Es wird heiss!

Der Canal du Midi liegt vor uns und schon bald erinnern wir uns wieder an letzten November, als wir manchmal auch nur einen kleinen Pfad fanden. Jetzt kommt dazu, dass das Gras bis zu einem Meter hoch ist, die Wurzeln der grossen Bäume unsichtbar was uns ziemlich verlangsamt. Ich schlage mehrmals mit dem Pedal auf der Grasnarbe auf, habe aber Glück, dass ich nicht gleich hängenbleibe und stürze. Auf dem Canal hat es ein paar Schiffe, es ist ja schon wieder Samstag! Velofahrer hingegen treffen wir kaum, nur kurz nach Carcassonne einen Tourenfahrer aus Deutschland, mit dem ich ein paar Worte wechsle. Er ist wahrscheinlich auf seinem ersten Trip nach der Pensionierung, allein für ein paar Monate mit dem Fahrrad durch Europa, die Frau ist zuhause geblieben. Er möchte es eigentlich etwas gemütlicher nehmen, aber allein unterwegs ist das gar nicht so einfach, sich irgendwo hinzusetzen und nichts zu machen- da fahren viele noch ein bisschen weiter und fahren dann 80-100 km oder mehr pro Tag.
Es ist anstrengend, dem Canal entlang zu fahren, wir treffen auf dickes Gestrüpp mit Brombeeren und Disteln. Dazu ist es heiss geworden, viele der schönen Allee-Bäume wurden abgeholzt, weil sie schon alt und morsch waren. Zwar werden vielerorts lange Reihen neue Bäumchen gepflanzt, aber da ist noch kein Schatten. Dass mit der Anpflanzung auch der Weg entlang des Kanals etwas verbessert werden könnte, haben die Verantwortlichen schlicht übersehen.
Unterwegs treffen wir auf ein älteres Paar auf dem Rad, er ist gerade im Gras hängegeblieben mit seinem Pedal, wir kommen ins Gespräch und plaudern fast eine halbe Stunde lang. Im nächsten Dorf finden wir eine offene Epicerie, wo wir einkaufen können. Wir haben den Plan, am Canal wild zu campen, aber wir finden dann doch kein geeignetes Plätzchen. Zu offen, zu viele Schiffe oder zu nahe an den Häusern. Es ist Samstag, da müssen wir auch mit Leuten rechnen, die Abends noch an den Canal fahren um die Nacht da zu feiern….deshalb nehmen wir eine Strasse nach Mirepeisset, zu einem Camping. Eine Dusche ist heute auch nicht zu verachten!
Es ist ein Bungalow-Camping, mit einer Bar, vielen Leuten und nur vier kleinen Stellplätzen. Auf einem sind zwei Australier, die eine Tour durch Europa machen. Sie haben keine Küche dabei und gehen Essen, wir hingegen haben Spargeln gekauft und kochen uns ein wunderbares Menü!
Wir verlassen den Canal du Midi, wir haben schon genug davon, es geht Richtung St.Chinian nach Roquebrun, eine wunderbare, schön hügelige, weite Landschaft, wenige Dörfer und dazwischen viel Reben, Pinienwald und wildes Land.  Lange beobachten wir eine dicke graue Wolke, die uns entgegenkommt, oder eher an uns vorbeiziehen wird? Pech gehabt, sie erwischt uns, nachdem wir St.Chinian verlassen haben. Wir ertragen den Regenguss unter einem Baum am Strassenrand, und sind bald wieder bei Sonnenschein unterwegs. Roquebrun ist ein kleines, verschlafenes Dorf in einem Tal, der Camping fast noch verschlafener.  Die Rezeption ist geschlossen ist, aber ein Mann in einem kleinen „Eriba“ Wohnwagen leiht uns seine  Karte, um die Duschen- und Toilettentüren zu öffnen.
Er ist ein pensionierter Geologe, der immer im Frühling für sechs Wochen hierher kommt, um zu arbeiten, da er noch ein paar Projekte fertigstellen will. Sein ganzes Leben hat er immer wieder in dieser Region die Steine erforscht. Es gibt hier viel Spannendes für Geologen zu finden! Er beschreibt uns eine Schlucht, die wir besuchen könnten, im nächsten Quertal, da hat es auch viele interessante geologische Kostbarkeiten. Ich gehe hier nicht ins Detail, da ich nicht viel verstehe von der Geologie. Was ich verstehe, ist, dass man hier ganz wunderbar die verschiedenen Erdschichten sehen kann, die vor etwa 350 Millionen Jahren aufgebrochen sind und sich übereinander geschoben haben.
Am Montagmorgen werden wir von der Dame an der Reception belehrt, dass am Sonntag: „Dieu se repose, et nous, on se repose aussi!“ Sehr schön für Sie!
Der Abstecher in die Gorges d’Heric wird kurz, da der Weg steil in die Höhe geht, ohne Ausgang. Das heisst, dass wir da raufkeuchen, um dann wieder zurück zu fahren- das macht mir definitiv keinen Spass. Die Schlucht ist ein Kletter- und Wanderparadies.  Am Eingang hat es einen riesigen Parkplatz und der Weg hinein ist für Fahrzeuge gesperrt. Wir fahren ein wenig hinein, finden aber kein Plätzchen wo wir mit den Velos an den Bach könnten, wollen sie aber nicht vollbeladen und allein da oben stehen lassen. Deshalb verlassen wir sie, unser Weg führt uns auf einer „Voie verte“ weiter, da finden wir ein schattiges Plätzchen, wo wir unsere Mittagsrast machen können.
 
Nach Bédarieux  biegen wir in ein kleines Tal, mit einem kleinen Pass zuhinterst, jetzt  wollen wir wirklich wieder einmal wild zelten, aber auch hier, immer wieder Häuser, oder Zufahrten zum Bach die so kurz sind, dass wir befürchten, von der Strasse aus gesehen zu werden. Ein Platz gefällt uns besonders gut, es wäre perfekt, wenn nicht ein Parkplatz wäre und Picknicktische dastehen würden.
Wir fahren und fahren, und endlich, auf der anderen Seite des Passes finden wir einen Weg, der von der Strasse wegführt, es sind keine Häuser in Sicht, durch einen Bach und hinter einem kleinen Hügel, da ist ein Plätzchen, das uns sehr geeignet erscheint zum Bleiben. Wunderschön, so mitten in der Natur zu sein! Auch wenn die Dusche durch einen Waschlappen ersetzt wird – das halten wir aus!
Wir sind gerade beim Kochen, da hören wir ein Auto den Weg hochfahren, und schon sind wir voll in Sicht. Damit haben wir nicht gerechnet, die Fahrerin aber auch nicht. Sie stellt den Motor ab, steigt aus und kommt auf uns zu. Ich bin auch schon aufgestanden, (zum Glück haben wir das Zelt noch nicht aufgestellt) gehe auf sie zu, sie beginnt zu sprechen, französisch mit starkem Akzent. Es stellt sich heraus, dass sie weiter hinten in einem Wohnwagen wohnt, der Landbesitzer ein netter Mann ist, und sie Engländerin ist, hier arbeitet und falls wir Wasser brauchen, könnten wir zu ihr kommen! Für sie ist klar, dass wir hier übernachten wollen, es ist hier einfach zu schön. Da wäre jeder blöd, wenn er es nicht so machen würde. Aber sicher passiert es nicht so oft, dass hier jemand auftaucht. Sie winkt uns noch zu und verschwindet  zu ihrem Wohnwagen, der gut versteckt hinter dem nächsten Hügel steht. Die Stimmung ist sehr ruhig und friedlich, nachdem wir das Zelt aufgestellt haben, verkriecht sich Martin zum Lesen ins Zelt und ich sitze in der Abenddämmerung, bis die Sterne zu leuchten beginnen und es langsam kühl wird.
Am frühen Morgen, die Vögel haben mich durch ihr Konzert geweckt, streife ich mit der Kamera durch die Umgebung, die rote Erde und die Pflanzen drauf faszinieren mich.
Und da finde ich sogar eine ganz heisse Spur!!!
Ich bemerke jetzt auch weiter hinten eine Hütte, auf einem anderen Hügel ein Futtergestell für Kühe und höre neben den vielen Vögeln auch einen Hahn krähen, wir sind doch nicht so weit entfernt von der Zivilisation. Beim Kaffeetrinken kommt die Frau wieder herunter, sie muss zur Arbeit, wir wechseln noch ein paar freundliche Worte, und sie legt uns einen Besuch beim Landbesitzer ans Herz, der gerade nach der nächsten Kurve unten wohnt.
Die Dinosaurierspuren auf einem Felsen, die gut geschützt unter einem Dach und eingezäunt am Wegrand sind, werden wahrscheinlich nicht mehr so oft besucht, oder nicht so gut vermarktet, wie anderes in dieser Gegend. Das merken wir, als wir durch ein Dorf fahren das gerade voll ist mit Wander-Touristen, die ein paar gut vermarktete Felsensäulen mitten im Tal bestaunen und die Berge, die ein wenig aussehen wie die Dolomiten (nur etwas weniger hoch).
Den Lac de Salagou bekommen wir nicht zu Gesicht, der ist wohl hinter den „Dolomiten“. Wir wollen aber heute bis nach Gignac, da hat es am Fluss Herault einen Naturisten-camping, den wir uns anschauen möchten und ein paar Tage Ferien machen. Das Wetter würde passen, das Dorf gut erreichbar zum Einkaufen. Wir verlassen die Berge, das Gebiet hinter Montpellier ist nur leicht hügelig. Die Mittagshitze ist schon recht kräftig, die Pause wird heute im Schatten abgehalten. Unser Wasserkonsum ist in den letzten Tagen in die Höhe geschnellt, wir leeren alle Flaschen bis zum Abend. Und das sind genau 9 Liter, die wir mitführen können. Das ist aber keine Klage, fast noch nie hatten wir so schön warm, und wir geniessen es!!!!
Der Camping gefällt uns gut, viele Bäume und Schatten, Die anderen Gäste sind Holländer und Franzosen. Unser Plätzchen ist unter Bäumen, die in voller Blüte sind, das Summen der Bienen begleitet uns von frühmorgens  bis spätabends. Und die verblühten Teilchen segeln dauernd herunter und decken alles zu. (ich habe gegoogelt und nehme an, dass es eine Art Akazie ist)
Die Temperaturen steigen in diesen Tagen immer höher, bis zu 34° Grad werden gemessen, wir faulenzen, baden in der Sonne und im Pool, und, nachdem uns eine Frau erzählt hat, dass sie im Fluss schwimmen geht, auch im angenehm kühlen Fluss! (Die Aare in Bern hat 14Grad, das habe ich extra nachgeschaut, der Herault etwa 18). Die Nächte sind angenehm warm, die Zeiten der Tropfsteinhöhle (das Zelt) am Morgen ist endlich vorbei! Einmal gehen wir im Restaurant essen, es ist wunderbar, aber leider würde ein mehrmaliger Besuch unser Budget sprengen!
Der Samstagsmarkt in Gignac hat gerade die richtige Grösse, wir kaufen viel ein, so dass wir für die nächsten Tage mit frischen Früchten und Gemüse versorgt sind! Und nach dem Einkauf trinken wir am Rande des Markts ein Glas Weisswein und essen dazu von der Fougasse, die wir vorher am Brotstand erstanden haben. Was für ein Leben! Da die Hitzewelle noch andauert, bleiben wir ein bisschen länger, und als wir uns endlich entschliessen, weiterzufahren, stellen wir den Wecker auf 6 Uhr! Bis wir alles gepackt und gemütlich gefrühstückt haben mit Müesli und Kaffee, dauert es gute 2 Stunden. So können wir dann die kühleren Morgenstunden zum Fahren nutzen.

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