaurant befindet sich noch im Bau, deshalb kochen wir unser Notmenu. Das Hotel ist wie ein Motel angelegt, jede Zimmertüre geht auf den Parkplatz, es hätte sogar Tische und Bänke. Die benützen wir aber nicht, es ist schon zu kalt. Und wir essen im Zimmer. Das ist am nächsten Morgen tropfnass an der Wand, so gross ist der Temperaturunterschied.
Wir fahren weiter bis nach Villefranche sur Saône, dort können wir erst um 18 Uhr erscheinen, da Annick und Yvon arbeiten. Unterwegs gönnen wir uns ab und zu ein paar Leckereien aus der Boulangerie.
Wir sind pünktlich dort und die beiden erscheinen auch gerade. Sie öffnen uns die Türe und gehen dann in Englischkurs und Sport, aber wir dürfen uns schon gemütlich einrichten und duschen, bis sie dann um 20 Uhr wieder zurück sind und wir zusammen Abendessen. Sie haben ein gefülltes Arbeitsleben, aber unsere Erzählungen machen sie doch auch gluschtig auf eine längere Reise.
Morgens müssen sie schon um 6.30 aus dem Haus, aber auch hier dürfen wir bleiben, frühstücken um 8.30 Uhr (der Kaffee ist programmiert und bereit, als wir in die Küche kommen.) Es ist einfach unglaublich, wieviel Vertrauen uns entgegengebracht wird!
Durch die Garage können wir das Haus verlassen, heute haben wir nicht so eine lange Fahrt und nehmen sie gemütlich in Angriff. In einem kleinen Dorf spricht uns ein Mann an, und zeigt uns einen Weg weiter, wieder durch die Landschaft und kleine Dörfer, da die Strecke dem Fluss entlang etwas steinig sei. Wir befolgen seinen Rat und geniessen diese Fahrt über kleine Strässchen durchs Land. Bis wir in die Nähe von Lyon kommen und hier den Wegweisern für die Fahrradfahrer folgen. Wenn es schon welche hat. Es ist einfach, immer dem Fluss entlang, bei einigen Baustellen wird die Veloroute zwar umgeleitet, aber wir bleiben am Fluss. Die Saône ist nun sehr breit, sie wird sich in Lyon in die Rhone ergiessen.
In einem Vorort von Lyon dürfen wir etwas nach 18 Uhr bei Sylvie und Yves erscheinen. Wir haben noch Zeit und fahren zur Kathedrale und gehen gemütlich in einem Bistro einen Tee trinken. Sylvie und Yves empfangen uns herzlich und wir verbringen mit Ihnen einen gemütlichen Abend.In den Letzten Tagen haben wir uns überlegt, wie es weitergehen soll. Die vielen Übernachtungen bei Warmshower Gastgebern sind zwar sehr interessant und spannend, aber wir möchten auch wieder einmal im Zelt schlafen, selber kochen und für uns sein. Und Martin hat sich erkältet, er hustet, und hat etwas Fieber, da mag er auch nicht so lange Gespräche führen. (Diesmal will er die Krankheit durchseuchen, nicht wie damals in England, wo er diese Medikamente genommen hat und dann alles in 2 Tagen weg war.) Wir hätten aber sicher noch eine ganze Woche zu fahren bis wir in Avignon wären, und das Wetter will nicht so gut. Und das Rhonetal ist auch nicht gerade ein Highlight, da fährt man viel durch Industriegebiet. Und zudem, die Campingplätze sind fast alle geschlossen.
Deshalb entschliessen wir uns, für die nächste Nacht in der Stadt ein Hotel zu buchen, ein Ticket für einen Zug nach Avignon zu kaufen, die Züge und Gleise zu studieren und dann einen Tag Städtetrip zu spielen. Lyon zeigt sich von seiner besten Seite, die Sonne scheint und wir flanieren durch die Fussgängerzone, trinken Kaffee in einem der vielen Bistros. Abends gehen wir in einem Vietnamesischen Restaurant essen, ein Glückstreffer, das Essen ist sehr gut. Gegen 20 Uhr sind wir in unserem Zimmer und schauen uns einen Film an. Das ist etwas, das wir kaum machen, dabei warten auf der Harddisk doch einige gute Filme darauf, angeschaut zu werden.
Und dann am Sonntag, dem 23. Oktober, um 11Uhr, steigen wir in den Zug und fahren in knapp 3 Stunden nach Avignon. Es regnet unterwegs, alles ist grau in grau, aber ich sehe die ersten Olivenbäume, und als wir aussteigen, ist es sicher etwa 10 Grad wärmer als es in Lyon war! Wir haben uns in 3 Stunden Zugfahrt eine ganze Woche Velofahren erspart. Wir fahren zum Camping und installieren uns hier. Martin muss schlafen, er hat Fieber, aber heute sind wir bei niemandem angemeldet und er kann schlafen und sich auskurieren.
Am nächsten Morgen geht es ihm schon besser, wir waschen unsere Kleider in einer Maschine, und die Sonne und der Wind sind sie nun am Trocknen. Martin schläft wieder und ich schreibe, damit ihr wisst, dass es uns gut geht und wir bald voller Elan weiterfahren wollen.